Dekan erläutert Distanzierung von Lettmann-Ehrendoktorwürde

"Prozess hat tiefe Spuren hinterlassen"

Die Theologische Fakultät der Uni Münster hat sich von der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Bischof Reinhard Lettmann distanziert. Dekan Norbert Köster erklärt, warum eine posthume Aberkennung nicht möglich ist.

Symbolbild Doktorhut / © Billion Photos (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die Missbrauchsstudie des Bistums Münster wurde im Juni 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. Knapp eineinhalb Jahre später distanziert sich die Katholisch-Theologische Fakultät von der Verleihung der Ehrendoktorwürde für Bischof Reinhard Lettmann. Was ist in diesem Zeitraum geschehen?

Prof. Dr. Norbert Köster (privat)
Prof. Dr. Norbert Köster / ( privat )

Prof. Dr. Norbert Köster (Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster): Die Fakultät hat nach dem Erscheinen der Studie zunächst zwei Studientage geplant, die erst im Sommersemester diesen Jahres stattfinden konnten. Danach wurde eine Kommission eingesetzt, die sich nicht nur mit den Ergebnissen der Studie zu Bischof Lettmann, sondern auch mit den Umständen der Ehrenpromotion intensiv auseinandergesetzt hat.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Prozess der Distanzierung als Dekan der Fakultät begleitet. Welches Fazit ziehen Sie daraus?

Köster: Der Prozess, sich als Fakultät mit der Studie auseinanderzusetzen, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen, eine Erklärung zur Studie zu erarbeiten und diese in den Gremien zu diskutieren, hat tiefe Spuren hinterlassen. Auch wenn die Erklärung jetzt relativ kurz ist, haben wir sehr viele Aspekte erwogen, nicht nur zum Wirken von Bischof Lettmann, sondern auch zu den Vorgängen, die zur Ehrenpromotion führten.

DOMRADIO.DE: Hätte man dem verstorbenen Bischof Reinhard Lettmann auch nachträglich die Ehrendoktorwürde aberkennen können?

Prof. Dr. Norbert Köster

"Die Universität Münster vertritt die Rechtsauffassung, dass eine Ehrenpromotion posthum nicht aberkannt werden kann."

Köster: Die Universität Münster vertritt die Rechtsauffassung, dass eine Ehrenpromotion posthum nicht aberkannt werden kann. Diese Auffassung ist auch für uns verbindlich.

DOMRADIO.DE: Rechnen Sie damit, dass es in Zukunft – auch in anderen Kontexten – weitere Distanzierungen geben wird?

Köster: Im Kontext der Missbrauchskrise ist schwer zu sagen, ob noch weitere Distanzierungen notwendig werden. Bislang sehen wir das nicht. Sehr wohl arbeiten wir aber an einer Distanzierung von der Ehrenpromotion des Antisemiten August Rohling im Jahr 1871, der im gleichen Jahr das Pamphlet "Der Talmudjude" veröffentlichte, das von den Nationalsozialisten intensiv rezipiert wurde und bis heute einen Einfluss ausübt.

DOMRADIO.DE: Sie selbst sind von Bischof Reinhard Lettmann zum Priester geweiht worden und haben ihm und seinen Nachfolgern Ehrfurcht und Gehorsam versprochen. Erschüttern die Erkenntnisse über die Verfehlungen Lettmanns Ihr Vertrauen in die Institution und die Amtstheologie der katholischen Kirche?

Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster (Universität Münster)

Köster: Die intensiven Recherchen haben die schwere Schuld Lettmanns offenbart. Dass sein Nachfolger Bischof Felix Genn die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals seit 2010 intensiv verfolgt, eine umfassende Präventionsarbeit etabliert und schließlich die Studie an unserer Universität in Auftrag gegeben hat, halte ich für wichtig. Auf die vom Bischof in Auftrag gegebene Studie berufen wir uns.

DOMRADIO.DE: Wie sollte man aus Ihrer Sicht als Kirchenhistoriker mit dem Erbe Reinhard Lettmanns und den nach ihm benannten Einrichtungen umgehen?

Köster: Es gibt im Bistum meines Wissens keine Einrichtungen mehr, die nach Bischof Lettmann benannt sind, und keine Vereine, die einen Aspekt seines Wirkens fortsetzen möchten. Das Domkapitel hat Texte zu den Verstrickungen der Bischöfe in den Missbrauchsskandal in Auftrag gegeben, die in der Bischofsgruft abrufbar sein werden. Das halte ich für richtig.

Die Fragen stellte Jan Hendrik Stens.

Studie: Flächendeckender Missbrauch im Bistum Münster

Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer im Bistum Münster ist nach einer Studie der Universität Münster deutlich höher als bekannt. Laut der über zwei Jahre dauernden Forschungsarbeit eines fünfköpfigen Teams gab es von 1945 bis 2020 fast 200 Kleriker und bekannte 610 minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch. Damit sind 4,17 Prozent der Priester betroffen. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

 Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster
 / © Lars Berg (KNA)
Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
DR