DOMRADIO.DE: Seit Freitag findet in Hannover die Konferenz "dennoch. – Konferenz für Neues in der Kirche" in Hannover statt, organisiert vom Bistum Hildesheim, dem Bonifatiuswerk, dem Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) und der Organisation Porticus. Worum geht es bei der Konferenz?
Julian Heese (Leiter Bereich "Missionarische und diakonische Pastoral" beim Bonifatiuswerk): Die "dennoch."-Konferenz steht unter dem Leitwort "Neues in der Kirche". Wir sind auf der Suche nach neuen Ansätzen, wie wir die Botschaft des Evangeliums in unsere heutige Zeit transferieren können, das ist Chancen und Herausforderungen zugleich. Deshalb sind wir an diesem Wochenende hier in Hannover versammelt, um neue Wege zu finden, Kirche positiv in die Zukunft zu geleiten.
DOMRADIO.DE: Was heißt das denn konkret? Wie muss man sich das vorstellen?
Heese: Unter anderem werden verschiedene Workshops angeboten, im Bereich der Glaubenskommunikation beispielsweise oder kreative neue Methoden. Es geht hier um konkrete Tools, die wir erlernen, um diese in unsere Arbeit einzubringen, um die Kirche modern aufzustellen, für die Zukunft fit zu machen, trotz aller Skandale, deswegen auch der Titel: "dennoch."
DOMRADIO.DE: "dennoch." ist der Titel der Konferenz, weil es um die Zugehörigkeit zu Kirche geht, trotz aller Missstände, trotz der großen Unzufriedenheit vieler Menschen und trotz der hohen Austrittszahlen. Was wollen Sie den Teilnehmenden bei der Konferenz vermitteln?
Heese: Ich glaube, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt. Wir dürfen auf gar keinen Fall ausblenden, was in unserer Kirche geschehen ist und was auch immer noch dramatischerweise geschieht. Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille, die wir hier wahrnehmen: Über 500 Engagierte, Hauptamtliche und Ehrenamtler, die sich mit viel Herzblut für die Botschaft Jesu und das Evangelium einsetzen. Sie zu bestärken, zu ermutigen, neue Wege zu gehen, das ist Ziel der Konferenz.
DOMRADIO.DE: Auf dem Programm stehen viele Workshops, zum Beispiel kreative Methoden oder die Glaubensvermittlung über Tiktok und Instagram. Aber die Reizthemen tauchen nicht auf: Missbrauch, die Rolle der Laien, die Rolle der Frauen, der Klerikalismus: Blenden Sie das hier auf der Konferenz aus?
Heese: Auf keinen Fall. Diese Themen beschäftigen uns alle und liegen wie ein Schleier über dieser Konferenz, aber ohne, dass wir uns jetzt hier bemitleiden wollen und sagen: "Es ist alles so schrecklich! Wir werden keine Zukunft als Kirche haben!"
Wir sind uns dieser Missstände bewusst, möchten aber einen positiven Akzent setzen. Trotz aller Krisen, trotz aller dramatischen Entwicklungen, trotz des großen Vertrauensverlustes wollen wir hier das Zeichen setzen: Es geht weiter. Wir suchen positive neue Wege, Kirche in die Zukunft zu tragen.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen in Ihrem Programm auch von Innovation. Wie kann denn Innovation funktionieren, wenn die Altlasten noch nicht verarbeitet sind?
Heese: Das sind zwei Spuren eines Weges. Wir müssen uns dem natürlich stellen. Die Bistümer haben Missbrauchsgutachten richtigerweise in Auftrag gegeben, aber wir dürfen nicht an diesem Punkt verharren. Es muss weitergehen. Die Kirche muss einen Weg in die Zukunft finden, wie sie den Menschen nahe sein kann. Das ist ihr Auftrag seit über 2000 Jahren. Und diesen Auftrag wollen wir in unsere heutige Zeit transferieren: Wege zu finden, heute Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Sorgen und Ängste wahrzunehmen und ihnen verlässlich zur Seite zu stehen.
DOMRADIO.DE: Das Bonifatiuswerk hat die Konferenz mitorganisiert; Sie unterstützen Katholiken und Katholikinnen in der Diaspora. Ist das eine Situation, auf die wir uns in den nächsten 50 Jahren alle in Deutschland einrichten müssen: Dass Katholiken eine Minderheit sind?
Heese: Ich glaube, da brauchen wir uns nicht darauf einstellen. Das ist schon gegeben. Wir haben unseren Sitz als Bonifatiuswerk in Paderborn. Da sehe ich auch ganz deutlich: So katholisch ist Paderborn auch nicht mehr. Es ist eine deutliche Entwicklung, dass wir uns entkirchlichen, viele sprechen von der "Verdunstung" des Glaubens. Aber viele wollen trotzdem diese Botschaft des Glaubens, die wirklich durch das Leben trägt, an kommende Generationen weitergeben. Das Bonifatiuswerk hat den Spruch (Claim) "Keiner soll alleine glauben", denn wir wollen positive Wege in die Zukunft gehen und dementsprechend trotz aller Missstände hier einen besonderen Akzent setzen.
DOMRADIO.DE: Auch wenn es künftig immer weniger Katholiken in Deutschland gibt?
Heese: Definitiv ja. Denn wir betreiben hier keine "Zählsorge", sondern es geht um den Menschen. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen", hat uns Jesus Christus zugesagt. Und es kommt nicht immer nur auf die Zahl an, sondern es geht darum, dass wir Menschen mit der Botschaft Jesu berühren, dass wir ihnen in den Anliegen, Sorgen und Herausforderungen dieser Zeit nah sind, die ja nicht wirklich weniger werden.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich von dieser Konferenz?
Heese: Ich wünsche mir zunächst erst mal, dass die über 500 Teilnehmenden mit neuer Energie, mit neuer Kraft hier am Sonntag nach Hause fahren und davon überzeugt sind, dass es sich gelohnt hat, hier zu sein.
Und dass sie ganz konkrete Tools gelernt erlernt haben, die sie in ihrem Umfeld, in ihrer persönlichen Arbeit und auch im privaten Umfeld einsetzen möchten, um Kirche positiv zu gestalten und in die Zukunft zu bringen.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.