Zu den hohen jüdischen Feiertagen ist das "Leonardo Plaza" ausgebucht. Auch jetzt ist das Fünf-Sterne-Hotel im Herzen Westjerusalems bis auf den letzten Platz belegt - nur nicht mit den üblichen Gästen.
Neben gestrandeten Touristen hat das Haus hat seine rund 200 Zimmer Familien zur Verfügung gestellt, die vor dem Krieg aus dem Süden des Landes geflohen sind. "Wenn das der Beitrag ist, den wir leisten können, dann tun wir das gern", sagt Hotelmanagerin Ortal Noah Moalem.
Vor einem Raum rechts der Lobby stapeln sich Kartons mit Kleiderspenden. Daneben, zwischen den Aufzügen und der Rezeption, toben Kinder unterschiedlichster Altersklassen, während am hinteren Ende des Raums eine Eventmanagerin letzte Hand an die Dekoration einer Chuppah anlegt, dem traditionellen Baldachin jüdischer Hochzeiten.
Einwöchige Trauerzeit für enge Familienangehörige
Ortal Moalem atmet tief durch. Das sei sie nicht gewohnt. Dann hat sie ihr Lächeln wieder und widmet sich der nächsten Herausforderung: in dem Trubel einen geeigneten Raum finden, in dem eine der Familien Schiwah sitzen kann. Schiwah, nach dem hebräischen Zahlwort für Sieben, so heißt die einwöchige Trauerzeit für enge Familienangehörige.
Die Familie, sagt Moalem, hat gerade erfahren, dass zwei Angehörige bei einem der Angriffe der radikalislamischen Hamas getötet wurden. Brautpaar Taliah und Sami stellen sich unterdessen in unterschiedlichsten Familienkonstellationen zu den Hochzeitsfotos auf. Eigentlich hätte viel größer und an einem anderen Ort gefeiert werden sollen, sagt der Vater der Braut. Dann kam der Krieg.
Überall mittendrin wirbeln rund zwölf junge Freiwillige. Sie kommen von "Knafaim schel Krembo" (Flügel eines Schokokusses), einer Jugendorganisation für Kinder mit und ohne Behinderungen. Sie beladen die goldfarbenen Kofferwagen mit einer neu eingetroffenen Spende.
"Wir haben uns gefragt, wie wir helfen können"
Sie sortieren Kleidung nach Größen, Hygieneartikel nach Verwendungszweck und kümmern sich um die Kinder. "Wir haben uns gefragt, wie wir helfen können, und sind froh, hier zu sein", sagt die 18-jährige Hallel. Die gleichaltrige Achinoam pflichtet ihr bei. "Zuhause ist uns die Decke auf den Kopf gefallen. Hier haben wir das Gefühl, etwas mit unserer Zeit anzufangen."
Manche, so erzählen die Freiwilligen, seien nur mit der Kleidung am Leib im Hotel angekommen. Nechama aus Netivot und ihre 13 Söhne und drei Töchter zum Beispiel. Ein Raketeneinschlag zerstörte ihr Haus. "Als die Rakete einschlug, waren alle Kinder zum Priestersegen unter dem Tallit", erzählt die orthodoxe Jüdin. Keiner sei verletzt worden.
Keiner außer Nechama. Immer noch trage sie die Raketensplitter in ihrem Bauch. Das 40 Minuten entfernte Krankenhaus, in das ihr Mann sie mangels Krankenwagen gefahren habe, hatte keine Kapazitäten, um Nechamas Verletzung zu behandeln.
"Wir schaffen es, die Kinder aus dem Erlebten rauszuholen"
Im hinteren Teil des Hotels haben die jungen Freiwilligen ein Spielzimmer eingerichtet. "Herzlich willkommen", steht auf dem handgemalten Plakat am Eingang. Drinnen stehen Tische mit Büchern und Spielen, eine Kuschelecke. "Wir schaffen es, die Kinder aus dem Erlebten rauszuholen", sagen Achinoam und Hallel. Sie lachen, sie spielen, sind dankbar.
"Ich war so traurig, aber hier bin ich wieder froh", zitiert Hallel eines der Kinder. Das habe sie sehr berührt. Knapp eine Woche helfen sie im Leonardo Plaza, von morgens früh bis zum Abendessen, erklärt der Initiator der Hilfsaktion, Asif (18). Die Betreuung helfe den Kindern, aber auch ihren Eltern, die sich aus der Ferne um viele praktische Dinge kümmern müssen.
Alle, Chefin und Freiwillige, sind sich einig: Ihre Hilfe steht
Auch für Hotelmanagerin Ortal Moalem ist die gegenwärtige Situation alles andere als gewöhnlich. "Ich habe keine Arbeiter, weil die Juden vielfach als Reservisten in der Armee sind und die Araber aus Angst vor der Sicherheitslage nicht kommen"; bis auf ein paar, die im Hotel übernachten. Wenn Not am Mann ist, springen schon mal die jungen Erwachsenen der Krembo-Truppe ein, oder die Hotelchefin legt selbst Hand an bei der Reinigung der Zimmer. Alle, Chefin und Freiwillige, sind sich einig: Ihre Hilfe steht. Solange sie benötigt wird.