DOMRADIO.DE: Wie war die Stimmung bei diesem ganz besonderen "Fastelovendsgottesdienst", also Karnevalsgottesdienst, am Montagabend?
Georg Hinz (DOMRADIO.DE-Redakteur und Erfinder von "Loss mer singe e.V."): Ich habe schon ein paar Wochen Session hinter mir. Aber in dem Moment wenn dieser Gottesdienst kommt, merkt man, dass das noch mal eine besondere Feierlichkeit ist. Den Karneval, die kölsche Musik mit 800 anwesenden Menschen in eine Kirche zu holen, hat eine ganz besondere Stimmung verbreitet. Alle haben eine feierliche und schöne Stimmung mitgebracht. Das hat etwas zwischen fröhlich und erhaben.
DOMRADIO.DE: Zu einem Gottesdienst gehört üblicherweise auch eine Predigt. Die kam nun vom "Hänneschen" aus dem "Hänneschen Theater". Das war etwas Einmaliges. Wie ist das, wenn eine Puppe predigt?
Hinz: Ungewöhnlich natürlich, aber das sollte man sich öfters überlegen. Es war tatsächlich so, dass die Predigt vom Original-"Hänneschen" gehalten wurde. Der Schauspieler Jacky von Guretzky-Cornitz hat das gemacht. Der Stadtführer Uli Kievernagel hat eine Predigt geschrieben, die in diesem Jahr sehr gut passte.
Denn es wurde an eine Puppenspielerin erinnert, eine Jüdin, die im Dritten Reich deportiert und in Auschwitz umgebracht wurde. Daran zu erinnern, war eine Art roter Faden in dem Gottesdienst.
Denn es geht auch darum, dass wir Jecken (Karnevalisten, Anm. d. Red.) in diesen Tagen unsere Verantwortung spüren, dass wir Impulse in die Gesellschaft setzen und uns positionieren müssen, um auch gegen extremistische Strömungen zusammenzuhalten.
DOMRADIO.DE: Musikalisch wurde einiges geboten. Sie haben als Schöpfer der "Loss mer singe-Kneipentour" auch die Sieger der diesjährigen Tour in St. Agnes erleben können.
Hinz: Ja, das war großartig. Die drei Lieben von Kasalla waren dabei und haben, "Wenn ich ne Engel bin" gesungen. "Ich will üch danze sinn, wenn ich ne Engel bin" (Ich will euch tanzen sehen, wenn ich ein Engel bin, Anm. d. Red.). Es ist ein Lied wie ein Testament, das ausdrückt, dass man sich dann, wenn man verstorben ist, keine Sorgen um einen machen muss, weil man da oben gut aufgehoben ist. Ein Lied das möchte, dass man "Ja" zum Leben sagt. Am liebsten soll es "Konfetti rääne op dä Sarch" (Konfetti auf den Sag regnen, Anm. d. Red.).
DOMRADIO.DE: Was war denn Ihr persönliches Highlight beim "Fastelovendsgottesdienst"?
Hinz: Einerseits die Atmosphäre, die wir zu Beginn angesprochen haben und diese Berührtheit, die sowohl die Besucherinnen und Besucher als auch die Akteure ausstrahlten.
Wenn die Musiker anschließend sagen, dass es toll war und wenn man von Kasalla "Sing mich noh Hus" (Sing mich nach Hause, Anm. d. Red.) in einer Kirche hört, merkt man, dass das Lied auch dahin gehört. Alle haben gespürt, dass ganz viel zusammenkam, was nicht ständig zusammen ist, aber irgendwie doch zusammengehört.
Das hat schon Spaß gemacht und wird bestimmt bei ganz vielen, die dabei waren oder es im Stream gesehen haben, noch nachwirken. Man kann es übrigens immer noch bei YouTube anschauen.
DOMRADIO.DE: War das ein guter Impuls für die kommenden Tage? Ab Weiberfastnacht geht für die allermeisten der große Straßenkarneval los?
Hinz: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass die Jecken in Köln wissen, dass das nicht nur purer Hedonismus ist. Man muss nicht in den Karneval reingehen und sich nur volllaufen lassen. Vielmehr wird auch mit dem tiefen Gefühl gefeiert, dass wir etwas Friedliches tun, dass wir was Gemeinsames tun, dass diese Gemeinschaft und diese Freude, die wir leben, viel für die Gesellschaft und für unser Miteinander bedeutet. Der Alltag und der Karneval befruchten irgendwie einander. Und der Gottesdienst war so eine Art Startschuss.
Das Interview führte Tobias Fricke.