DOMRADIO.DE: Bereits am Dienstagabend hatten sich rund 30.000 Menschen in Köln versammelt, um gegen Rechts zu demonstrieren. Wie haben Sie die Veranstaltung wahrgenommen?
Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadt- und Domdechant): Wahrscheinlich war ich genauso überrascht wie die Veranstalter. Man hat sich vorgenommen, klein zu beginnen und ein Zeichen zu setzen. Dass es aber ein derart großes Ausrufezeichen wird, war nicht zu erwarten.
In Köln wird erkannt, dass Demokratiefeinde nicht die Oberhand in unserem Land gewinnen dürfen und dass man gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit aufstehen muss. Ich gehe davon aus, dass die zweite große Demonstration am Sonntag mindestens genauso gut besucht wird, wenn nicht sogar noch besser. Ich hoffe, dass sich die Menschen aufmachen und ganz konkret ein Zeichen setzen.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist es, dass auch die Kirchen dabei sind und die Demonstration gegen Rechts unterstützen?
Kleine: Als Kirchen müssen wir gegen jede Form von Extremismus auftreten. Wir haben die Menschenwürde im Blick. Es ist unser Auftrag in der Nachfolge Jesu. Jesus sagt, dass man anderen das tun soll, was man von ihnen erwartet. Man muss schauen, was der Nächstenliebe entspricht und was ihr widerspricht.
Viele Bereiche, für die auch die AfD steht, wie Hetze oder Ressentiments, kennen wir in der Kirche nicht. Jeder hat die gleiche Würde. Dass man sie niemandem abnehmen darf, müssen wir als Kirche klar und deutlich benennen. Darunter fällt auch die "Remigrations-Besprechung" in Potsdam.
DOMRADIO.DE: Wissen Sie schon, welche Kirchenvertreter bei der Demonstration dabei sind?
Kleine: Ich bin leider auf einer Klausurtagung, die ich auch selbst leite, sodass ich nicht dabei sein kann. Wir haben es aber in unserem Stadtdekanat und in den Gemeinden thematisiert. Ich bin wie der Katholikenausschuss zuversichtlich, dass wir unter den hoffentlich vielen Zehntausend Menschen auch viele Christinnen und Christen in unserer Stadt sehen und hören werden.
DOMRADIO.DE: Wenn sich Kirche politisch äußert, ist es heikel. Wie klar kann und sollte sich die katholische Kirche äußern, wenn es um eine politische Partei geht?
Kleine: Klar ist, dass wir diese Demonstration gegen die Positionen der AfD unterstützen. Es geht für uns auch darum, die Demokratie zu schützen. Zudem gilt es auch, die Würde des Menschen zu schützen. Gegen all das, was in den rechten Parteien unserem Menschenbild widerspricht, stehen wir auf. Wir dürfen nicht nationalistisch oder völkisch denken. Die Hetze dieser Partei, diese Polemik, dieser Populismus, ärgern mich.
Manches erinnert mich wirklich an dunkle Zeiten. Auch das, was an Antisemitismus aufkommt, wird geschürt. Wir müssen eine Spaltung in unserer Gesellschaft vermeiden.
Wenn Menschen sagen, das wir eine starke Hand brauchen, muss ich widersprechen. Die brauchen wir nicht. Ich bin sehr dankbar, dass ich in einem freiheitlich demokratischen Staat lebe. Wir sind als Kirche nicht an eine Staatsform gebunden. Ich glaube jedoch, dass die Demokratie die beste unter den Staatsformen ist. Dazu gehört auch, dass wir demonstrieren können.
DOMRADIO.DE: Es ist die Rede davon, dass unsere Demokratie von extremen Parteien und Bewegungen bedroht ist. Welchen Beitrag können die Kirchen zur Stabilisierung der Demokratie leisten?
Kleine: Wenn man auf die christliche Soziallehre, auf Solidarität und Subsidiarität schaut, sollte man sich gemeinsam für das Wohl aller Menschen in diesem Land einsetzen. Dazu gehört auch eine Kapitalismuskritik. Man kann nicht auf Kosten anderer leben oder sie ausbeuten. Man muss auch die Schöpfung bewahren. Dies steht auf der ersten Seite der Bibel. Man muss auf den Klimawandel reagieren und so viele Dinge im Blick haben, für die die Parteien auch ihre Programme ausrichten.
Vieles, was im Parteiprogramm der AfD steht, muss man klar als etwas kennzeichnen, was nicht mit der Menschenwürde und unserer Verantwortung auf der Erde vereinbar ist. Dazu zählt die Leugnung des menschengemachten Klimawandels, nationalistisches Denken und dass sie gewisser Weise für Sozialabbau stehen.
Zudem möchten sie aus der EU austreten und haben eine Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Putin, der die Ukraine überfällt. Bald haben wir Europawahl. Die dürfen wir nicht den Menschen überlassen, die gegen die Werte stehen, für die wir als Kirche eintreten.
Das Interview führte Dagmar Peters.