Armenier beklagen Angriff in Jerusalemer Altstadt

Undurchsichtige Landgeschäfte

Erneut ist es in der Jerusalemer Altstadt zu Gewalt gegen armenische Christen gekommen. Hintergrund ist ein Konflikt um undurchsichtige Landgeschäfte des Patriarchats mit einem jüdischen Investor.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Auch in Jerusalem verzeichnet das Auswärtige Amt zunehmend Übergriffe auf Christen / © Ilia Yefimovich (dpa)
Auch in Jerusalem verzeichnet das Auswärtige Amt zunehmend Übergriffe auf Christen / © Ilia Yefimovich ( dpa )

Die armenische Gemeinschaft in der Jerusalemer Altstadt ist am Donnerstagnachmittag Ziel eines gewalttätigen Übergriffs geworden. Mehr als 30 "mit tödlichen und weniger tödlichen Waffen" bewaffnete und vermummte Personen griffen nach Angaben des armenischen Patriarchats Kleriker, Seminaristen und weitere Mitglieder der armenischen Gemeinschaft an. Dabei wurden laut Patriarchat mehrere Armenier schwer verletzt. Bei dem Zwischenfall sollen zwei Armenier festgenommen worden sein.

Hintergrund ist mutmaßlich ein Streit um einen Pachtvertrag zwischen dem armenischen Patriarchat und einem jüdisch-australischen Privatinvestor, in dessen Rahmen es in den letzten Monaten wiederholt zu gewaltsamen Übergriffen im armenischen Altstadtviertel gekommen war.

Im Auftrag des Pächters?

Beobachter vermuten, dass es sich bei den Vermummten um Ostjerusalemer Palästinenser handeln könnte, die im Auftrag des Pächters unterwegs waren. Die Angreifer drangen nach Kirchenangaben auf das als "Kuhgarten" bekannte Gelände im Südwesten der Altstadt ein.

Das Patriarchat wertete den Übergriff als "die kriminelle Antwort" auf eine Klage, die die Kirche im Streit um den Pachtvertrag beim Bezirksgericht Jerusalem eingereicht hat. Die israelische Regierung und die Polizei müssten eine Untersuchung gegen den Investor und seinen Partner einleiten, so die Forderung der Armenier.

Die Kirche sprach von einer "existenziellen Bedrohung". Die versammelten Armenier kämpften "vor Ort um ihr eigenes Leben". In seiner Stellungnahme rief das Patriarchat die Welt dazu auf, dabei zu helfen, "das armenische Viertel vor einem gewaltsamen Untergang zu bewahren".

Erhebliche Mängel an dem Pachtvertrag

Ein Polizeisprecher bestätigte die Festnahme "mehrerer verdächtiger Einwohner Jerusalems und Nordisraels". Sie stünden im Verdacht, an einer Schlägerei in der Altstadt von Jerusalem beteiligt gewesen zu sein, "bei der Steine und Felsbrocken geworfen und Pfefferspray sowie ein Hund eingesetzt wurden". Eine Bestätigung, dass es sich dabei um den Angriff auf dem Gelände des Kuhgartens gehandelt hat, gab es zunächst nicht.

Der Kuhgarten, der derzeit als Parkplatz genutzt wird, ist Teil der dubiosen Pachtverträge des Patriarchats, das den Pächter nach eigenen Angaben am 26. Oktober über eine Aufhebung des Vertrags informiert hat.

Bau eines Luxushotels

Bei den Pachtverträgen geht es um die mögliche Nutzung von 11.500 Quadratmetern Land - rund ein Fünftel des armenischen Viertels in der Jerusalemer Altstadt - für den Bau eines Luxushotels. Eine Kommission US-amerikanisch-armenischer Rechtsexperten hatte im Juli erhebliche Mängel an dem Pachtvertrag festgestellt, der bis zu 98 Jahre Laufzeit haben soll. In ihrem Bericht verwies die Kommission auf erhebliche Verstöße des Vertrags gegen die Verfassung des Patriarchats wie eine fehlende erforderliche Zustimmung des Heiligen Synods und der Sankt-Jakobus-Bruderschaft. Zudem bestünden formale Unregelmäßigkeiten. Ein Priester des Patriarchats, der die Vereinbarung damals abgeschlossen hatte, wurde inzwischen seines Postens enthoben.

Der Vertrag führte in der armenischen Gemeinschaft Jerusalems zu starkem Widerstand. Aus Sicht der Kritiker würde die Umsetzung der Pläne eine dauerhafte Veränderung der armenischen und christlichen Präsenz in Jerusalem bedeuten. Ultimatives Ziel der treibenden jüdischen Kräfte hinter dem Pachtvertrag - so auch ein Ergebnis des Kommissionsberichts - sei die Übernahme des Patriarchates selbst und die Schaffung einer direkten Verbindung von Westjerusalem zum jüdischen Altstadtviertel und der Klagemauer.

Quelle:
KNA