Mit Innovation zukunftsfähig werden, unnötigen Ballast abwerfen, auf Bewährtem aufbauen und mutig neue Weg gehen, so die Visionen des Grazer Theologen, der eine Energie an den Tag legt, die der des damaligen CEO von Apple nicht unähnlich ist.
Himmelklar: Was genau steckt hinter "Pastoralinnovation"?
Dies ist ein Auszug aus der aktuellen Folge des Podcasts "Himmelklar". Das komplette Gespräch zum Anhören gibt es hier:
Dr. Georg Plank (Gründer von Pastoralinnovation, Theologe, Sozialmanager, Innovator): Das muss ich vielleicht in konzentrischen Kreisen erklären: Der innerste Kreis ist, dass ich durch meine Erfahrungen in der Kirche – ehrenamtlich, angestellt, jetzt auch selbstständig – gemerkt habe: Es geht immer wieder um Innovation.
Das ist das, was theologisch mit Erneuerung gemeint ist. Das war mir aber ein bisschen zu fromm. Der weltliche Begriff ist für mich eher Innovation.
Innovation kann sehr auffällig sein: Ein gutes Beispiel ist das iPhone. "Ich habe da noch was", sagte damals Steve Jobs am Schluss seiner Präsentation und zog das iPhone aus der Tasche. Das hat wirklich die Welt revolutioniert in 17 Jahren. Das sind disruptive Innovationen, die wirklich auffällig sind.
Das iPhone hat sich dann in den 17 Jahren hunderte und tausende Male weiter verbessert und weiterentwickelt, sonst würde es nicht mehr gekauft werden, weil inzwischen Samsung und andere das auch gut können. Das ist diese laufende, eher nicht so auffällige, inkrementelle Innovation.
Und diesen Begriff der Innovation versuche ich für kirchliche Akteure und Akteurinnen aufzubereiten, sodass sie nicht selber hunderte Bücher lesen oder Ausbildungen machen müssen, sondern sofort und sehr schnell erste Schritte Richtung wirkungsvoller Innovation setzen können.
Himmelklar: Wer kommt zu Ihnen und nimmt Beratung in Anspruch?
Plank: Grundsätzlich stehen wir zur Verfügung für Kirchen und kirchliche Organisationen im deutschsprachigen Raum, also im DACH-Raum (Deutschland, Österreich und die Schweiz, d. Red.). Das ist unsere Hauptzielgruppe. Aus dem Grund, weil hier die soziokulturellen und politischen Rahmenbedingungen relativ ähnlich sind. Ich kenne mich in Deutschland schneller aus, wenn ich dort zum Beispiel auch im Bistum Köln Aufträge habe als in meiner Nachbar-Diözese Maribor in Slowenien, die nur 40-60 Kilometer weg liegt. Das sind ganz andere Bedingungen, da müsste ich mich intensiv einarbeiten. Da habe ich quasi kein Feldwissen, dass ich aber im deutschsprachigen Raum durch meine Geschichte schon habe. Das sind unsere potenziellen Kunden oder unser Markt.
De facto hat sich in zehn Jahren herauskristallisiert, dass wir auf verschiedenen Ebenen etwas tun und anbieten. Das eine ist für Gemeinden und vor allem für lokale Kirchen. Ob das jetzt eine evangelische Pfarrgemeinde, katholische Pfarrgemeinde, Freikirche, orthodoxe Kirche oder was auch immer ist, die darum ringen, wie dieses Territorialprinzip zukunftsfähig werden kann. Noch dazu unter den Bedingungen dieser sehr scharfen Strukturprozesse, die jetzt überall laufen.
Die Frage ist: Wie kann neben diesen strukturellen Bemühungen auch die pastorale Seite, die Seelsorge gestärkt werden?
Im Sog der Entwicklungen bekommt der strukturelle Schwerpunkt nämlich ganz schnell ein Übergewicht. Oft geht letztlich doch wieder bis zu 90 Prozent der Energie in Fragen wie: Wie sieht die Gottesdienstordnung aus? Wo ist am Sonntag Messe oder wo nicht? Wie teilen sich die Pfarrbüros auf?
Dann geht es ganz schnell in eine Dynamik, wo der Ofen sich wieder selbst wärmt, sage ich kritisch, statt nach außen hin Wärme auszustrahlen, hinein in die Welt, dort, wo die Menschen tatsächlich leben, egal welcher Religion sie angehören, welcher Kultur, welchem sozialen Milieu.
Wir sagen: Man braucht beides, aber wir konzentrieren uns auf diesen weichen Brennpunkt.
