Das Gebetsanliegen des Papstes für den Januar

Vielfalt als Bereicherung

In Europa greift eine neue Fremdenfeindlichkeit um sich. Menschen aus anderen Kulturen und Religionen werden als Bedrohung empfunden und abgelehnt. Im Januar lädt Papst Franziskus ein, für die Gabe der Vielfalt in der Kirche zu beten.

Autor/in:
Martin Maier SJ
Symbolbild Vielfalt  (shutterstock)

Papst Franziskus versteht die kulturelle und religiöse Vielfalt als eine Bereicherung. Dahinter steht die Überzeugung, dass das Evangelium und der christliche Glaube für alle Kulturen und Völker offen sind. Die katholische Kirche musste hier aber selbst einen Lernprozess durchmachen.

Eigene Ausdrucksformen

In der Missionsgeschichte wurde das europäische Christentum fremden Kulturen lange Zeit einfach übergestülpt. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man kaum einen Unterschied feststellen bei einer lateinischen Messfeier in Europa, Indien oder Lateinamerika. Einen wichtigen Schritt setzte hier das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) mit der Einführung der Landessprachen in die Liturgie. Darüber hinaus wurden den lokalen Teilkirchen auch eigene liturgische, theologische und kulturelle Ausdrucksformen des christlichen Glaubens zugestanden.

"Inkulturation"

Dafür hat der frühere Generalobere des Jesuitenordens Pedro Arrupe (1907-1991) den Begriff der Inkulturation geprägt. "Inkulturation ist die Inkarnation des christlichen Lebens und der christlichen Botschaft in eine bestimmte Kultur hinein, und zwar in der Weise, dass diese Erfahrung sich nicht nur in Formen ausdrückt, die der betreffenden Kultur eigen sind (das wäre nur eine oberflächliche Anpassung), sondern so, dass sie zum Prinzip einer neuen Inspiration wird, zur Richtschnur und zur einigenden Kraft zugleich, die diese Kultur umwandelt und neu schafft. Die Inkulturation steht so am Beginn einer Neuschöpfung."

Inkulturation setzt voraus, dass Gottes Geist in allen Kulturen wirkt und dass jede Kultur das Evangelium annehmen und aufnehmen kann. Eine weitere Voraussetzung ist, dass keine Kultur als einer anderen von vornherein als überlegen angesehen wird und dass das Christentum in seiner westlich-abendländischen Gestalt nicht als normativ für andere Kulturräume vertreten wird. Schließlich darf keine bestimmte Kultur als perfekt angesehen und keine Gestalt des christlichen Glaubens absolut gesetzt werden.

Beseelen, verwandeln, erneuern

Der theologische Schlüssel für das Verständnis von Inkulturation ist die Inkarnation: Gott lässt sich auf diese Welt, auf ihre Geschichte und auf eine ganz bestimmte Kultur ein. So ist letztlich Jesus Christus selbst das Modell für die Inkulturation. Wirkliche Inkulturation des christlichen Glaubens bedeutet, dass dieser die Kultur beseelt, verwandelt und erneuert. Damit werden weder die christliche Botschaft noch die betreffende Kultur unverändert bleiben: Etwas Neues entsteht.

Samenkorn, das überall wachsen kann 

Bildlich lässt sich dies mit einem Samenkorn vergleichen. Für Jesus selbst war dieser Vergleich sehr wichtig. Normalerweise ist das Keimen eines Samenkorns an bestimmte klimatische Bedingungen und Bodenverhältnisse gebunden. Doch das Samenkorn des Evangeliums kann in den unterschiedlichsten Kulturen keimen und wachsen, und es wird jeweils eine andere Pflanze und andere Früchte hervorbringen. Ein anderes Bild für ein inkulturiertes Christentum ist für Pedro Arrupe das "in vielen Farben leuchtende Kleid der kulturellen Wirklichkeit des einen Pilgervolkes Gottes".

Einen schönen Ausdruck hat die Synthese zwischen der christlichen Botschaft und der indigenen Kultur Lateinamerikas in der braunenMadonna von Tepeyac in Mexiko gefunden. Der Überlieferung zufolge soll im 16. Jahrhundert Juan Diego, einem christlich gewordenenIndio, eine Frau erschienen sein, die die Sprache der Indigenen sprach und die Gesichtszüge der Mestizen hatte. Dies ist der Ursprungdes großen Marienheiligtums von Guadalupe, in dem der Konflikt zwischen der europäischen Missionierung und den indigenen Kulturensymbolisch zu einem Ausgleich gekommen ist.

Die Gebetsanliegen des Papstes für das Jahr 2024

  • Januar: Für die Gabe der Vielfalt in der Kirche

    Wir bitten den Heiligen Geist, dass er uns hilft, die Gabe der verschiedenen Charismen innerhalb der christlichen Gemeinschaften zuerkennen und den Reichtum der verschiedenen rituellen Traditionen innerhalb der katholischen Kirche zu entdecken.

  • Februar: Für todkranke Menschen

    Wir beten, dass unheilbar kranke Menschen und ihre Familien immer die notwendige Pflege und Begleitung erhalten, sowohl in medizinischer als auch in menschlicher Hinsicht.

Papst Franziskus betet / © Lola Gomez/CNS photo (KNA)
Papst Franziskus betet / © Lola Gomez/CNS photo ( KNA )
Quelle:
KNA