Christen fliehen vor Raketenbeschuss im Süden des Libanon

Menschenleere Orte

Die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und den Terrortruppen der Hisbollah im Süden des Libanon hat auch immer mehr Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. "Kirche in Not" unterstützt Hilfen in der betroffenen Region.

Blick am 12. November 2023 von Jisch (Israel) über die Grenze zwischen Israel und Libanon. Israelische Raketen verursachen den aufsteigenden Rauch. / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick am 12. November 2023 von Jisch (Israel) über die Grenze zwischen Israel und Libanon. Israelische Raketen verursachen den aufsteigenden Rauch. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Nach Informationen des weltweiten katholischen Hilfswerks "Kirche in Not" (ACN) haben seit Oktober in einigen mehrheitlich von Christen bewohnten Ortschaften bis zu 90 Prozent der Einwohner ihre Heimat verlassen. "Nach wie vor gibt es in der Region fast täglich Raketenbeschuss. Einige Orte sind nahezu menschenleer", berichtete der Projektreferent von "Kirche in Not" für Syrien, Xavier Bisits.

Xavier Bisits, Projektreferent von Kirche in Not in Syrien (KiN)
Xavier Bisits, Projektreferent von Kirche in Not in Syrien / ( KiN )

Das Hilfswerk finanziert einige kirchliche Nothilfeprojekte in der Region, zum Beispiel Lebensmittelpakte, die Verteilung von Medikamenten und Hygieneartikeln, die Ausrüstung einer kirchlichen Krankenstation und den Betrieb katholischer Schulen, die wegen der angespannten Sicherheitslage auf Onlineunterricht umstellen mussten.

Beschuss von Hisbollah-Stützpunkten trifft auch zivile Ziele

Nach dem Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel Anfang Oktober und die dadurch ausgelöste Gegenwehr hat das israelische Militär mehrfach Raketen auf Standorte der Hisbollah im Südlibanon abgefeuert. Die Region gilt als Hauptstützpunkt der islamistischen Gruppierung und enger Verbündeter der Hamas. Angaben der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurden seit Oktober neben 94 Hisbollah-Kämpfern bislang auch mindestens 17 Zivilisten getötet. 

Wie Projektpartner von "Kirche in Not" berichten, würden immer wieder auch zivile Ziele in Mitleidenschaft gezogen. So seien zum Beispiel im Dorf Aalma El Chaeb im Gouvernement Tyrus 15 Häuser zerstört wurden. Dabei seien mehrere Angehörige einer Familie, deren Kinder die katholische Dorfschule besuchten, ums Leben gekommen. In Jaroun (Gouvernement Nabatäa) nahe der Grenze zu Israel sei die melkitische griechisch-katholische Kirche beschädigt worden; dort wurde niemand verletzt. 

Schwere wirtschaftliche Folgen

In einigen Ortschaften hätten ganze Familie bei Angehörigen in der Hauptstadt Beirut oder anderen Landesteilen Zuflucht gesucht; oft sei nur ein Familienmitglied zurückgeblieben, um den Besitz vor Plünderungen zu schützen. Lokalen Quellen zufolge seien vor Weihnachten auch einige Christen wieder zurückgekehrt. Aufgrund der unsicheren Sicherheitslage habe sich diese Bewegung jedoch verlangsamt, sagte Bisits. "Die Menschen haben große Angst, in die Olivenhaine oder auf die Tabakfelder zu gehen, die wichtige Einnahmequellen für die Bevölkerung sind. Das hat schwere wirtschaftliche Folgen." 

Angst vor einem neuen Krieg

Der angespannten Sicherheitslage zum Trotz seien alle Geistlichen und Ordensleute der christlichen Konfessionen in der Region geblieben. Die Bischöfe der maronitischen und melkitischen Kirchen hätten kürzlich die am meisten betroffenen Orte an der Grenze zu Israel besucht und dort Gottesdienste gefeiert. Besondere Sorge gelte den älteren Menschen, die zu gebrechlich seien, um sich in Sicherheit zu bringen, berichtete Bisits. Ordensfrauen in der Ortschaft Debl hätten deshalb begonnen, diesen Menschen in ihrem Kloster Unterschlupf zu gewähren.

Aufnahmekapazitäten aufrüsten

In anderen Landesteilen stockten die Kirchengemeinden ihre Aufnahmekapazitäten auf, um für den Fall einer größeren Flüchtlingswelle gerüstet zu sein. All dies geschehe in einem Umfeld, das durch eine schwere wirtschaftliche und politische Krise ohnehin schon äußerst prekär sei, betonte Bisits: "Der Libanon ist ohne funktionsfähige Regierung. Die Lage ist besorgniserregend. Die Menschen haben Angst vor einem erneuten Krieg."

Im Libanon sind etwa ein Drittel der sechs Millionen Einwohner Christen. Ihre Zahl geht zurück; viele Menschen wandern ins Ausland ab. Der Süden des Libanon ist mehrheitlich schiitisch geprägt, in der Küstenstadt Tyrus und in Grenznähe zu Israel gibt es einige größere christliche Gemeinden.

Der Libanon

Der Libanon ist geprägt durch das Nebeneinander zahlreicher Religionen. Mit etwa 30 Prozent hat die parlamentarische Demokratie den größten Anteil Christen in der Arabischen Welt. Die Muslime - Sunniten und Schiiten - machen inzwischen wohl mehr als 60 Prozent aus. Offiziell anerkannt sind 18 Religionsgemeinschaften, darunter die Minderheiten der Drusen und Alaviten.

Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva (shutterstock)
Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva ( shutterstock )
Quelle:
KiN