DOMRADIO.DE: Sie haben im Vorfeld der Weltklimakonferenz einen Bericht über den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Konflikt, Hunger und Vertreibung erstellt. Wie sind Sie da vorgegangen?
Dirk Bathe (Pressesprecher bei der christlichen Kinderhilfsorganisation World Vision): Wir haben über 2700 Menschen befragt, darunter - wir sind ja ein Kinderhilfswerk- natürlich auch Jugendliche und Kinder in neun Ländern, in denen World Vision auch mit eigenen Büros tätig ist.
Diese neun Länder, in denen wir gefragt haben, erstrecken sich über Afrika, Ozeanien, Asien und den sogenannten "dry corridor", den Trockenkorridor im südlichen Amerika.
Wir haben die Menschen gefragt, ob und wenn ja, wie sie die Klimakrise und deren Auswirkungen, also den eigentlichen Klimawandel, am eigenen Leib erfahren. Das haben wir vor allem auf die Themen Konflikte und Hunger bezogen.
DOMRADIO.DE: Was ist das Ergebnis des Reports?
Bathe: Erst mal waren wir selber sehr überrascht, in welchem Ausmaß die Befragten schon Erfahrungen mit der Klimakrise gemacht haben. Zum Beispiel haben 80 Prozent der Befragten weniger Geld für Lebensmittel zur Verfügung als noch vor einigen Jahren, weil diese durch Missernten deutlich teurer geworden sind.
Lebensmittel, die sie zum Teil natürlich auch selber anbauen, aber manchmal eben auch nicht mehr anbauen können, weil sie Missernten einfahren. 60 Prozent haben zeitweise schon mal gehungert oder befürchten, dass es dazu in näherer Zukunft noch kommen wird.
Davon betroffen sind die eben erwähnten Bauern und Viehnomaden. Die spüren den Klimawandel direkt, da ihr Land ja immer weniger Ernten hergibt.
Oder wie im Fall der Viehnomaden, wenn Kühe, Ziegen, Kamele verdursten, haben sie oft keine Reserven, um diese Verluste auch wieder auszugleichen.
DOMRADIO.DE: Ja, und einmal mehr trifft es am meisten die Kinder in den betroffenen Ländern. Warum ist das so?
Bathe: Weil sie, ich formuliere es mal etwas salopp, das ausbaden müssen, was wir angerichtet haben - vor allen Dingen in den Industrienationen. Jetzt schon ist in vielen Entwicklungsländern durch die Klimakrise die Situation sehr angespannt.
Alle zumindest wissenschaftlich basierten Modelle gehen davon aus, dass das in Zukunft auch noch bedrohlicher werden wird. Dass einige Gegenden in unserer Welt, in denen jetzt noch Menschen leben, unbewohnbar werden - wie etwa im Norden Kenias, wo ich kürzlich war. Und da reden wir nicht von kleinen Ortschaften, sondern wir reden von riesigen Gebieten.
Im Endergebnis heißt das: Kinder werden ihrer Zukunftschancen beraubt. Und wenn sie jetzt schon leiden, dann zum Beispiel, weil ihre Eltern kein Geld mehr aus den Ernteverkäufen haben und so zum Beispiel die Gebühren für den Schulbesuch nicht mehr aufbringen können. Da könnte ich aber noch etliche weitere Beispiele aufzählen.
DOMRADIO.DE: Der Umgang mit Migranten und Flüchtlingen, der sorgt ja in der westlichen Welt schon jetzt für erhitzte Diskussionen. Aber man kann schon sagen, wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden definitiv noch viel, viel mehr Menschen kommen, oder?
Bathe: Das kann passieren. Vor allen Dingen dann natürlich, wenn der Zusammenhang von Klimakrise auf der einen Seite und Konflikten und Hunger auf der anderen Seite nicht endlich stärker angegangen werden wird.
Die Vereinten Nationen haben ja Zahlen gesammelt, was mögliche sogenannte Klimaflüchtlinge angeht. Aber das sind eben auch Konflikt und Hunger-Flüchtlinge.
Und deswegen sind die Schätzungen, was die Zahlen angeht, zum einen sehr weit auseinander und konkrete Zahlen sind schwer zu benennen, eben weil die Entwicklung ja noch beeinflusst werden kann. Vor allen Dingen, wenn wir endlich entsprechende Maßnahmen ergreifen.
DOMRADIO.DE: Was ist daher die Forderung von World Vision an die Teilnehmer der UNO-Klimakonferenz?
Bathe: Wir als Kinderhilfsorganisation verlangen unter anderem, aber vor allem auch viel stärker als bislang, Kinder und Jugendliche in Entscheidungsprozesse einzubinden. Es geht um ihre Zukunft, es geht um ihre Erfahrungen und um ihren ganz persönlichen Blick auf den Klimawandel.
Wir sind deswegen auch auf der COP 28 -wie schon bei der COP 27 und in den Jahren zuvor- mit einer Jugenddelegation vertreten. Die setzt sich aus verschiedenen Ländern zusammen, in denen World Vision Jugendklubs oder Umweltclubs mit Jugendlichen gegründet hat.
Die treten hier bei der COP bei wichtigen Veranstaltungen als Redner und Rednerinnen auf. Das haben wir schon in den vergangenen Jahren so gehalten.
Und ein positives Ergebnis ist, dass die deutsche Regierung sich ein Beispiel daran genommen hat und diesmal ebenfalls eine Jugenddelegation nach Dubai mitgebracht hat.
DOMRADIO.DE: Sie selbst sind ja auch in Dubai dabei. Was genau machen Sie da und wie optimistisch sind Sie, dass am Ende auch wirklich etwas greifbar Gutes herauskommt?
Bathe: Also in allererster Linie reden wir viel - mit der Politik, mit den Medien - über unsere Haltung zur Klimapolitik, zum Klimawandel, über unsere Erfahrungen und Ideen. Wir veranstalten vor Ort hier in Dubai auch Podiumsdiskussionen, unter anderem mit Vertretern der Bundesregierung.
Und wir lassen den Kopf nicht hängen – auch wenn am Ende vermutlich butterweiche Formulierungen die Abschlusserklärung prägen werden. Insgesamt erkennen ja immer mehr Menschen an, dass endlich gehandelt werden muss und dass es um die Zukunft unserer Kinder geht und deren Kinder. Und dass jeder Euro, den wir jetzt investieren, sich in dieser Zukunft auszahlen wird.
Das Interview führte Hilde Regeniter.