Katholischer Frauenbund wählt CDU-Politikerin an die Spitze

Gegen die Polarisierung

Während die Frauenfrage mit auf der Agenda der Weltsynode in Rom steht, hat der Katholische Deutsche Frauenbund eine neue Präsidentin gewählt: Auf Maria Flachsbarth folgt die ehemalige CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek.

Anja Karliczek / © Harald Oppitz (KNA)
Anja Karliczek / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Zunächst herzlichen Glückwunsch zur Wahl! Warum haben Sie das gemacht, warum haben Sie sich an die Spitze eines der beiden großen Frauenverbände in Deutschland wählen lassen?

Anja Karliczek (CDU-Bundestagsabgeordnete, frühere Bundesforschungs- und bildungsministerin, Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds KDFB): Herzlichen Dank! Zum einen ist es mir in diesen unruhigen Zeiten wirklich ein Anliegen, weitere Verantwortung außer meinem Abgeordnetenmandat zu übernehmen, weil die Unruhe und auch die Sorgen, die die Gesellschaft umtreiben im Moment extrem sind, finde ich. Die gesellschaftliche Polarisierung nimmt nach wie vor noch weiter zu. Und ich glaube, dass wir mit einem Frauenverband wie dem KDFB einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, Brücken zu bauen, die Gespräche zu intensivieren.

Das können wir einmal innerhalb des KDFB tun, gerade auch bis in die Zweigvereine hinein, aber natürlich auch in der Gesellschaft, in der Kirche. Dort können wir uns intensiver einzubringen, um zu gucken, wie wir eine sehr verunsicherte Gesellschaft wieder beieinander kriegen. Ich bin davon überzeugt, dass der KDFB da ein wichtiger Mitspieler ist.

Anja Karliczek

"Wenn jeder von uns irgendwo einen Beitrag leistet, dann ist, glaube ich, viel Arbeit getan."

DOMRADIO.DE: Sie haben ja als Bundesministerin a. D. einige Erfahrung darin, sich auch in Männerdomänen durchzusetzen. Glauben Sie, dass Ihnen das jetzt im neuen Amt auch weiterhilft?

Karliczek: Ich durfte in den letzten zehn Jahren, die ich jetzt hauptberuflich Politik mache, viele Erfahrungen sammeln in der Frage von Verhandlungen. Ich habe gelernt, wie man in Verhandlungen hineingeht, wie man etwas erreichen kann. Aber auch – wann setze ich ein Thema auf die Tagesordnung, wie setze ich es auf die Tagesordnung? Also auch die Kampagnenfähigkeit ist ein wichtiges Thema. Und natürlich nicht zu unterschätzen ist ein gutes Netzwerk: Wer unterstützt sowohl uns als Frauenbund, aber eben auch darüber hinaus in die Gesellschaft hinein unsere Anliegen?

Und last but not least möchte ich Vorbild sein. Ich lasse mich sozusagen in die Pflicht nehmen. Wenn jeder von uns irgendwo einen Beitrag leistet, dann ist, glaube ich, viel Arbeit getan. Ich denke, der Frauenbund ist für mich die richtige Adresse zur richtigen Zeit, um mich auch mit diesen ganzen Frauenfragen zu beschäftigen. Die Problematik haben wir in der Corona-Zeit gesehen, wie fragil die Gleichberechtigung, die wir dachten erreicht zu haben, ist: Gleichberechtigung in der Gesellschaft, in der Familie, gleichberechtigte Anliegen, was auch zum Beispiel Kinderbetreuung angeht. Und deswegen glaube ich, müssen wir da wieder einen großen Fokus und auch eine große Aufmerksamkeit hinlenken.

DOMRADIO.DE: Volle Geschlechtergerechtigkeit endlich auch in der katholischen Kirche – dafür treten der KDFB und auch die kfd, also die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, ja schon lange ein. Was ist Ihr Hauptargument für eine vollständige Öffnung der Weiheämter für Frauen?

Karliczek: Ich glaube schlicht und einfach, dass Frauen es genauso gut können wie die Männer.

Und am Ende ist es ja so, das ist ja auch schon vor vielen Jahren mal festgehalten worden, dass gerade für die Kirche ja auch gilt, dass nicht der Zugang zum Weiheamt begründet werden muss, sondern der Ausschluss muss begründet werden. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Vielfalt an dieser Stelle, gerade was Sichtweisen, Denkweisen und am Ende auch Handlungsweisen innerhalb der katholischen Kirche angeht, noch niemals geschadet hat, wenn man das zulässt. Und gerade auch bei Sachdiskussionen, bei Reformdiskussionen und auch Reformprozessen, die natürlich vor uns liegen, wenn sich Gesellschaft so stark verändert, wie wir das gerade erleben, dass wir an dieser Stelle gut beraten sind, weiter dafür zu kämpfen, dass diese Vielfalt am Ende einen besseren Prozess macht.

