Vor dem Gesetz sind alle gleich: So zumindest lautet eine alte Überzeugung, die bis heute praktische Anwendung findet. Niemand darf demnach aufgrund seiner Person verurteilt werden, sondern einzig und allein wegen einer objektiven Sachlage.
Dieser wichtiger Grundsatz in einem Rechtsstaat sichert, dass es keine Ungleichbehandlung vor Gericht gibt. Kein Mensch wird zu einer geringeren Strafe verurteilt, nur weil er beispielsweise einen hohen Posten in einem Land bekleidet. Und umgekehrt.
Niemand fällt durchs Raster
Vor dem Gesetz sind alle gleich: Wer das Evangelium vom heutigen Sonntag hört, müsste diesen Satz vielleicht etwas umformulieren. Dann könnte er lauten: Vor Gott sind alle Menschen gleich. Denn das ist es ja, was die Jünger zu Jesus sagen: "Meister, wir wissen, dass du die Wahrheit sagst (...), denn du siehst nicht auf die Person." (Mt 22,16)
Auch vor Jesus sind alle Menschen gleich. Beim Blick in die Evangelien fällt auf: Bei Jesus wird niemand bevorzugt oder hofiert, nur weil er König oder Kaiser ist. Zugleich fällt bei ihm keine Person durchs Raster, nur weil sie nicht zum Establishment gehört.
Menschen am Rand
Vielmehr sind es gerade jene Menschen, zu denen Jesus ein besonderes Verhältnis hat: Diejenigen, die so oft nicht beachtet werden, weil häufig eben doch nach dem Augenschein und aufgrund der Persönlichkeit geurteilt wird. Die in der Gesellschaft nichts gelten, die an deren Rand stehen, die arm, krank und ohne Lobby sind – für Jesus sind sie wichtig. Das zeigt er ihnen immer wieder durch seine Worte und durch sein Handeln.
Vor Gott sind alle Menschen gleich: Dieser Grundsatz ist für den christlichen Glauben von enormer Bedeutung. Denn er sagt uns, wie wir mit anderen Menschen umgehen sollen. Wenn wir uns am Leben Jesu orientieren, dann sollen wir so handeln, wie er selbst gehandelt hat: nämlich ohne Ansehen der Person. Wie Jesus, so soll es auch uns allein um die Sache gehen – um das Evangelium.
Gemeinden weltweit im Blick
Zusammengefasst heißt das dann: Wir sollen und dürfen allen Menschen das Evangelium verkünden, ihnen die Nähe Gottes zusagen und sie diese durch unser Tun spüren lassen. Schließlich sind alle Menschen dazu berufen, geliebte Töchter und Söhne des Vaters im Himmel zu sein. Alle Menschen sind erwählt, in Glaube, Hoffnung und Liebe ihr Leben zu gestalten, wie es Paulus in der heutigen Lesung schreibt.
Vor Gott sind alle Menschen gleich: Der 29. Sonntag im Jahreskreis ist in diesem Jahr zugleich der Sonntag der Weltmission. An diesem Tag weitet sich unser Blick, denn wir nehmen nicht nur unsere Gemeinde vor Ort in den Blick, sondern weltweit.
Kein elitärer Zirkel
Denn die christliche Gemeinschaft ist nie nur auf sich selbst beschränkt, sie ist kein elitärer, abgeschlossener Zirkel. Sondern sie ist offen auf die Welt und Gesellschaft hin und offen für alle Menschen. Deshalb sind wir eingeladen, allen Menschen in derselbenaufrichtigen und liebevollen Haltung zu begegnen, wie Jesus es uns vorgelebt hat.
Den Weltmissionssonntag zu feiern, kann deshalb auch bedeuten, sich neu darauf zu besinnen, dass wir Christen Verantwortung tragen für die ganze Welt. Dass wir berufen sind hinauszugehen, um Menschen auch jenseits unseres üblichen Blickfeldes das Evangelium zu verkünden, auch durch unser Handeln.
Etwas in Wort und Tat erzählen von dem, was wir selbst erfahren durften: dass jeder Mensch erwählt und berufen ist, um Anteil zu haben an Gottes unendlicher Liebe, die er uns in seinem Sohn Jesus Christus erwiesen hat.