Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte der "Welt am Sonntag": "Wir brauchen eigenständige, von Ankara unabhängige Strukturen, in denen ein Islam gelebt werden kann, der sich zu unseren Werten bekennt und fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht."
Mit denen, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstünden und von Amts wegen in Juden und dem Staat Israel alles Böse sähen, dürfe es keine falsche Toleranz geben, fügte der Minister hinzu.
Bekenntnis zum Existenzrecht Israels
Die etwa 1.000 Imame des Dachverbandes Ditib in Deutschland sind türkische Beamte und werden von der Diyanet bestimmt.
Karin Prien (CDU), Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und Sprecherin des jüdischen Forums ihrer Partei, erklärte in der Zeitung: "Was wir nicht brauchen, sind Religionsvertretungen, die aus dem Ausland gesteuert werden und unsere Regeln und Gesetze in Deutschland nicht anerkennen."
Das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels sei "zwingende Voraussetzung", um Ansprechpartner für den Staat zu sein.
Zusammenarbeit "sofort unterbinden"
Eine Zusammenarbeit im schulischen Religionsunterricht mit der Ditib müssten die Bundesländer "sofort unterbinden", sagte Sandra Bubendorfer-Licht, religionspolitische Sprecherin der FDP, der Zeitung. Man müsse die Abhängigkeiten von ausländischen Einflüssen eindämmen.
"Daher müssen wir endlich die Imam-Ausbildung in Deutschland vorantreiben und einen Islam europäischer Prägung implementieren, der sich an unseren Werten orientiert."
Der Chef von Diyanet, Ali Erbas, hatte Ende Oktober Israel eines Völkermords bezichtigt und das Land als einen "rostigen Dolch im Herzen der islamischen Geographie" bezeichnet.
"Ich rechne mit Demonstrationen"
Unterdessen erklärte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, er rechne beim Besuch des türkischen Präsidenten mit scharfen Reaktionen.
"Es wird Gegenwind zu seinen Aussagen zur Hamas wie auch zu anderen Themen geben. Ich rechne mit Demonstrationen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntag).
Sofuoglu fügte hinzu: "Ich begrüße den Besuch nicht unbedingt, aber ich habe auch nichts dagegen. Angesichts der Lage in der Welt und der deutsch-türkischen Beziehungen ist es besser, im Gespräch zu bleiben."
"Infame Tiraden gegen Israel"
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Erdogan füge seinem Land schweren Schaden zu, weil er mit seiner provozierenden, beleidigenden und populistischen Art der Bedeutung der Türkei als Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten nicht gerecht werde, sagte er.
"Zuletzt hat er durch ungeheuerliche und infame Tiraden gegen Israel und seine Verteidigung des Hamas-Terrors abermals Öl ins Feuer eines brandgefährlichen Konflikts gegossen."
Der SPD-Politiker fuhr jedoch fort, es wäre unklug, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen. "Wenn wir nur mit denjenigen sprechen wollen, die uns in all ihren Interessen und Positionen genehm sind, werden wir wenig erreichen."
Erdogan kommt am Freitag nach Deutschland. Er trifft Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.