DOMRADIO.DE: Sie sagen, dass die Ideologie der AfD im fundamentalen Widerspruch zur christlichen Ethik steht. Woran machen Sie das genau fest?
Kai Kallbach (Projektleitung Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde der katholischen Kirche Bayern): Das machen wir vor allem an der Rhetorik der AfD fest, die im Widerspruch zur universellen Menschenwürde steht und sie immer wieder in Frage stellt. Sie tut das, indem sie bestimmte Gruppen als feindlich markiert und nicht als gleichberechtigte Mitbürger anerkennt. Die AfD vertritt laut ihrem eigenen Grundsatzprogramm ein sogenanntes differenziertes Menschenbild, demnach kommt eben nicht allen Menschen die gleiche Würde zu.
Das steht unserer Meinung nach in einem fundamentalen Widerspruch zur christlichen Ethik, die sich an der Idee der Nächstenliebe und der Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen orientiert.
Das ist ein so zentraler Gesichtspunkt des christlichen Glaubens, der verlangt in jedem Menschen, unabhängig von seiner Herkunft, ein Gegenüber zu erkennen, dem wir ethisch verpflichtet sind. Das ist unserer Meinung nach nicht in der AfD repräsentiert und dort wird gegen diesen Grundsatz verstoßen.
DOMRADIO.DE: Längst, so stellen Sie fest, hat die AfD die politische Kultur im Land beeinflusst. Was beobachten Sie da?
Kallbach: Wir können beobachten, dass die Deutungsmuster, das Framing und die Art und Weise, wie die AfD Politik betreibt und wie sie über politische Themen spricht, auch in anderen Diskursen auftauchen und dominieren.
Wir beobachten, dass die AfD zum Beispiel die Gleichstellungspolitik oder auch den Klimaschutz zu einer Bedrohung der westlichen, weißen Identität aufbauscht und dadurch gesellschaftliche Spaltungslinien vertieft. Das erschwert das Vorantreiben sachgerechter Lösungen für diese realen Problemlagen, es erschwert eine Pragmatik und es erschwert politische Gespräche zu führen.
Wir sehen es auch beim Thema Migration, wo die AfD ihr Framing seit Jahren pusht und immer mehr Erfolg damit hat. In ihren Augen wird Migration ausschließlich als Problem wahrgenommen. Dieses Framing sehen wir immer häufiger auch in öffentlichen Debatten, wo darüber hinweggesehen wird, wie sehr Deutschland in der Vergangenheit von Migrationsbewegungen profitiert hat und auch in Zukunft darauf angewiesen sein wird.
Dieser problematisierende Blick der AfD dominiert in diesen Debatten. Das ist schwierig für eine demokratische Kultur, da wir Themen konstruktiv und würdevoll bearbeiten sollten.
DOMRADIO.DE: Es ist nicht ihre Aufgabe, Wahlempfehlungen abzugeben. Aber Sie warnen jetzt doch ganz eindeutig vor einer Wahl der AfD. Warum halten Sie in diesem Fall eine solche Warnung für angemessen?
Kallbach: Das stimmt, es ist nicht unsere Aufgabe, Wahlempfehlungen abzugeben. Das haben wir auch nicht getan. Wir haben uns nicht dafür ausgesprochen, eine bestimmte Partei zu wählen. Wir haben auf Gefahren hingewiesen, die wir sehen und auf Widersprüche zur christlichen Botschaft hingewiesen.
Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei, die eine manifeste Gefahr für die Demokratie darstellt und nach unserer Einschätzung nach keine demokratischen Werte vertritt.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass demokratische Ordnungen auch von innen heraus zerstört werden können. Deswegen reicht es nicht, solchen demokratie-zersetzenden Kräften neutral gegenüberzutreten. Wir sollten uns aktiv gegen solche Stimmen erheben und engagieren.
DOMRADIO.DE: Die Affäre rund um den Spitzenkandidaten der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, und das antisemitische Flugblatt hat hohe Wogen geschlagen. Aber offenbar hat das der Partei nicht wirklich geschadet, eher im Gegenteil. Wie ordnen Sie das ein?
Kallbach: Zunächst einmal würde ich schon darauf hinweisen wollen, dass die Freien Wähler mit Sicherheit keine rechtsextreme Partei sind und sich auch in entscheidenden Hinsichten personell und ideologisch von der AfD unterscheiden. Man muss aber konstatieren, dass bei den Freien Wählern und der Person Aiwanger rechte Diskursstrategien und populistische Deutungsmuster übernommen worden sind. Das ist hochproblematisch.
Er macht Gebrauch von einer Art der offenkundigen "Nicht-Entschuldigung". Er hat sich dafür entschuldigt, dass er vielleicht Gefühle verletzt haben könnte, aber nicht in Bezug auf sein tatsächliches Verhalten. Dadurch normalisiert man ein Stück weit die Tabubrüche, die mit diesem antisemitischen Flugblatt zusammenhängen.
Ich finde es schade, dass Herr Aiwanger die Chance verpasst hat, sich auch in aller Deutlichkeit noch mal für demokratische Werte auszusprechen. Dass ihm der Umgang, den er gewählt hat – also die Selbstinszenierung als Opfer – letztendlich einen Zuwachs an Umfragewerten beschert hat, zeigt leider, wie sehr das populistische Reden auch in Bayern verfängt.
DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie vom Kompetenzzentrum für die Landtagswahl am Sonntag?
Kallbach: Wir erhoffen uns, dass möglichst viele Demokraten und alle Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, sich für die Demokratie stark machen, demokratische Parteien wählen und das vielleicht auch zum Anlass nehmen, sich darüber hinaus demokratisch zu engagieren. Das beinhaltet nicht nur die Möglichkeit zur Stimmabgabe, sondern hält auch noch weitere Formen des Engagements bereit.
Darüber hinaus hoffen wir, dass sich die demokratischen Parteien im Bayerischen Landtag trotz aller Unterschiede gemeinsam gegen die AfD positionieren.
Das Interview führte Hilde Regeniter.