Lachend schob er dann noch hinterher "im Schneckentempo!" Da ich nicht ganz sicher bin, ob das bischöfliche Fazit zitiert werden darf, mag sich jetzt jeder seinen Lieblingsbischof aussuchen, dem er das Zitat zuschreibt.
Gleich fünf deutsche Oberhirten waren hier in Rom am Start. Und selbst der Passauer Bischof Stephan Oster, beim Synodalen Weg in Deutschland gehörte er bei vielen Voten eine Minderheit an, zeigte sich wie alle Bischöfe noch am Morgen danach in allerbester Laune: Nein, er habe sich hier in Rom in vielen Voten der Mehrheit wiedergefunden...
Ende gut, alles gut? Wenn am Ende alle sagen: Es war gut. Es war schön. Wir sind gemeinsam gut auf dem Weg.... so mag das natürlich auch daran liegen, dass der 42seitige Abschlusstext viele Kompromissformeln enthält. Das muss nicht schlecht sein, denn so blieben wenigstens alle im Boot. Immer langsam voran, immer langsam voran, damit auch der letzte mithalten kann...;-)
Hier in Rom hat aber eine große Mehrheit in den Vollversammlungen gespürt: Es braucht Luft. Es braucht Veränderungen. Es braucht endlich Bewegung! Als reines festes Bollwerk kommt die Kirche so nicht mehr auf ihrem Weg durch die Zeit. Der mit großer Mehrheit verabschiedete Abschlusstext mag Lücken haben, unzulänglich sein, an vielen Stellen nicht weit genug gehen... Aber in der Aula, so haben viele berichtet, war der Heilige Geist dieser notwendigen Veränderung sehr deutlich spürbar.
"Gerade bei der Frauenfrage - für mich eine Schlüsselfrage der Synode - habe ich diesen Geist der Veränderung bei fast allen gespürt!" berichtete die engagierte Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler. Sie ist eine der Frauen, die hier im Vatikan mit dabei waren, als Geschichte geschrieben wurde. Laien - darunter sogar Frauen - stimmen gleichberechtigt bei einer Weltbischofssynode ab. Das alleine ist eine kleine Sensation. Sie haben (noch?) nur 25% der Stimmen. Aber dahinter kommt kein Papst mehr zurück.
Nur eine Minderheit der Bischöfe in der Versammlung wollte partout keine Veränderung. "Das wundert doch nicht" scherzte der Schweizer Bischof Felix Gmür, bei einer Pressekonferenz. "Dass kennen wir von der Schweiz. Bei jeder Volksabstimmung sind 30 Prozent immer dagegen - gegen jede Veränderung!"
Veränderungen brauchen immer auch Mut. Diesen Mut bescheinigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing dem Papst. Der habe mutig diese ersten nötigen Veränderungen angestoßen und die Laien beteiligte. Klar - Bätzing gehört auch zu den vielen Bischöfen hier, die sich mehr Mut gewünscht hätten. Aber wie hat der deutsche Theologe und Experte der Synode Prof. Dr. Thomas Söding so schön formuliert: "So weit wie heute konnte die katholische Kirche - Stand 2023 - kommen!"
Söding und die deutschen Bischöfe kehren gestärkt von dieser Synode zurück - einige sprachen gar von Rückenwind. Die Deutschen waren hier nicht wie vorher gemunkelt die Buhmänner. Bei ihnen fragten viele nach - ihre Stimmen wurden gehört.
Deutlich geworden ist hier in Rom auch, dass die Weltkirche eine Machtverschiebung wünscht. Weg vom Papst und Bischöfen - mehr hin zum Volk Gottes, das gehört werden muss und mitentscheiden soll. Stärker als bisher, z. B. bei Bischofsernennungen. Gestärkt aus diesem angestoßenen Reformprojekt sollen am Ende auch einzelnen Diözesen und Gemeinden hervorgehen. Also weg von Rom, mehr Eigenverantwortung in den Teilkirchen. Da läuft meines Erachtens viel in die richtige Richtung.
Alle Wege führen bekanntlich nach Rom. Aber wenn jetzt die Teilnehmer der Synode zurück in ihren Heimatgemeinden aufbrechen, liegt viel Arbeit auf dem Tisch.
Denn nicht nur in Rom soll z. B. eine Arbeitsgemeinschaft die nötigen Veränderungen im Kirchenrecht vorbereiten.
In den Kirchen vor Ort, an der Basis, gilt es jetzt Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Kirche Mitmacher braucht. Dass nötige Reformschritte vielleicht schon beim Abschluss der Synode hier im Herbst des nächsten Jahres mutig getroffen werden können. Aber die wollen erarbeitet werden. In synodalen Prozessen vor Ort. In Vernetzungen, die jetzt besser möglich sind, weil man sich an runden Tischen verständigt hat.
Ich gebe zu, mir geht das alles oft viel zu langsam. Ich habe schon Sorge, dass sich noch mehr Christen vom Acker machen, weil sie dem Laden katholische Kirche keinen echten Veränderungswillen erkennen können - oder der Kirche überhaupt nicht mehr über den Weg trauen.
Doch wo steht eigentlich geschrieben, dass der Heilige Geist nicht auch lahmen kirchlichen Entscheidungsträgern Beine machen kann? Dass es immer nur im Schneckentempo vorangeht?
Mir macht das Bild vom alten Mann Mut. Der hat sich nach einer viel zu langen Ruhepause jetzt doch endlich aus seinem Lehnstuhl erhoben. Alles ist noch ein wenig müde, taub, eingeschlafen. Läuft noch nicht rund.
Aber: Er steht - er geht. Im Moment, so ist das im Alter leider, geht es langsam und Schritt für Schritt. Aber jeder Opa, der seine Enkel begeistern will, wird dann auf seinen alten Tagen plötzlich doch wieder flott! Jetzt hoffe ich mal, dass das auch bei alten Kirchenmänner möglich ist, die in der Regel ja keine Enkel haben...;-)
In dieser Hoffnung grüßt Sie herzlich
Ihr Ingo Brüggenjürgen
heute leider den letzten Tag im "Rome-Office". Ich danke an dieser Stelle herzlich allen, die in diesem Blog dabei waren. Auch für Ihre/Eure lieben Mut machenden Rückmeldungen. So Gott und meine Chefetage es will, gibt es beim Abschluss im nächsten Herbst gerne eine Fortsetzung.