Polens Präsident unterschreibt umstrittenes In-Vitro-Gesetz

Entgegen der Bitte der Kirche

In Polen kommt es zum Streit zwischen der Kirche und der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk. Entgegen der Bitte der Kirche hat Polens Präsident Duda deren neues In-Vitro-Gesetz unterschrieben. Nun gerät Duda in die Kritik.

In-Vitro-Fertilisation / © bezikus (shutterstock)

Die Kirche forderte Staatspräsident Andrej Duda auf, ein vom Parlament beschlossenes Gesetz zu blockieren. Bei dem Gesetz geht es um die Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen.

Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Paul Haring ( KNA )

In dem am Freitag veröffentlichten Brief des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, an Duda hieß es, In-vitro-Fertilisationen seien ein "Experiment am Menschen, dessen eigentümliche 'Produktion' eine 'Form der Besitzergreifung des menschlichen Lebens' darstellt". 

Gądecki bat das Staatsoberhaupt, dem Gesetz entweder seine Unterschrift zu verwehren oder es dem Verfassungsgericht vorzulegen.

Unterschrift unter der Zivilisation des Todes?

In der Nacht zum Samstag gab der polnische Präsident Andrzej Duda auf der Plattform X schließlich bekannt, das Gesetz unterschrieben zu haben.

Auf die Entscheidung folgte teils scharfe Kritik aus dem katholischen Milieu Polens. Der Pfarrer und Autor Janusz Chyła schrieb etwa auf X: "Menschen, von denen man dachte, dass man auf sie zählen kann, haben ihre Unterschrift unter die Zivilisation des Todes gesetzt."

Franziskus empfängt den polnischen Präsidenten Andrzej Duda mit Familie / © Ettore Ferrari (dpa)
Franziskus empfängt den polnischen Präsidenten Andrzej Duda mit Familie / © Ettore Ferrari ( dpa )

Gleichsam findet Dudas Entscheidung sogar in Reihen der ehemaligen nationalkonservativen Regierungspartei PiS Unterstützer. 

Duda verweist auf Demografie und Unfruchtbarkeit

Sylwester Tułajew, Sejm-Abgeordneter und Parteikollege des polnischen Präsidenten, zitierte so auf X aus der Pressemitteilung des Präsidialamts, dass Duda durchaus die ethischen Bedenken eines Teils der Gesellschaft in seine Entscheidung einbezogen habe. 

Angesichts der demografische Herausforderungen und im Sinne einer Chancengleichheit für Menschen, die unter Unfruchtbarkeit leiden, habe sich Polens Präsident jedoch gegen ein Veto entschieden.

Teils scharfe Kritik aus katholischem Milieu

Chyła kommentierte das Posting des Abgeordneten mit den Worten: "Dann führt doch auch noch die Leihmutterschaft ein. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Wie peinlich, Herr Abgeordneter. Sie gehen Hand in Hand mit der Diktatur des Relativismus."

Der katholische Radiosender "Radio Maryja" verwies in einem X-Beitrag auf eine Aussage des Erzbischofs von Stettin-Cammin, Andrzej Dzięga, aus dem Jahr 2012, wonach sich jeder Katholik, der sich für In-Vitro-Befruchtung einsetze, sich gegen die Würde des Menschen sowie das Recht Gottes ausspreche und somit seine Einheit mit der Kirche verwirke.

Die Laizisierung Polens wird allmählich Realität

Der Journalist Marcin Makowski erinnerte wiederum auf X daran, dass Duda früher ein offener Gegner der In-Vitro-Methode gewesen sei. Nicht nur er wirft dem polnischen Präsidenten Opportunismus vor. 

Gleichzeitig blickt Makowski auch kritisch auf das politische Engagement der polnischen Kirche: "Das Bild dieser Welt wandelt sich. Die Laizisierung des gesellschaftlichen Lebens in Polen wird zunehmend zu einem Fakt. Leider hat die Kirche selbst in großem Maße darauf hingearbeitet."

