Entsetzen nach Vorfall in Dagestan

Pogrom und Jagd auf Juden

Eine Menschenmenge stürmt das Flugfeld - es sind verstörende Bilder aus Dagestan, die auch Jüdinnen und Juden in Deutschland erschrecken. Sie dringen darauf, dass für ihre Sicherheit gesorgt werden müsse.

Autor/in:
Leticia Witte
Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen dicht gedrängt und halten Schilder bei einer Kundgebung in Berlin / © Gordon Welters (KNA)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen dicht gedrängt und halten Schilder bei einer Kundgebung in Berlin / © Gordon Welters ( KNA )

Mit großem Entsetzen haben Vertreter von jüdischen Organisationen und der Politik auf die Ereignisse in einem Flughafen in der russischen Teilrepublik Dagestan reagiert. Die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) sprach am Montag von einem Pogrom, der Zentralrat der Juden in Deutschland von einer Jagd und verstörenden Bildern. Sie und auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, erneuerten Forderungen, die Sicherheit von Jüdinnen und Juden zu gewährleisten.

Pinchas Goldschmidt / © Sven Hoppe (dpa)
Pinchas Goldschmidt / © Sven Hoppe ( dpa )

Es sei zu hoffen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin "die örtlichen Behörden unmissverständlich anweist, keine Pogrome gegen Juden zuzulassen", erklärte der CER-Präsident, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag.

Menschenmenge stürmte Flughafen in Machatschkala

"Putin sollte sich bewusst sein, dass auch er ein Problem mit islamischem Extremismus und Terrorismus im eigenen Land hat und sich die Unterstützung von Terrororganisationen wie der Hamas auch für ihn und Russland als Boomerang erweisen könnte", so der frühere Moskauer Oberrabbiner. Goldschmidt lebt im Exil, weil er den russischen Krieg gegen die Ukraine nicht unterstützt.

Am Sonntagabend war in Machatschkala eine Menschenmenge in den Flughafen gestürmt, nachdem eine Maschine aus Tel Aviv dort gelandet war. Zahlreiche Menschen liefen zudem auf das Flugfeld. In der Maschine saßen angeblich Flüchtlinge aus Israel. Medien berichteten von Verletzten und Festgenommenen sowie über eine Schließung des Flughafens bis 6. November. International wurde Kritik laut. Auch anderswo in der nordkaukasischen Region hatte es zuvor unter dem Eindruck des Krieges in Nahost antisemitische Vorfälle gegeben.

Ideologie, "die keine Grenzen kennt"

Oberrabbiner Goldschmidt betonte: "So sieht es aus, das Ergebnis der russischen Unterstützung der Terrororganisation Hamas und des Schweigens des Kremls, statt die Gräueltaten der Hamas klar zu verurteilen." All das passiere in einer Situation, "in der bewusst ein falsches Nahost-Narrativ, das von der Hamas, dem Iran und anderen islamistischen extremistischen Bewegungen verbreitet wird, und Muslime und andere Menschen schamlos missbraucht und als geistige Geiseln hält". Zugleich sei es Ausdruck einer wachsenden antijüdischen Stimmung in Russland seit dem Ukraine-Krieg.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Christophe Gateau (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Christophe Gateau ( dpa )

Zentralratspräsident Josef Schuster erklärte: "Die Jagd auf Juden in Dagestan zeigt uns, dass wir es mit einer Ideologie zu tun haben, die keine Grenzen kennt." Islamisten gehe es nicht um Israel, sondern um Juden. "Wenn auch in Deutschland jüdische Geschäfte attackiert, Davidsterne an Häuser von jüdischen Familien gemalt, Synagogen angegriffen werden und auch hier ein Mob offenen Judenhass auf den Straßen skandiert, wirken die Bilder aus Dagestan umso bedrohlicher für Juden in Deutschland."

Kampf gegen Antisemitismus vorantreiben

Hierzulande müsse der Rechtsstaat konsequent umgesetzt werden: "Wer antisemitische Parolen skandiert und damit zu Gewalt gegen Juden aufruft und ausgewiesen werden kann, muss ausgewiesen werden; wer geduldet ist, sollte Angst um seinen Status haben müssen; wer Staatsbürger ist, sollte so empfindlich bestraft werden, dass es abschreckt", so Schuster.

Klein betonte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Hass, Hetze und Desinformation verbinden sich zu einer hochgefährlichen Melange, die wir auch hierzulande genau beobachten müssen." Antisemitismus sei ein weltweites Problem, dem man international begegnen müsse. "Ich setze mich daher dafür ein, dass wir in einem ersten Schritt den in Europa eingeschlagenen Weg der EU-weiten Vernetzung im Kampf gegen Antisemitismus entschieden weiter vorantreiben."

Quelle:
KNA