Blog des Chefredakteurs aus dem Vatikan zur Weltsynode #22

Wir sind das Volk!

Einen Brief hat die Bischofssynode an uns Katholiken geschrieben. Man könnte ihn als guten Auftakt verstehen oder als inhaltsloses Papier. Wesentlich besser als der Brief hat Ingo Brüggenjürgen die Ansprache des Papstes gefallen.

Priester im Vatikan (DR)
Priester im Vatikan / ( DR )

So, der Brief ist raus.

Der Brief, der nach einigem Hin- und Her dann doch noch von der "Weltbischofs- und Laien-inklusive-Frauen-Synode" an das Volk Gottes geschickt wurde. Er wird nie in ihrem Briefkasten landen. Wird aber, so Gott und der Pfarrer vor Ort will, vielleicht am Sonntag auch in Ihrer Kirche vorgelesen. 

Ingo Brüggenjürgen im Vatikan (DR)
Ingo Brüggenjürgen im Vatikan / ( DR )

Hier eine, zugegeben stark reduzierte Zusammenfassung: Brüder und Schwester, das war eine ordentliche Synode. Wir haben hier gute gemeinsame Erfahrungen gemacht. Wir müssen zukünftig noch mehr aufeinander hören. Es geht darum, wie wir pastoral besser werden können. Wie wir glaubwürdiger die Liebe Gottes leben und weitergeben. Wir haben in vielen Fragen des Glaubens einen Konsens, aber es gab auch den Wunsch, dass es konkreter werden muss. Wir treffen uns ja im nächsten Jahr hier schon wieder. Bis dahin kann viel wachsen – wenn wir auf das Volk Gotte hören. Auf Laien und Priester. Jesus ist und bleibt dabei unsere Hoffnung.

Tja – wer jetzt Appetit auf mehr verspürt, dem sei das Original empfohlen.

Brief der Bischofssynode an das Volk Gottes / © Alexander Foxius (DR)
Brief der Bischofssynode an das Volk Gottes / © Alexander Foxius ( DR )

Hier in Rom hat mir der Papst selber viel besser gefallen, als die schön formulierten Sätze im Brief der Synode. Denn der Papst hat, wie man es kennt – so aus dem Stehgreif eine spanische Kurzpredigt auf der Synode gehalten. Oder darf man sagen, er hat den Klerikern mal wieder die Leviten gelesen? 

Franziskus wörtlich: "Man braucht nur in die kirchlichen Schneidereien in Rom zu gehen, um den Skandal der jungen Priester zu sehen, die Soutanen und Hüte oder spitzenbesetzte Roben anprobieren. Der Klerikalismus ist eine Peitsche, er ist eine Geißel, er ist eine Form der Weltlichkeit, die das Antlitz der Braut des Herrn befleckt und beschädigt; er versklavt das treue, heilige Volk Gottes." 

Hört, Hört ... 

Unübersehbare Paradiesvögel

Ich bin in den vergangenen Tagen viel durch Rom gegangen und muss dem Papst rechtgeben. Ja – es gibt sich aufopfernde Hirten – verschwitzte, sich redlich mühende Priester, die mit Jugendlichen oder Seniorengruppen durch die Stadt ziehen, in Kirchen beten und Gottesdienste feiern. Immer nah bei den Menschen – nah bei ihrer Herde. Gerade im römischen Stadtbild sind aber auch geistliche Paradiesvögel unübersehbar, die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Die gockelig und selbstverliebt ihr Amt vor sich hertragen. 

Aber der Papst weiß nicht nur, was in seinem Bistum Rom schiefläuft und komisch rumläuft. Er kennt seinen weltweit aufgestellten Laden gut, wenn er sich laut auf der Synode ärgert: 

"Es ist schmerzlich, in manchen Pfarrbüros eine 'Preisliste' der sakramentalen Dienste wie in einem Supermarkt zu finden. Entweder ist die Kirche das gläubige Volk Gottes auf einer Reise, heilig und sündig, oder sie wird zu einem Unternehmen mit einer Reihe von Dienstleistungen. Und wenn die Seelsorger diesen zweiten Weg wählen, wird die Kirche zum Supermarkt des Heils und die Priester zu bloßen Angestellten eines multinationalen Unternehmens. Das ist der große Misserfolg, zu dem uns der Klerikalismus führt!" Ich kenne viele Supermärkte des Heils, wo die Heilige Messe immer noch 10 oder mehr Euro "kostet" ...

Schwer zu sagen, wie viele Geistliche sich auf der Synode direkt angegriffen fühlten – wir neigen ja alle dazu, eher den Splitter im Auge unseres Bruders zu finden. Doch Franziskus hatte auch ein Rezept dabei: Das Volk Gottes. Die Stimme des Volkes Gottes, die weiblich daherkomme. Mutter Kirche eben. 

Das apostolische Schreiben mit dem Titel Laudate Deum (Lobt Gott), ist am Mittwoch (4.10. 2023) vom Vatikan veröffentlicht worden / © Andrew Medichini (dpa)
Das apostolische Schreiben mit dem Titel Laudate Deum (Lobt Gott), ist am Mittwoch (4.10. 2023) vom Vatikan veröffentlicht worden / © Andrew Medichini ( dpa )

Und weil ich es nicht schöner schreiben kann – Franziskus noch mal im Original:

"Eines der Merkmale dieses gläubigen Volkes ist seine Unfehlbarkeit; ja, es ist unfehlbar im Glauben! ...  (Lumen Gentium 9Infallibilitas in credendo, Unfehlbarkeit im Glauben). Ich erkläre es so: Wenn Sie wissen wollen, was die heilige Mutter Kirche glaubt, wenden Sie sich an das Lehramt, denn es ist dafür zuständig, Sie zu lehren; aber wenn Sie wissen wollen, wie die Kirche glaubt, wenden Sie sich an das gläubige Volk!"

"Jetzt muss es doch um die Umsetzung gehen!"

Das Volk Gottes im Glauben unfehlbar! Ich höre daraus: Wenn die Kirche wissen will, WIE die Kirche glaubt und WIE sie zukünftig den Glauben an die Menschen weitergeben soll, dann muss die Kirche auf das Volk Gottes hören. Das Lehramt kann sich dann nachher immer noch um das WAS der Heiligen Kirche kümmern ... 

Die Voten des Volkes Gottes liegen aber eigentlich in Rom vor. Immerhin hat der Papst die Gläubigen schon vor zwei Jahren beim Beginn der Synode aufgefordert, die Knackpunkte zu benennen. Auf den Kontinentalforen wurde z. B. sehr deutlich, dass die Fragen des Synodalen Weges der deutschen Kirche sehr oft Fragen sind, die überall von Gläubigen auf der Welt gestellt werden. Auch viele Stimmen in der Synode selbst haben davon hier im Vatikan in der Audienzhalle in den letzten Tagen und Wochen berichtet. Jetzt aber muss es doch bitte um die Umsetzung gehen!

Spätestens in einem Jahr, wenn die Synode dann ihren Abschluss findet, darf es dann nicht mehr heißen: Schön, dass wir über alles nett miteinander gesprochen haben. Aber alles bleibt erst mal so wie es im Katechismus und Lehramt festgelegt ist. Spätestens im nächsten Herbst werden wir dann aber auch feststellen, ob auch in der Kirche gilt: "Wir sind das Volk!" 

 

Ingo Brüggenjürgen

Chefredakteur – z. Zt. im "Rome-Office"

Quelle:
DR