Islamforscher kritisiert antirassistische Identitätspolitik

"Wasser auf Mühlen" von Islamisten und AfD

Laut dem Islamforscher Mouhanad Khorchide nützt moralisch aufgeladene Identitäspolitik nur der AfD und Islamisten. Er plädiert für eine genauere Rassismus-Definition. Kritisch sieht er so den Begriff des "antimuslimischen Rassismus".

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide nahm 2018 beim 101. Katholikentag in Muenster an einem Podium zum Thema Jesus im Koran - Was der Koran Christen ueber Jesus zu sagen hat teil / ©  Friedrich Stark (epd)
Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide nahm 2018 beim 101. Katholikentag in Muenster an einem Podium zum Thema Jesus im Koran - Was der Koran Christen ueber Jesus zu sagen hat teil / © Friedrich Stark ( epd )

Es gebe einen Zusammenhang zwischen hohen Zustimmungswerten für die rechtsgerichtete AfD und einer mit hohem moralischem Anspruch geführten Rassismus-Debatte, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wir tappen in eine Falle, wenn wir nicht über Ängste sprechen, sondern über identitätspolitische Erzählungen."

Rassismus und Judenfeindschaft auch unter Muslimen verbreitet

Die AfD schüre Angst vor dem Anderen und vor einem Verlust der eigenen Identität, sagte der Professor für Islamische Religionspädagogik.

Am größten seien die Ängste vor dem Islam dort, wo die wenigsten Muslime leben, etwa in Ostdeutschland.

Björn Höcke (l) und Tino Chrupalla (r) gratulieren dem AfD-Wahlsieger Robert Sesselmann / © Martin Schutt (dpa)
Björn Höcke (l) und Tino Chrupalla (r) gratulieren dem AfD-Wahlsieger Robert Sesselmann / © Martin Schutt ( dpa )

Khorchide räumte ein, dass Rassismus, besonders Antisemitismus, auch unter Muslimen verbreitet ist.

Teils Abwertung von Juden oder Mädchen ohne Kopftuch

"Manche muslimischen Schulkinder äußern sich geringschätzig über Juden, aber auch über Mädchen, die kein Kopftuch tragen", sagte er.

"Es gibt Diskriminierung innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft."

Skeptisch beurteilt Khorchide die Definition, Rassismus sei dort, wo ein Mensch sich benachteiligt fühlt.

Islamisten gebrauchen Begriff des "antimuslimischen Rassismus"

"Wenn sich Muslime dieser Rhetorik bedienen, ist das Wasser auf die Mühlen der Islamisten, die sich so vor jeglicher Kritik immunisieren würden", warnte der Islamforscher.

Auch den Begriff "antimuslimischer Rassismus" sieht der 52-jährige Soziologe und Religionspädagoge kritisch.

Salafisten in Hamburg (dpa)
Salafisten in Hamburg / ( dpa )

Manche Islamisten gebrauchten diese Wortverbindung, um Vorbehalte gegen ihre Auslegung des Islam als Rassismus zu diskreditieren, gab er zu bedenken.

Islamforscher fordert objektive Kriterien für Rassismus

Es sei jedoch wichtig, über objektive Kriterien zu reden. "Diese müssen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ausgehandelt werden", sagte der Wissenschaftler. "Das geht nur in einem offenen Diskurs."

Historische Texte, in denen nach heutigem Verständnis rassistische Begriffe wie das "N-Wort" verwendet werden, sollten nach Ansicht Khorchides nicht aussortiert oder umgeschrieben werden.

Geistige Räume zur Rezeption historischer Texte nötig

"Wenn wir da konsequent wären, müssten wir große Teile unserer heiligen Schriften in den Giftschrank sperren", sagte er. "Verdrängen und Wegschließen" sei keine Lösung.

"Zielführend ist vielmehr die Frage: Wie rezipieren wir diese Texte? Wie schaffen wir ein Bewusstsein dafür, was sie uns heute zu sagen haben?" Es brauche "geistige Räume der Begegnung mit historischen Texten".

Religion ist oft nicht Grund für Antisemitismus

Antisemitismus unter Musliminnen und Muslimen in Deutschland ist einer Untersuchung zufolge häufig eher eine Folge konservativ-autoritärer Einstellungen als der Religion an sich. Auch gebe es Hinweise, dass regionale beziehungsweise nationale Diskurse einen stärkeren Einfluss auf negative Einstellungen gegenüber Jüdinnen und Juden hätten als religiöse Zugehörigkeit. So zeigten zum Beispiel auch Menschen christlichen Glaubens entsprechende Ressentiments.

Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert (dpa)
Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert ( dpa )
Quelle:
epd