Jesuitenpater in Schweden sieht in Diaspora auch Vorteile

"Weil es den Blick freihält"

Seit über 30 Jahren lebt der deutsche Jesuitenpater Philip Geister in Schweden. Er ist Rektor des Newman-Instituts in Uppsala, Skandinaviens einziger katholischer Hochschule. Der Pater arbeitet eng mit dem Bonifatiuswerk zusammen.

Blick über die schwedische Stadt Uppsala und ihre Kathedrale / © Christopher Kane (shutterstock)
Blick über die schwedische Stadt Uppsala und ihre Kathedrale / © Christopher Kane ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Schweden ist ein protestantisch geprägtes Land, in dem die Säkularisierung schon weit fortgeschritten ist. Was für eine Rolle nimmt da Ihre katholische Hochschule ein? Wer studiert am Newman-Institut? 

Jesuitenpater Philip Geister (privat)
Jesuitenpater Philip Geister / ( privat )

Pater Philip Geister SJ (Rektor des Newman-Instituts in Uppsala): Menschen, die merken, dass eine säkularisierte Deutung des Lebens wichtige existentielle Fragen nicht beantworten kann und die dann diesen Fragen mit großer Ernsthaftigkeit nachgehen wollen, das heißt in Form eines akademischen Studiums. 

Menschen, die allen äußeren Widerständen zum Trotz zum Glauben gekommen sind und ihren Glauben tiefer verstehen wollen. Menschen aus anderen christlichen Gemeinschaften, die die intellektuelle Tradition der katholischen Kirche bewundern und mehr davon erfahren wollen.

Menschen, die in anderen Bereichen spezialisiert sind - wie Naturwissenschaftler oder Journalisten - und ihr Weltbild aus einer philosophisch-theologischen Perspektive komplettieren wollen. Priesteramtskandidaten und Diakonkandidaten des Bistums Stockholm.

DOMRADIO.DE: Das Institut ist nach dem englischen Kardinal John Henry Newman benannt, der im 19. Jahrhundert auf den Dialog zwischen Christentum und moderner Gesellschaft gesetzt hat. Inwieweit tun wir das heute?

Pater Geister: Am deutlichsten greifbar wird dieser Dialog in unserer Kulturzeitschrift Signum. Sie kommt acht Mal im Jahr heraus und nimmt am öffentlichen Diskurs in der schwedischen Gesellschaft aus einer katholischen Perspektive teil. Dieser Beitrag ist von der Öffentlichkeit sehr geschätzt, was sich unter anderem an den hohen Auflagezahlen zeigt (2500) und der Tatsache, dass die Zeitschrift mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird.

Ein anderes Beispiel ist die sogenannte Almedals-Woche, ein Demokratie-Festival, das jedes Jahr auf der Insel Gotland stattfindet. Das Newman-Institut ist dort seit Jahren stark mit einem eigenen Zelt und einem reichen Programm vertreten und unsere Seminare werden dann auch immer wieder in den Medien kommentiert.

Pater Philip Geister

"Ein Mangel an großen Zahlen, an Geld, an Einfluss kann ein Vorteil sein."

DOMRADIO.DE: In Deutschland verliert die katholische Kirche gerade in Rekordzeit an Ansehen und Einfluss. Manche sagen: "Da könnten wir jetzt von den Erfahrungen der Diasporakirchen lernen!" Was könnte die deutsche Kirche sich von den Katholiken in Schweden abgucken?

Pater Geister: Wenn ich mit Freunden aus Deutschland rede, habe ich oft das Gefühl, dass es in der deutschen Kirche viel um Besitzstandswahrung geht. Das kann man verstehen in einer Kirche, die schrumpft. Man schaut dann auch gerne mit gewissem Mitleid auf die Kirchen des Nordens, die eben nicht so potent sind, wie die deutsche Kirche.

Eine Bewertung, die schon durch den Begriff Diaspora ausgedrückt ist. Aber man sollte die Vorteile, die eine Minderheitensituation mit sich führt, nicht unterschätzen. Der heilige Ignatius rät seinem Orden, den Jesuiten, "in Armut zu predigen". 

Ein Mangel an großen Zahlen, an Geld, an Einfluss kann ein Vorteil sein, weil es den Blick freihält auf das, was die Kirche inhaltlich, in aller Bescheidenheit, zu gesellschaftlichen Fragen beizutragen hat. Ich glaube, dies kann die deutsche Kirche von der Kirche des Nordens lernen.

DOMRADIO.DE: Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Bonifatiuswerk aus?

Pater Geister: Das Bonifatiuswerk finanziert das Projekt "Praktikum im Norden". Es gibt Praktikantinnen und Praktikanten aus Deutschland die Möglichkeit einen Einsatz in einer pastoralen Einrichtung in einem der nordischen Länder zu machen. Das kann bis zu einem Jahr dauern. 

Pater Philip Geister

"Für die Einsatzstellen ist der Einsatz der Praktikanten und Praktikantinnen eine fantastische Hilfe."

Für die jungen Menschen ist das eine großartige Erfahrung, wie die Kirche im Norden aussieht. Und für die Einsatzstellen ist der Einsatz der Praktikanten und Praktikantinnen eine fantastische Hilfe. Das Projekt wird von Uppsala aus verwaltet, erstreckt sich aber über alle nordischen und einige baltische Länder und erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Bonifatius Praktikanten-Programm

Das "Bonifatius Praktikanten-Programm", auch bekannt als "Praktikum im Norden" ermöglicht jährlich bis zu 25 jungen Menschen einen Aufenthalt in Nordeuropa und dem Baltikum, um ihnen unmittelbare Einblicke in das kirchliche Leben in der Diaspora zu bieten.

Es ist ein Kooperationsprogramm zwischen dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken e.V., dem Newman Institut im schwedischen Uppsala und den zusammenwirkenden Bistümern und Institutionen. Finanzielle Unterstützung erhält es vom Erzbistum Paderborn.

(Quelle: Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken e.V.)

Fahne mit der Aufschrift "Keiner soll alleine glauben" am Hauptsitz des Bonifatiuswerkes in Paderborn / © Andreas Kühlken (KNA)
Fahne mit der Aufschrift "Keiner soll alleine glauben" am Hauptsitz des Bonifatiuswerkes in Paderborn / © Andreas Kühlken ( KNA )
Quelle:
DR