DOMRADIO.DE: Was verbinden Sie persönlich mit Trauer?
Cornelia Steinfeld (Grafikerin und Designerin): Für mich ist Trauer ein sehr weiter Begriff, unter dem sich ganz viele unterschiedliche Emotionen versammeln.
Trauer findet nicht nur statt, wenn jemand gestorben ist, sondern das passiert uns in ganz vielen Alltagssituationen.
Zum Beispiel, wenn eine Freundschaft zerbricht, eine Ehe scheitert, wenn ich mich einsam fühle oder Angst habe.
Ich finde, wir sollten uns diesen unterschiedlichen Gefühlen stellen, die zulassen und mit anderen ins Gespräch darüber kommen.
DOMRADIO.DE: Ihr Buch bietet eine ganze Reihe von Dreiklängen, so nenne ich es mal. Jeweils eine Bibelstelle, dazu eine Illustration und schließlich noch ein Text rund um diesen Themenkomplex Trauer, Tod und Abschied unterschiedlicher Autorinnen. Wie haben Sie das zusammengestellt?
Steinfeld: Gestartet bin ich mit einer Auflistung von Begrifflichkeiten, die für mich eng mit Trauer in Verbindung stehen. Ich habe Begriffe gesammelt und sie in eine Reihenfolge gebracht: Von ganz negativen Gefühlen wie Angst, Schmerz oder Wut über Begriffe wie Akzeptanz, Hilfe und Hoffnung bis hin zu Trost, Liebe und Ewigkeit.
Passend zu diesen Begriffen habe ich Bibeltexte herausgesucht, die als Inspiration für meine Grafiken gedient haben.
Im letzten Schritt habe ich nach Menschen gesucht und Menschen angesprochen, die entweder in der Seelsorge arbeiten oder selbst Trauer erfahren haben, ob sie mir einen Impulstext schreiben könnten. Bis auf eine Person haben direkt alle zugesagt und sich ein Bild herausgesucht, das sie besonders angesprochen und inspiriert hat.
DOMRADIO.DE: Beim Stichwort Trauer, da denken wir fast automatisch an dunkle, gedämpfte Farben. Die kommen bei Ihnen zwar auch vor, aber die sind nicht dominant. Warum ist das so?
Steinfeld: Ich arbeite im gesamten Buch mit nur neun Farben. Die dunkelsten Farbtöne sind schwarz und anthrazit und die hellsten sind weiß und gelb. Jede Farbe hat in meinem Buch eine bestimmte Bedeutung.
Rot zum Beispiel kommt zum Einsatz, wenn es um große Emotionen wie Liebe und Wut geht. Häufig findet man in meinen Grafiken aber sowohl helle als auch dunkle Farben. Das liegt daran, dass Trauer für mich ein Prozess ist.
Wenn ich zum Beispiel Trost erfahre, ist am Anfang eines Gespräches meine Sicht vielleicht noch sehr dunkel und düster, aber innerhalb des Gespräches schöpfe ich eventuell Hoffnung und deshalb sind auch helle Elemente zu finden.
Da ich in meinem Buch auch sehr viele positive Begriffe wie Engel oder Anteilnahme visualisiere, benutze ich auch helle und freundliche Farben.
DOMRADIO.DE: Ihre Formen- und Farben-Sprache, ist sehr reduziert, sehr geometrisch. Lassen Sie uns mal ein Beispiel herausgreifen: Zuhören. Wie illustrieren Sie das?
Steinfeld: Bei der Grafik "Zuhören" berühren sich ein helles und ein dunkles Dreieck auf einem beigen Untergrund. In der Bibelstelle heißt es, achte auf meine Worte, neige dein Ohr meiner Rede zu. Lass sie nicht aus den Augen, bewahre sie tief im Herzen.
Der Autor, der den Impulstext geschrieben hat, beschreibt ein Gespräch mit seiner demenzkranken Mutter. Man könnte das so deuten, dass das weiße Dreieck den Sohn symbolisiert, der im Hier und Jetzt lebt und erzählt, der sehr positiv ausstrahlen möchte.
Das graue Dreieck ist die Mutter, die schon im Dunklen versinkt und nur noch zuhören kann. Aber die Dreiecke berühren sich und der letzte Satz im Impulstext lautet: Sie ist meine Mutter, auch wenn sie es vergisst und das Herz wird nicht dement.
DOMRADIO.DE: Gibt es im Buch ein Bild oder eine Grafik, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Steinfeld: Da würde ich das letzte Bild herausgreifen, das auch gleichzeitig das Cover meines Buches bildet. Es steht für die Ewigkeit. In der Bibelstelle heißt es, deine Sonne geht nicht mehr unter und dein Mond nimmt nicht mehr ab, denn der Herr ist ein ewiges Licht. Zu Ende sind die Tage deiner Trauer.
Dieses Bild bildet den Abschluss. Ich zeige einen Mond und eine Sonne, die helle Kreise über eine dunkle Landschaft ziehen. Das ist, so das Resümee und die Hoffnung, die ich mit auf den Weg geben will, dass die Trauer auch irgendwann nachlässt und es dann wieder weitergeht.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich konkret? Was sollen Leserinnen und Betrachter aus Ihrem Buch ziehen?
Steinfeld: Zum einen hoffe ich, dass dieses Buch für Menschen, die in der Seelsorge arbeiten oder ehrenamtlich sind, sich in der Hospizarbeit engagieren – all diese tollen Menschen, die wir haben, dass sie das als Meditationsgrundlage, als Gesprächseinstieg nutzen können.
Denn die Erfahrung zeigt, dass diese sehr abstrakten, reduzierten Bilder die Menschen ansprechen. Denn jeder kann das sehen, was er darin sehen möchte.
Dann soll das Buch auch für Trauernde selbst sein, die sehen, sie sind nicht alleine mit ihrer Trauer. Es gibt ganz viele berührende Geschichten und Menschen, denen es auch so geht. Da hoffe ich, dass ich mit dem Buch Hoffnung und Trost spenden kann.
Das Interview führte Hilde Regeniter.