Menschenrechtler und andere Fachleute warnen kurz vor den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo vor Gewaltausbrüchen. Die Behörden in Afrikas zweitgrößtem Land müssten zügig handeln, um zu verhindern, dass "eine schlimme Situation noch schlimmer wird", sagte Thomas Fessy, Landesvertreter von Human Rights Watch (HRW), am Wochenende.
Alle Kongolesen, darunter auch die sieben Millionen Binnenvertriebenen, hätten ein Recht auf eine freie und sichere Abstimmung.
Kobalt und Regenwald
"Was in der Demokratischen Republik Kongo geschieht, zählt nicht nur für deren Bevölkerung, sondern für jeden, der diesen Planeten sein Zuhause nennt", schreibt das Fachmagazin "The Continent" in seiner jüngsten Ausgabe. Denn nicht nur schlummern in Kongos Böden die größten bislang bekannten Kobalt-Vorkommen.
Das Metall ist wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Akkus, die, etwa eingebaut in E-Autos, wiederum die grüne Energiewende tragen sollen. Es erstreckt sich im Kongo auch der zweitgrößte Regenwald der Welt. "Ihn am Leben zu erhalten, ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen, um die Erderwärmung unter Kontrolle zu bringen", erinnert das Magazin.
Fehlende Stabilität
Allerdings: Der Beitrag zur Weltrettung bräuchte Stabilität. Die fehlt in der DR Kongo seit der Unabhängigkeit von Belgien 1960 aber genauso wie gute Regierungsführung und Frieden. Im Osten von Afrikas zweitgrößtem Land sind immer noch mehr als 120 bewaffnete Rebellengruppen aktiv. Sie werden seit Jahren erfolglos von UN-Friedenssoldaten und seit kurzem von einer regionalen Eingreiftruppe bekämpft.
Einem der Kriegstreiber, der "Bewegung vom 23. März", besser bekannt als M23, ist es zuletzt gelungen, mehrere Städte und Dörfer zu erobern. Nun warten die Rebellen erneut in den Startlöchern. Denn Präsident Felix Tshisekedi drängt nach 24 Jahren auf den Abzug der Friedensmission MONUSCO. Die Bevölkerung wirft ihr schon länger Unfähigkeit vor. Dieses Jahr kam es zu tödlichen Protesten gegen die Blauhelme. Unterdessen kursieren in dem rohstoffreichen Bürgerkriegsgebiet Kinderarbeit, sexuelle Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen.
Millionen Binnenflüchtlinge
"Seit Jahrzehnten durchleben die Kongolesen nun schon diesen Krisensturm", sagte Fabien Sambussy, Länder-Direktor der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Die UN-Behörde vermeldete vor zwei Monaten einen neuen Höchststand: Derzeit seien knapp sieben Millionen Menschen im Kongo als Binnenvertriebene auf der Flucht – eine der höchsten Zahlen weltweit.
Eine kleine Gruppe Flüchtlinge traf zu Jahresbeginn Papst Franziskus, der bei seiner Afrika-Reise ein Ende des Konflikts forderte. Auch auf die bevorstehenden Präsidenten-, Parlaments- und Lokalwahlen habe die humanitäre Tragödie Auswirkungen, warnen Experten. So seien etwa eine Million Stimmberechtigte im Osten des Kongo durch die anhaltenden Kämpfe vom Wahlprozess ausgeschlossen, so die International Crisis Group.
Demokratische Wahlen?
Wie demokratisch sind Wahlen im Kongo? Sind sie glaubhaft oder eher zweckmäßiger Schein? Solche Fragen stellen sich seit dem vorigen Urnengang nicht nur die rund 99 Millionen Kongolesen, sondern vor allem auch internationale Beobachter.
2019 war in der Hauptstadt Kinshasa der langjährige Oppositionsführer Felix Tshisekedi an die Macht gelangt. Der inzwischen 60-Jährige steht im Verdacht, einen "Hinterzimmer-Deal" mit seinem Vorgänger Joseph Kabila geschlossen zu haben. Der Clan des Autokraten hat weiter großen Einfluss.
Auch ein Nobelpreisträger steht zur Wahl
Nun wollen mehr als 20 Kontrahenten Tshisekedi im Amt ablösen. Als aussichtsreich gilt neben dem Geschäftsmann Moise Katumbi (58) auch der Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege (68), der für seinen Einsatz für Kriegsvergewaltigte weltweit Bekanntheit erlangte.
Daneben tritt auch Martin Fayulu (67) erneut an. Er gilt als eigentlicher Wahlsieger von 2018 und attestiert Tshisekedi nach dessen erster Amtszeit ein Totalversagen.
Keine Verbesserung
Zumindest theoretisch konnte Tshisekedi etwas bewegen. Er ordnete kostenlose Grundschulbildung an; auch Geburtshilfe sollte der Staat übernehmen. Allem voran in ländlichen Gebieten funktioniere das aber noch nicht wirklich, berichtet Jakob Kerstan, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kinshasa: "Der Großteil der Bevölkerung hat keine wesentliche positive Veränderung des Lebensstandards in den vergangenen fünf Jahren zu spüren bekommen."
Kompromiss
Eine politische Aufbruchstimmung wie noch 2018 sei heute Apathie gewichen, sagt Kerstan. Daher müsse man sich trotz aller Probleme mit Tshisekedi als wahrscheinlichem Wahlsieger auseinandersetzen. Ein Kompromiss. Stichwort Regenwald: "Will man sich intensiver mit Klimaschutz befassen, muss man auch mit Ländern reden und kooperieren, die sehr schwierige Bedingungen aufweisen – wie auch beim Kongo der Fall", meint Kerstan.
Weniger Geduld legte drei Wochen vor dem Urnengang die EU an den Tag, als sie überraschend ihre Wahlbeobachtungsmission absagte; wegen "technischer Einschränkungen", wie es offiziell hieß. Angeblich hätten Kongos Behörden ihren Delegierten untersagt, Satellitentelefone mit ins Land zu bringen.