DOMRADIO.DE: Warum findet man Mistelzweige in Adventsgestecken?
Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Das geht auf eine ganz alte Legende zurück. Man hat sich früher vorgestellt, dass das Holz, an dem Jesus gekreuzigt wurde, ein Mistelbaum war. Natürlich ist die Mistel kein Baum. Das hat man sich jedoch früher so vorgestellt.
Das Holzkreuz war aus der Mistel und die Mistel hat sich geschämt, dass sie das Holz geliefert hat, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Sie hat sich dermaßen geschämt, dass sie sich nach dem Kreuzestod in ein Gewächs verwandelt hat, das all denen Gutes und Glück bringen will, die unter ihm hindurchgehen.
DOMRADIO.DE: Woher kommen die Brauchtümer über den Mistelzweig, wie etwa das Küssen unter ihm?
Peters-Reimann: Dieser Brauch kommt aus dem englischen Bereich. Die Engländer nennen diese weißen Früchte, die an den Mistelzweigen kleben, deshalb Kusskugeln. Der Zweig soll in England zwölf Tage nach Weihnachten verbrannt werden, damit diejenigen, die sich da drunter geküsst haben, heiraten werden.
Der Brauch des Kusses kommt ursprünglich von den Kelten. Wenn sie sich mit ihren Feinden versöhnt haben, dann haben sie sich gegenseitig Mistelzweige überreicht, weil Mistelzweige ein Zeichen des Friedens waren.
DOMRADIO.DE: Warum wurden der Mistel Zauberkräfte zugeschrieben?
Peters-Reimann: Misteln wachsen in Bäumen kugelartig nach oben. Man ist davon ausgegangen, dass Götter oder Zauberkräfte der Hintergrund waren, weswegen sie so wachsen.
Die Beschäftigung mit der Mistel geht weit in die Geschichte zurück. Der griechische Held Aeneas ist in die Unterwelt eingedrungen, was sterblichen Menschen eigentlich gar nicht erlaubt war. Er bediente sich einer goldenen Zauberrute, wie man lesen kann. Diese goldene Zauberrute soll ein Mistelzweig gewesen sein. Glück bringt der Mistelzweig nur, wenn er verschenkt wird.
DOMRADIO.DE: Es gibt ein Sprichwort, das wahrscheinlich viele bereits gehört haben, das wohl auch auf die Mistel zurückgeht. Welches ist das?
Peters-Reimann: "Jemandem auf den Leim gehen" heißt es, wenn man einer Person etwas glaubt, obwohl es vielleicht nicht so ist. Das ist die Bedeutung des Sprichworts.
Wenn man eine Mistelbeere aufmachen würde, kommt ein klebriger Schleim heraus. Das hat sich die Natur ganz gut ausgedacht. Wenn die Vögel diese kleinen, weißen Beeren fressen, um sich zu ernähren, bleibt der Schleim mitsamt dem Samenkorn am Schnabel der Vögel kleben. Das wollen die natürlich wieder loswerden. Diese Vögel wetzen ihren Schnabel am nächsten Wirtsbaum und da kann dann die nächste Mistel wachsen.
Das Interview führte Dagmar Peters.