Meinungsumfrage zeigt Rückgang von Religiosität in den USA

Nicht mehr "God's own country"?

Die USA hinkten anderen westlichen Industriegesellschaften bei der Säkularisierung über lange Zeit hinterher. Eine neue Studie belegt, wie sich das Schwinden der Religion in der Vergangenheit stark beschleunigt hat.

Autor/in:
Thomas Spang
Symbolbild: US-Katholiken / © Cristian Gennari (KNA)
Symbolbild: US-Katholiken / © Cristian Gennari ( KNA )

Fast drei von zehn US-Amerikanern haben sich inzwischen von ihren Kirchen verabschiedet. Allerdings wechselten sie nicht wie früher oft nicht zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, sondern schließen sich der Gruppe der Religionslosen an.

Die sogenannten "Nones" ist die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den USA. Von jenen, die bei Umfragen unter "Religion" "none" (keine) ankreuzen, gibt es mehr als Katholiken (23 Prozent) oder Evangelikale (24 Prozent). Nur wenn man alle Protestanten zusammennimmt, ist diese Gruppe mit über 40 Prozent größer.

Zu diesem Ergebnis kommt eine der umfangreichsten Untersuchungen zu den sogenannten "Nones", die das Pew Research Center kürzlich unter dem Titel "Religious Nones in America: Who they are and what they believe" vorgelegt hat. Demnach werden die Religionslosen "God's Own Country" nachhaltig verändern.

Die USA preschen damit nicht vorneweg. Vielmehr werden sie anderen westlichen Industrienationen immer ähnlicher, so der Befund auf der Basis von mehr als 11.000 Interviews vom Sommer 2023. Die gesellschaftlichen Realitäten entsprechen damit nicht mehr dem Klischee der frommen USA.

Selbstverständnis der "Nones"

Anders als bei früheren PEW-Erhebungen, bei denen der Schwund der christlichen US-Kirchen im Vordergrund stand, liefert die aktuelle Studie Details zum Selbstverständnis der "Nones". Unter diesem Begriff fassen US-Religionsforscher Atheisten, Agnostiker und jene, die sich als "nichts Bestimmtes" verstehen, zusammen. Sie sind vorwiegend jung, divers und definieren sich politisch eher links-liberal.

Kirche in Amerika / © Rolf E. Staerk (shutterstock)

Noch vor 50 Jahren bildeten die Religionslosen mit nur fünf Prozent eine marginale Gesellschaftsgruppe. Aktuell hat sich ihr Anteil fast versechsfacht. Die neuesten Daten lassen auch Rückschlüsse auf den Bildungsgrad dieser heterogenen Gruppe zu. Demnach sind die 17 Prozent der Atheisten und 20 Prozent der Agnostiker im Durchschnitt besser gebildet als die Mehrheit der "Nones", die angeben, "nichts Besonderes" zu sein. Pew kommt zu dem Schluss, dass Atheisten und Agnostiker tendenziell auch politisch gemäßigter sind und weniger feindlich über Religionen denken.

Keine Gottesdienste, dafür Spiritualität

Säkulare Amerikaner sind, trotz ihrer Abkehr von den großen Kirchen, Religionen gegenüber nicht automatisch feindlich gesonnen. Fast sechs von zehn geben an, neben dem biblischen Gott an "eine höhere Macht" zu glauben. Deutlich mehr als acht von zehn "Nones" sind davon überzeugt, auch ohne an Gott zu glauben, moralisch integer zu sein. Zwar besucht kaum einer von ihnen einen Gottesdienst, aber die Hälfte gibt an, spirituell veranlagt zu sein.

Die PEW-Forscher fanden zudem heraus, dass die Ungläubigen wissenschaftlichen Erkenntnissen positiver gegenüberstehen als Menschen, die sich mit einer Religion identifizieren. Dagegen fördert die Studie nur wenig Markantes über das gesellschaftliche Engagement der "Nones" zutage. Es ähnelt dem von Kirchenmitgliedern. Laut Pew wird damit das Klischee korrigiert, wonach Säkularisierung zu weniger sozialem Engagement führt.

Trend im Kontrast zum wachsenden Einfluss der Religionen

Trotzdem könnte die schnell wachsende Gruppe der säkularen Amerikaner das öffentliche Leben langfristig verändern, meint der leitende Forscher der Studie, Gregory Smith. Zumal der Trend in auffälligem Kontrast zum gewachsenen Einfluss der Religion in der Politik steht. Mit Mike Johnson steht ein christlicher Nationalist als Sprecher an der Spitze des US-Kongresses. Dessen Positionen zu gesellschaftlichen Großthemen stehen im krassen Gegensatz zu den Werten der "Nones". Johnson bildet die Speerspitze der christlichen Rechten, die noch nie über so viel Macht in Washington verfügte.

Das Leitmotiv der USA "In God we Trust" (dt. Wir vertrauen auf Gott), das auf jeder Dollarnote steht, spiegelt mehr das alte Amerika und weniger die Gegenwart wider. Das könnte bei den Wahlen im November nach Ansicht von PEW-Forscher Smith Konsequenzen haben. Denn die stark wachsenden "Nones" seien die "konsequenteste Wählergruppe der Demokraten".

Gespeist wird der Boom der Religionslosen durch die "Generation Z". Die unter 25-Jährigen sind nach einer Analyse des "Public Religion Research Institute" ethnisch die vielfältigste US-Generation. Sie haben mit älteren, männlichen und weißen Sozialkonservativen aus Trumps Wählerreservoir nur wenig am Hut. Wie die "Nones" stehen Zugehörige der "Gen Z" mehrheitlich für den straffreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, die klare Trennung von Kirche und Staat, LGBTQ-Rechte ein und entschiedenen Klimaschutz - das Gegenprogramm zu Trumps Republikanern.

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit gehört zu den grundlegenden Menschenrechten. In Deutschland heißt es in Artikel 4 des Grundgesetzes: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich." Die ungestörte Religionsausübung - gleich welcher Konfession - soll ebenfalls gewährleistet sein.

Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. (Open Doors)
Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. ( Open Doors )
Quelle:
KNA