Oberrabbiner nennt Urteil gegen religiöse Zeichen verstörend

"Angriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit"

Laut einem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofes kann Beschäftigten das sichtbare Tragen von Kopftuch, Kreuz oder Kippa untersagt werden. Für Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt führt das Urteil zu einem "Kollateralschaden".

Illustration: Religiöse Symbole vor Gericht / © Domnitsky (shutterstock)
Illustration: Religiöse Symbole vor Gericht / © Domnitsky ( shutterstock )

Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, hat das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum sichtbaren Tragen religiöser Zeichen als verstörend bezeichnet. 

Dies sei ein "Angriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit", schreibt der ehemalige Moskauer Oberrabbiner in der "Jüdischen Allgemeinen".

Kollateralschaden für Juden

Pinchas Goldschmidt / © Dieter Mayr (KNA)
Pinchas Goldschmidt / © Dieter Mayr ( KNA )

Zwar sei es im konkreten Fall um ein muslimisches Kopftuch gegangen. Allerdings führe das Urteil zu einem "Kollateralschaden" unter Juden und Jüdinnen in Europa: "Wenn mit höchstrichterlicher Bestätigung religiöse Symbole selbst aus den Hinterzimmern europäischer Amtsstuben verbannt werden, gilt das auch uns", so Goldschmidt.

Laut EuGH-Urteil kann eine öffentliche Verwaltung Beschäftigten das sichtbare Tragen des islamischen Kopftuchs, eines Kreuzes oder einer Kippa untersagen. So ein Verbot sei dann gerechtfertigt, wenn es darum gehe, ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, so die Richter. 

Eine solche Regel sei nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal angewandt werde und sich auf das absolut Notwendige beschränke.

Rechtsstreit einer muslimischen Gemeindebediensteten

Ein Arbeitsgericht im belgischen Lüttich hatte den EuGH um Auslegung des EU-Rechts gebeten. Anlass war der Rechtsstreit einer muslimischen Gemeindebediensteten um ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz.

Frau mit Kopftuch arbeitet in einem Büro / © kenchiro168 (shutterstock)
Frau mit Kopftuch arbeitet in einem Büro / © kenchiro168 ( shutterstock )

Dem EuGH zufolge steht den Mitgliedstaaten und deren Behörden ein Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes zu. 

Eine "Politik der strikten Neutralität" ist demnach ebenso mit den Grundsätzen der Religionsfreiheit und des Diskriminierungsverbots vereinbar wie die gegenteilige Entscheidung, das Tragen von Zeichen religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen zu erlauben.

Bedingung sei, dass das Ziel der Neutralität in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde und die Mittel zur Durchsetzung sich auf das Nötigste beschränkten. Es sei Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt seien.

Berliner Neutralitätsgesetz

Das seit 2005 geltende Berliner Neutralitätsgesetz verpflichtet Beschäftigte des Landes in Bereichen, in denen die Bürgerinnen und Bürger "in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen" sind, zur Zurückhaltung in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis. So dürfen sie in Rechtspflege, Justizvollzug und Polizei in der Regel keine auffallenden Kleidungsstücke und Symbole tragen, die "eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren".

Mann mit Kippa in einer deutschen Innenstadt / © Harald Oppitz (KNA)
Mann mit Kippa in einer deutschen Innenstadt / © Harald Oppitz ( KNA )



 

Quelle:
KNA