Der Parteichef der liberal-konservativen Bauernpartei PSL und Vizepremier sowie Verteidigungsminister der neuen polnischen Regierung, Władysław Kosiniak-Kamysz, drückte hingegen seine Freude über die Unterschrift Dudas unter dem Gesetz aus: "Das ist eine Chance aufs Glück für tausende polnische Familien! Schritt für Schritt werden wir unseren Verpflichtungen gerecht."

Umstrittenes Verfassungsgericht

Duda hat ein Vetorecht gegen neue Gesetze. Tusks Regierungskoalition fehlt im Unterhaus des Parlaments eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten aufheben zu können. Das Verfassungsgericht ist in Polen sehr umstritten, weil mehrere Richter nicht ordnungsgemäß berufen worden sein sollen. 

Der Sejm (Unterhaus) hatte Ende November auf Antrag einer erfolgreichen Volksinitiative beschlossen, dass zeugungsunfähigen Paaren ab Juni 2024 die Kosten für künstliche Befruchtungen erstattet werden. 

Das polnische Parlamentsgebäude "Sejm" in Warschau / © Grand Warszawski (shutterstock)
Das polnische Parlamentsgebäude "Sejm" in Warschau / © Grand Warszawski ( shutterstock )

Dafür stimmten neben der Mitte-Links-Koalition auch 23 Abgeordnete der PiS. Die Bischofskonferenz hatte das Parlamentsvotum zunächst nicht kommentiert.

Laut Gądecki "absichtlich selektive Abtreibung"

Bei der In-vitro-Methode wird eine der Frau zuvor entnommene Eizelle im Reagenzglas mit Sperma des Mannes in Verbindung gebracht. Gądecki schreibt in seinem Brief, der vom Mittwoch datiert, in der Regel würden nicht alle so erzeugten Embryonen in die Gebärmutter der Frau übertragen. 

Manche Embryonen würden als "überzählig" deklariert und zerstört oder eingefroren. Auch ein Teil der in den Mutterleib übertragenen Embryonen würde nach "eugenischen Selektionskriterien" vernichtet, so der Erzbischof von Posen (Poznan). "

Wir haben es also im Rahmen von Methoden, die vorgeblich dem Leben dienen sollen, mit einer absichtlichen selektiven Abtreibung zu tun."

Unfruchtbarkeit als "eine schwere Prüfung"?

Gądecki unterstrich: "Unfruchtbarkeit ist eine schwere Prüfung". Er plädiert für ein "nationales Programm für eine echte Behandlung von Unfruchtbarkeit". 

Die Beseitigung der medizinischen oder psychologischen Ursachen von Unfruchtbarkeit böten eine viel bessere Chance auf die Geburt eines gesunden Kindes als künstliche Befruchtungen. 

Gądecki sagte zugleich, die mit Hilfe der In-vitro-Methode gezeugte Kinder verdienten ebenso Liebe und Respekt wie natürlich gezeugte.

Der Co-Vorsitzende der Linken, Robert Biedroń, kritisierte Gądeckis Brief scharf. Er erklärte: "Die Sitte, dass die Kirche über die Politik des Staates entscheidet, ist vorbei."

Dieser Artikel wurde am 17.12.2023 um 08:00 Uhr aktualisiert.

Künstliche Befruchtung

Künstliche Befruchtung zielt darauf ab, eine Schwangerschaft mit Hilfe medizinischer Verfahren herbeizuführen. Sie soll Paaren zu Nachwuchs verhelfen, deren Babywunsch seit längerer Zeit unerfüllt bleibt.

Das weltweit erste "Retortenbaby" kam 1978 in England zur Welt, das erste deutsche 1982 in Erlangen. Seitdem steigen die Zahlen. 2015 wurden in der Bundesrepublik erstmals über 20.000 Jungen und Mädchen mit Hilfe der Reproduktionsmedizin geboren. Zum Vergleich: 2011 waren es laut offiziellem Register erst 7.000. Weltweit sind es mittlerweile mehr als acht Millionen.

Künstliche Befruchtung / © Waltraud Grubitzsch (dpa)
Künstliche Befruchtung / © Waltraud Grubitzsch ( dpa )
Quelle:
DR , KNA