DOMRADIO.DE: Was können Sie vom Katholischen Deutschen Frauenbund denn konkret bewirken, damit es in dieser wirklich festgefahrenen Diskussion endlich weitergeht?

Anja Karliczek

"Eventuell ist das, was sich für manche von außen anfühlt, als wenn nichts vorangeht einfach nur kleinschrittig."

Karliczek: Wir sind ja in all den kirchlichen Gremien Mitglied. Und wir sind beim synodalen Weg dabei gewesen. Maria Flachsbarth (bis 2023 Präsidentin des KDFB) wird weiter für uns auch noch am synodalen Ausschuss teilnehmen.

Wir sehen auch, dass in der Weltsynode insgesamt die Diskussion doch vielleicht in kleinen Schritten vorangeht. Eventuell ist das, was sich für manche von außen anfühlt, als wenn nichts vorangeht einfach nur kleinschrittig.

Und wir sehen ja auch, dass diese Fragen, die wir in den Mittelpunkt gestellt haben, mittlerweile globale Fragen sind, dass die auch in Lateinamerika diskutiert werden. Der Zugang zu Weiheämtern für Frauen ist auch in Lateinamerika ein Thema. Das ist gar kein Thema, was nur in Deutschland auf der Tagesordnung steht. Und insofern glaube ich, dass wir da, wenn wir jetzt uns auch gut über Europa hinaus vernetzen, schon Fortschritte erzielen können. Und am Ende sind viele kleine Schritte am Ende auch eine Möglichkeit, ein Ziel zu erreichen.

DOMRADIO.DE: Dass die katholische Kirche Frauen nach wie vor von Entscheidungspositionen ausschließt, wirkt natürlich speziell auf junge Frauen eher abschreckend. Auch Ihr Verband hat ein Nachwuchsproblem. Wie wollen Sie das schaffen, den KDFB für Jüngere wieder attraktiver zu machen?

Anja Karliczek / © Harald Oppitz (KDFB)
Anja Karliczek / © Harald Oppitz ( KDFB )

Karliczek: Die Frage "Verbandswesen und Nachwuchsprobleme" ist ja kein Phänomen, was nur der KDFB hat, sondern was im Moment ein gesellschaftliches Problem ist. Wir sind viele leichte Jahre in der Gesellschaft gegangen, aber jetzt zu mehr Individualität gekommen. Diese Fragen "müssen wir uns eigentlich vernetzen" und "brauchen wir die Solidarität eines Verbandes" ist viele Jahre nicht großgeschrieben worden. Ich glaube, dass es jetzt gerade in diesen unruhigen Zeiten, wo die Menschen auch wieder mehr Halt suchen, wo es wirklich wieder wichtig ist, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun, dass das eine große Renaissance erfahren wird. Diese gleichberechtigte Teilhabe und vielleicht auch dieses Netzwerk über Generationen hinweg neu zu beleben, ist mir ein großes Anliegen.

Es gibt ja auch immer diese Frage vom Zweigverein bis hin zum Bundesverband: Wo ist unsere gemeinsame Agenda? Und ich habe das am Wochenende auch bei meiner Bewerbung gesagt: Wir brauchen, um als Verband politisch und gesellschaftlich Gewicht zu haben, im Grunde dieses Gewicht jeder einzelnen Frau, die sich dahinter stellt.

Und das müssen wir, glaube ich, innerhalb des Verbandes immer wieder neu klarmachen. Aber eben die Vernetztheit unserer Verbände, die gleiche Ziele haben, dass wir das auch den jungen Frauen noch mal deutlich machen müssen. Ich glaube aber, dass die unruhige Zeit, auch die Verunsicherung in der Gesellschaft, dazu beiträgt, dass wir vielleicht doch auch wieder leichter auf offene Ohren treffen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Katholischer Deutscher Frauenbund

"Wir machen uns stark für Frauen" – Diese Überzeugung war und ist heute noch das Fundament des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB), der 1903 von mutigen katholischen Frauen in Köln gegründet wurde. Als katholischer Teil der Frauenbewegung setzte sich der KDFB von Anfang an dafür ein, die Lebensbedingungen von Frauen zu verbessern. 

Eine Frau im Gebet / © Julia Steinbrecht (KNA)
Eine Frau im Gebet / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR