Jerusalemer Kardinal sieht keinen Frieden durch Gewalt

Tragödien auf beiden Seiten sehen

Der Jerusalemer Kardinal Pierbattista Pizzaballa hat dem Konstrukt von Frieden durch Gewalt eine klare Absage erteilt. Die Christen erinnerte er daran, dass Christus am Kreuz nicht mit Waffen oder politischer Macht gesiegt habe.

Kardinal Pierbattista Pizzaballa während eines Besuches eines Waisenhauses der Missionarinnen der Nächstenliebe (Archiv) / © Andrea Krogmann (KNA)
Kardinal Pierbattista Pizzaballa während eines Besuches eines Waisenhauses der Missionarinnen der Nächstenliebe (Archiv) / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Die anhaltenden schweren Bombardierungen, die Gaza seit Tagen erschüttern, werden nur noch mehr Tod und Zerstörung verursachen und Hass und Groll nur verstärken", schreibt der höchste katholische Würdenträger der Region in einem Hirtenbrief (Dienstag) an die Katholiken im Heiligen Land.

Das Bild zeigt eine zerstörte orthodoxe Kirche in Gaza / © Mohammad Abu Elsebah (dpa)
Das Bild zeigt eine zerstörte orthodoxe Kirche in Gaza / © Mohammad Abu Elsebah ( dpa )

Die Gewalt werde keine Probleme lösen, sondern vielmehr neue schaffen. "Es ist Zeit, diesen Krieg, diese sinnlose Gewalt zu beenden", so der Jerusalemer Patriarch.

Mit Blick auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel Anfang Oktober und die israelische Vergeltung schreibt Pizzaballa: "Seit über zwei Wochen werden wir mit Bildern des Grauens überschwemmt, die alte Traumata wieder erweckt, neue Wunden geöffnet haben und Schmerz, Frustration und Wut in uns allen explodieren lassen."

Terrortaten der Hamas klar verurteilen

Er habe die Terrortaten der Hamas klar verurteilt, erinnert der Kardinal. Jedoch: "Das gleiche Gewissen, aber mit einer großen Last auf meinem Herzen, veranlasst mich heute, mit der gleichen Klarheit zu sagen, dass dieser neue Zyklus der Gewalt mehr als 5.000 Todesopfer nach Gaza gebracht hat, darunter viele Frauen und Kinder, Zehntausende Verwundete."

Palästinenser tragen ein Kind aus dem von einem Raketenangriff getroffenen Ahli Arab Krankenhaus in Richtung Al-Shifa Krankenhaus im Gazastreifen.  / © Mohammad Abu Elsebah (dpa)
Palästinenser tragen ein Kind aus dem von einem Raketenangriff getroffenen Ahli Arab Krankenhaus in Richtung Al-Shifa Krankenhaus im Gazastreifen. / © Mohammad Abu Elsebah ( dpa )

Stadtviertel seien dem Erdboden gleichgemacht, es mangele an Medikamenten, an Wasser und an Grundbedürfnissen für mehr als zwei Millionen Menschen. Es handele sich um "Tragödien, die nicht verstanden werden können und die wir vorbehaltlos anprangern und verurteilen müssen", so der Patriarch.

Der Kardinal weiter: "Nur wenn die jahrzehntelange Besatzung und ihre tragischen Folgen beendet werden und dem palästinensischen Volk eine klare und sichere nationale Perspektive gegeben wird, kann ein ernsthafter Friedensprozess beginnen." Solange dieses Problem nicht an der Wurzel gelöst werde, "wird es niemals die Stabilität geben, auf die wir alle hoffen".

Frieden habe nichts mit siegen zu tun

Pizzaballa fährt fort: "Die Tragödie dieser Tage muss uns alle, religiöse, politische, zivilgesellschaftliche und internationale Gemeinschaft, zu einem ernsthafteren Engagement in dieser Hinsicht führen als bisher." Nur so könnten weitere Tragödien wie die derzeitige vermieden werden. "Wir sind es den vielen Opfern dieser Tage und der vergangenen Jahre schuldig. Wir haben nicht das Recht, diese Aufgabe anderen zu überlassen", so der Kirchenmann.

Kardinal Pierbattista Pizzaballa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Pierbattista Pizzaballa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die Christen erinnert Pizzaballa, dass Christus am Kreuz nicht mit Waffen oder politischer Macht gesiegt habe; "er gewann die Welt, indem er sie liebte". Der Frieden, von dem Christus spreche, habe nichts mit dem Sieg über andere zu tun. "Den Mut zu Liebe und Frieden hier und heute zu haben bedeutet, nicht zuzulassen, dass Hass, Rache, Wut und Schmerz den gesamten Raum unseres Herzens, unserer Sprache und unseres Denkens einnehmen", führt der Kardinal aus.

Es gelte, sich persönlich für Gerechtigkeit einzusetzen "und in der Lage zu sein, die schmerzhafte Wahrheit der Ungerechtigkeit und des Bösen, die uns umgibt, anzuprangern, ohne zuzulassen, dass es unsere Beziehungen verunreinigt". Pizzaballas Fazit: "Es erfordert Mut, Gerechtigkeit fordern zu können, ohne Hass zu verbreiten."

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die rund 60.000 bis 70.000 römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA