Kann man das Ehrenamt neu denken?

Viele engagieren sich, wollen sich aber nicht binden

Menschen in Deutschland engagieren sich einem Bericht zufolge gern für andere, wollen sich aber nicht mehr so oft langfristig binden. Das ist eines der Ergebnisse des Berichts "Zivilgesellschaft in Zahlen".

Bei der Jungen Tafel in Lübeck verteilen junge Menschen ehrenamtlich Lebensmittel an Bedürftige / © Christian Charisius (dpa)
Bei der Jungen Tafel in Lübeck verteilen junge Menschen ehrenamtlich Lebensmittel an Bedürftige / © Christian Charisius ( dpa )

Der Bericht wurde am Mittwoch vom Stifterverband in Berlin veröffentlicht. Demnach sind inzwischen in drei von zehn Organisationen auch Engagierte aktiv, die dort nicht Mitglieder sind. Vor zehn Jahren war das etwa in zwei von zehn Organisationen der Fall.

Neue Formen des Engagements gefragt

Der Befund erfordere "niedrigschwellige Konzepte für neue Formen des Engagements zu entwickeln und alternative Finanzierungsquellen zu erschließen, um Einnahmeverluste durch fehlende Mitgliedsbeiträge auszugleichen", erklärte ZiviZ-Projektleiter Peter Schubert.

Mit der Befragung des ZiviZ-Survey erfasst der Stifterverband nach eigenen Angaben seit 2012 Entwicklungen im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements. Der aktuelle Report beziehe sich auf die Online-Rückmeldungen von fast 13.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen, hieß es.

Staatliche Mitfinanzierung nötig

Der Bericht verweist außerdem darauf, dass Engagementgruppen immer mehr Aufgaben übernähmen, die vorher zum Verantwortungsbereich des Staates gehört hätten. Etwas mehr als die Hälfte der Rückmeldungen aus den Organisationen gingen von einer selbstständigen Finanzierung der Arbeit aus; inzwischen verlangten aber vier von zehn Organisationen eine staatliche Mitfinanzierung ihrer Arbeit. 2016 seien es nur drei von zehn gewesen, die eine staatliche Mitverantwortung für die Finanzierung gesehen hätten.

Zu wenig Diversität

Zudem bemängelte der Stifterverband, dass zivilgesellschaftliche Organisationen kein Abbild der gesellschaftlichen Vielfalt darstellten. Nur etwa jede zehnte Organisation habe angegeben, Engagierte mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu haben. Nur in jeder fünften Organisation seien unterschiedliche soziale Gruppen unter den Engagierten vertreten. "Organisationen müssen sich vermehrt neuen Gruppen öffnen", betonte Schubert. Das sei grundlegend für die Zukunftsfähigkeit der Organisation, aber auch für gesellschaftliche Integration und Teilhabe.

In Deutschland gab es den Angaben zufolge im vergangenen Jahr etwa 675.000 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter etwa 615.000 eingetragene Vereine sowie Stiftungen und gemeinwohlorientierte Genossenschaften. Die meisten Engagierten arbeiten ehrenamtlich; nur jede vierte Organisation beschäftige auch bezahlte Mitarbeitende.

Demografischer Wandel

Bevölkerungszahl: Ende 1950 lebten knapp 51 Millionen Menschen in der jungen Bundesrepublik. Bis 1990 stieg die Bevölkerungszahl auf 63,7 Millionen Menschen, mit der deutschen Wiedervereinigung wuchs die Bevölkerung 1990 um weitere 16 Millionen Menschen aus den neuen Bundesländern und Berlin-Ost. Danach stieg die Bevölkerungszahl bis Ende 2017 auf 82,8 Millionen Menschen.

Symbolbild Bevölkerungswachstum / © Varavin88 (shutterstock)
Symbolbild Bevölkerungswachstum / © Varavin88 ( shutterstock )
Quelle:
KNA