Himmelklar: Das klingt auch nach Entschlackung und Fokus setzen. Meine Gemeinde beispielsweise will eine "Rad- und Wanderkirche” werden. Ist auch so etwas Teil Ihrer Arbeit, dabei zu unterstützen, Profile zu schärfen?
Plank: Ja! Einzelne Gemeinden haben bisher ein Vollprogramm gemacht – von der Geburt bis zur Beerdigung für alles und für alle. Das schaffen sie oft nicht mehr oder der Zuspruch ist auch nicht mehr so wie früher. Da sagen wir: Überlegt euch doch, welches Profil ihr herausbilden wollt, und zwar aufgrund dessen, was ihr besonders gerne habt, was ihr besonders gut könnt, was eurer Tradition besonders entspricht und was euch auch wichtig ist, dass es nicht verloren geht.
Da könnte beispielsweise eine "Rad- und Wanderkirche" aufgrund der lokalen Situation eine Riesenchance sein.
Wenn so eine Profilkirche tatsächlich so einen Wunsch hat, wenn von unten der Wunsch kommt, dann kann man das sehr gut beraterisch begleiten. Wie kann das jetzt erfolgreich sein?
Himmelklar: Dem Thema "Erfolg" widmen Sie in Ihrem Buch "Pastoralinnovation" sogar ein eigenes Kapitel …
Plank: Ja, weil das ja immer wieder so diskreditiert wird im kirchlichen Bereich. Es geht ja nicht um Erfolg, es geht ja nicht um Quantität, heißt es dann oft. Na, was denn sonst?, sage ich dann provokant. Ich kenne niemanden, der sich nicht freut, wenn zu einer Jugendmesse nicht 30 kommen, sondern 100 oder 130.
Natürlich müssen die auch begeistert sein. Wenn 130 enttäuscht sind, dann hat man ein echtes Problem. Qualität ist natürlich immer die Voraussetzung für Quantität, vor allem langfristig, weil sonst kommt von den 130 das nächste Mal niemand mehr oder nur zehn.
So denken innovative Leute in der Wirtschaft oder in der Technologie oder in der sozialen Innovation. Die schauen genau dorthin, wo Leute Erfolg haben, und fragen sich: Woran liegt das? Oft auch, wenn es mit ganz anderen Produkten und Dienstleistungen ist, als sie selber haben. Warum verkauft der beispielsweise seine Autos so gut und ich meine Bildungsangebote so schlecht? Da kann man etwas davon lernen, wenn man will.
Da führen wir die Leute hin und sagen: Okay, eine "Rad- und Wanderkirche" ist eine super Idee. Wie kann aus dieser Idee oder aus dieser Vision eine erfolgreiche Umsetzung werden? Das ist die Definition von Innovation im weltlichen Bereich.
Erfolgreich umgesetzte gute Ideen, nicht nur gute Ideen, die dann irgendwo wieder verkümmern und wo nichts daraus wird.
Himmelklar: So entstehen "Landeplätze für den Heiligen Geist". Das schreiben Sie auf Ihrer Seite Pastoralinnovation.org
Plank: Ja, genau.
Himmelklar: Begegnet Ihnen auf der anderen Seite denn auch manchmal Skepsis? Sagen die Leute auch: "Wir haben ja sowieso schon so viel zu tun, jetzt sollen wir auch noch innovativ werden!?"
Plank: Das ist eine sehr häufige und für mich auch ganz verständliche Reaktion. Ich sage dann manchmal auch ganz kurz zurück: Wirklich innovative Leute haben ein ruhigeres Leben. Wenn du raus kommen willst aus diesen ständigen zu viel, zu schnell und zu laut, dann versuch doch ein bisschen was zu lernen, wie du innovativer werden kannst.
Und wie das geht, das ist nicht auf meinem Misthaufen gewachsen, sondern das habe ich auch gelernt von vielen anderen Menschen und auch aus der Forschung. Das vermitteln wir dann bei allen unseren Prozessen, ob das jetzt Pfarrgemeinden sind oder andere Auftraggeber aus dem Bildungsbereich oder aus der Caritas oder aus Diözesen.
Dass wir immer wieder lernen, aus dem ständigen "zu viel" heraus zu kommen und sich neu zu fokussieren. Es gilt zu sagen: Was ist denn wirklich wichtig? So ein bisschen ist das ein Bild wie beim Pilgern, dass man sich fragt: Was soll ich denn wirklich in meinen Rucksack packen, denn ich muss ihn ja selber tragen. Und wir packen uns den Rucksack oft zu voll. Der Kirche geht es ähnlich. Sie ist ja auch auf der Pilgerschaft. Die Kirche als pilgerndes Volk Gottes – das ist ja einer der Begriffe vom Zweiten Vatikanum. Das kann man lernen, wie das besser geht.
Das Interview führte Verena Tröster.