Kirchen rutschen in der Gunst laut Studie weiter ab

Wenige Lichtblicke

"Glaube ja, Kirche nein" - das scheint überholt. Für viele in Deutschland gilt inzwischen wohl eher: "Glaube nein, Kirche erst recht nicht." Doch eine neue Studie der Kirchen zeigt auch ein paar Lichtblicke.

Symbolbild Menschen im Gebet / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Menschen im Gebet / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Nun sag', wie hast du's mit der Religion?", wollte Gretchen einst von Goethes Faust wissen. "Wie hältst Du's mit der Kirche?", hieß jetzt die Gretchenfrage bei der neuen, inzwischen sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

Zum ersten Mal war neben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auch die katholische Bischofskonferenz beteiligt, wurden neben Protestanten und Konfessionslosen auch Katholiken und Angehörige anderer Religionen befragt.

Doch während Faust der Frage nach seiner Frömmigkeit hartnäckig auswich, haben 5.282 von Forsa repräsentativ ausgewählte Befragte ab 14 ausführlich geantwortet - und dabei Gretchens Vermutung ("Allein ich glaub', du hältst nicht viel davon") in weiten Teilen bestätigt.

Kirchenbindung und Religiösität geht deutlich zurück

Denn in aller Kürze lassen sich die Ergebnisse so zusammenfassen: Nicht nur die Kirchenbindung geht deutlich zurück, sondern auch die Religiosität. Der lange Zeit weit verbreitete Slogan "Glaube ja - Kirche nein" scheint sich in Richtung "Glaube nein - Kirche erst recht nicht" zu entwickeln.

Für fast 8 von 10 Befragten hat Religion überhaupt keine oder nur wenig Bedeutung. Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 (katholisch) und 6 Prozent (evangelisch) als gläubig und kirchennah. Immerhin 36 (33) Prozent sagten: "Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe."

Vertrauen der Menschen in die Kirchen nimmt weiter ab

Auch das Vertrauen der Menschen in die Kirchen nimmt weiter ab: 9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es 24 Prozent. Das Vertrauen zur katholischen Kirche ist damit nur unwesentlich größer als das zum Islam.

Und als seien die Rekord-Austrittszahlen nicht dramatisch genug, stuft die Studie auch noch 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen "Noch-Mitglieder" als "austrittsgeneigt" ein. Wobei auffällt, dass die evangelische Kirche hier nur wenig besser dasteht als die katholische - obwohl sie in den vergangenen Jahren deutlich weniger Skandal-Schlagzeilen produzierte und viele der von Katholiken angemahnten Reformen längst umgesetzt hat.

Deutsche wünschen Reformen in Kirche

Denn die Studie zeigt auch, dass die Deutschen nicht gleichgültig sind gegenüber den Kirchen, sondern Reformen wünschen. So sagten 96 Prozent der katholischen und 80 Prozent der evangelischen Mitglieder, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Das würde dann auch ihre Neigung zum Austritt verringern.

Auf katholischer Seite wurden dabei etwa die Segnung homosexueller Partnerschaften, die demokratische Wahl kirchlicher Führungspersonen und mehr Rechte für Frauen gefordert, aber auch, dass Priester heiraten dürfen. Die reformfreudigen unter den katholischen Bischöfen können sich also darin bestärkt fühlen, trotz aller Bedenken aus dem Vatikan an den Zielen ihres Reformprojekts Synodaler Weg weiterzuarbeiten.

Untersuchung ist eine schonungslose Bestandsaufnahme

Allerdings muss man auch feststellen, dass diese gewünschten Reformen auf EKD-Seite längst Realität sind, ohne dass es sich in einer deutlich besseren Benotung niederschlägt. Alles in allem ist die Untersuchung also eine schonungslose Bestandsaufnahme einer immer säkularer werdenden Gesellschaft, in der die der Kirche noch nahe stehenden Menschen zudem vorwiegend in nur wenigen Milieus zu finden sind. Und das sind nicht unbedingt die jungen, wachsenden und besonders zukunftsträchtigen.

In ihrem Geleitwort schreiben die führenden Köpfe - Präses Annette Kurschus und Bischof Georg Bätzing - ihren Kirchen dann auch ins Stammbuch: "Nicht den Anschluss an den kulturellen Wandel zu verlieren, für die jüngsten Generationen attraktiv zu bleiben und nicht nur gesellschaftlich gut etablierte Menschen anzusprechen, sind zentrale Herausforderungen."

Kirchen weiterhin wichtige zivilgesellschaftliche Rolle 

Neben den vielen schlechten Nachrichten bescheinigt die Studie den Kirchen aber auch, dass sie weiterhin eine wichtige zivilgesellschaftliche Rolle spielen und die Demokratie stärken. Nicht nur ihre Mitglieder, sondern die große Mehrheit aller Befragten erwarten soziales Engagement von den Kirchen - allen voran, dass sie Beratungsstellen unterhalten, sich für Geflüchtete einsetzen und für mehr Klimaschutz.

Das gesellschaftliche Engagement ist unter religiösen und kirchennahen Menschen zudem deutlich höher als im Rest der Gesellschaft. 49 Prozent der Katholiken und 46 Prozent der Protestanten, aber nur 33 Prozent der Konfessionslosen waren ehrenamtlich aktiv im vergangenen Jahr - und das bei weitem nicht nur in kirchlichen Ehrenämtern.

Zivilgesellschaft profitiert von guter Zusammenarbeit 

Die Zivilgesellschaft, heißt es in der Studie, profitiere also "in hohem Maße davon, wenn kirchliche und nichtkirchliche Stellen (z.B. auch staatliche) gut zusammenarbeiten. Umgekehrt hängt auch für die Kirchen dieser Erfolg maßgeblich von einer guten Vernetzung mit der Zivilgesellschaft zusammen, die deshalb zu erhalten und auszubauen ist."

Eine wechselseitige Beziehung also, in der beide Seiten auf sehr viel mehr Glück und Zukunft hoffen, als es Faust und Gretchen damals beschieden war. Oder wie es Bätzing und Kurschus wünschen: "Dass die Untersuchung kirchlich Verantwortliche unterstützt, die tiefgreifenden Prozesse des Wandels, die die Kirche derzeit erlebt, besonnen und mutig zu gestalten." 

Wichtige Daten aus der Mitgliederstudie der Kirchen im November 2023

Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland haben erstmals eine gemeinsame Mitgliederuntersuchung vorgelegt. Forsa hatte dafür im Herbst 2022 insgesamt 5.282 repräsentativ ausgewählte Menschen über 14 in Deutschland befragt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Zahlen und Fakten aus der Studie:

Gottesdienstbesucher / © Corinne Simon (KNA)
Gottesdienstbesucher / © Corinne Simon ( KNA )
Quelle:
KNA