US-Journalistin sieht katholische Wähler gespalten

"Der Kulturkampf spitzt sich zu"

Nach dem "Super Tuesday" scheint es in den USA zu einer Neuauflage des Wahlkampfes Trump gegen Biden zu kommen. Die Katholiken sind dabei wie der Rest des Landes gespalten. Die Journalistin Heidi Schlumpf sieht einen größeren Konflikt.

"Super Tuesday" in den USA / © Eric Gay (dpa)
"Super Tuesday" in den USA / © Eric Gay ( dpa )

DOMRADIO.DE: Nach dem "Super Tuesday" scheint es so gut wie sicher zu sein: 2024 treten erneut Joe Biden und Donald Trump zur Präsidentschaftswahl an. Trump liegt im Moment in den Umfragen vorne und findet auch bei vielen Katholiken Unterstützung. Wie beurteilen Sie das?

Heidi Schlumpf (privat)

Heidi Schlumpf (Senior Correspondent "National Catholic Reporter"): Man muss erst einmal im Kopf behalten, dass es hier um die Zahlen der Vorwahlen geht. Es stimmt, Trump hat haushoch gewonnen. Das betrifft allerdings die Wähler, die sich selbst als Republikaner registriert haben. Es geht hier also um die republikanische Basis. Das heißt nicht, dass er in der Gesamtbevölkerung keine Unterstützung hat. Die hat er und das sehen wir an den Umfragen. Zum Wahltag im November könnte das schon wieder ganz anders aussehen. Im Moment sind beide potentiellen Kandidaten relativ gleich auf, mit einem minimalen Vorsprung für Trump, der in verschiedenen Wählerschichten auch Zugewinne verbuchen kann. 

Mit Blick auf die Katholiken ist die Frage nicht so einfach zu beantworten. Es gibt nicht mehr wie früher den einen großen katholischen Wählerblock. Ich habe auch keine Daten gefunden, wie sich Katholiken in den aktuellen Vorwahlen verhalten. Wir können aber durchaus vermuten, dass es ähnlich wie bei den letzten Wahlen aussieht. Bei den Zwischenwahlen 2022 hat sich gezeigt, dass auch die Katholiken ziemlich genau 50/50 gespalten sind. Es sieht sehr eng aus, genau wie bei der Gesamtbevölkerung. 

Wie es im Moment aussieht, erwarten wir im November eine sehr enge Wahl. Bis dahin kann allerdings noch einiges passieren, besonders da einer der Kandidaten mit 91 Anklagepunkten vor Gericht steht. 

DOMRADIO.DE: Biden ist nach John F. Kennedy erst der zweite katholische US-Präsident, der selbst auch sehr prominent zu seinem Glauben steht. Warum stehen "seine Leute" nicht hinter ihm?

Heidi Schlumpf

"Es gibt grundsätzlich im Moment relativ große Unzufriedenheit mit dem Präsidenten."

Schlumpf: Es gibt ja Leute, die das sehr begrüßen, besonders unter den gläubigen und praktizierenden Katholiken. Er geht regelmäßig zur Kirche und erwähnt auch selbst immer wieder seinen Glaubenshintergrund. Das Problem ist, dass Biden und seine Demokratische Partei einige Positionen haben, die im Konflikt mit der katholischen Lehre stehen; hauptsächlich bei der Frage der Abtreibungen. Ich habe gesagt, dass die Katholiken 50/50 gespalten sind. Diejenigen, die sich als Republikaner identifizieren, benennen Abtreibung als ein besonders wichtiges Thema. Für sie löscht das Bidens Katholizität regelrecht aus. Er mag sich zwar als katholisch bezeichnen, für sie ist er aber kein "echter" Katholik. 

Joe Biden / © Susan Walsh (dpa)
Joe Biden / © Susan Walsh ( dpa )

Das ist aber nicht der einzige Punkt. Es gibt grundsätzlich im Moment relativ große Unzufriedenheit mit dem Präsidenten. Ich glaube, es gab auch nie wirkliche Begeisterung für ihn als Kandidaten. Selbst 2020 haben ihn viele als das geringere Übel betrachtet. Sie haben nicht für Biden, sondern gegen Trump gestimmt. Wer sich für Biden entscheidet, weil er anscheinend die letzte Option zur Rettung eines demokratischen Systems ist, muss noch lange nicht von ihm als Kandidaten begeistert sein. 

Ich persönlich verstehe nicht so ganz, warum so viele Menschen in den USA im Moment so unzufrieden sind. Faktisch bewegt sich seit 2020 vieles in die richtige Richtung. Die Wirtschaft ist auf einem guten Weg, in vielen Bundesstaaten wird groß investiert. Wir dürfen die Rolle der Medien in der Wahrnehmung hier nicht unterschätzen. Das ist an sich nichts neues, wir sind nur inzwischen an dem Punkt angekommen, wo das mediale Bild für die Wähler oftmals eine größere Rolle spielt als ihre alltägliche Lebensrealität. 

DOMRADIO.DE: Sie haben die Abtreibungsdebatte schon erwähnt. In den vergangenen Jahren hat die mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, gerade für Katholiken. Denken Sie, das Thema wird am Ende die Wahl entscheiden?

Heidi Schlumpf

"Stehen wir für ein christlich-konservatives Wertebild oder nicht? Darum geht es am Ende doch wirklich."

Schlumpf: Das ist im Moment eine ungewöhnlich spannende Frage. Jahrzehntelang war das das große Reizthema, mit dem die Republikaner versucht haben, die Menschen, Konservative, weiße Evangelikale und auch die Katholiken an die Wahlurnen zu bekommen. Jetzt ist es nicht so, dass diese Wähler sich nicht mehr für das Thema interessieren würden. Sie haben aber quasi ihr Ziel jetzt schon erreicht, da nun das Grundsatzurteil "Roe v. Wade", das bundessweit ein Recht auf Abtreibungen festgeschrieben hat, revidiert wurde. Jetzt fällt es den Republikanern mehr und mehr schwer, dieses Thema wahltechnisch für sich auszunutzen. Bei Wahlen auf den unteren Ebenen in den letzten Jahren haben sich die Wähler zum großen Teil gegen weitere Restriktionen des Rechtes auf Abtreibung ausgesprochen.

Ähnliches sieht man auch an der Reaktion auf das kürzliche Urteil des obersten Gerichtes im Bundesstaat Alabama, das Embryonen als Menschen definiert hat, und dabei auch explizit religiöse Argumentationslinien verfolgt hat. Da gab es große Kritik, auch aus religiösen Kreisen. Selbst Donald Trump hat betont, dass er künstliche Befruchtung nicht als unmoralisch betrachtet. 

Donald Trump spricht während einer Wahlkampfveranstaltung / © Matt Rourke/AP (dpa)
Donald Trump spricht während einer Wahlkampfveranstaltung / © Matt Rourke/AP ( dpa )

Ob es nun um Befruchtung oder Abtreibung geht, wir sehen, dass diese Themen mehr und mehr als Ersatzargumentation für einen größeren Kulturkampf genutzt werden. Stehen wir für ein christlich-konservatives Wertebild oder nicht? Darum geht es am Ende doch wirklich. Bis jetzt war das Thema Abtreibung für die Republikaner die beste Karte in diesem Spiel, das sieht jetzt aber nicht mehr zwangsläufig so aus. Der Kulturkampf wird sich allerdings weiter zuspitzen, davon bin ich überzeugt. 

DOMRADIO.DE: In den vergangenen Wochen haben Trump und die Republikaner vielleicht auch deshalb bei den Katholiken mehr und mehr eine andere Strategie verfolgt. Sie sprechen relativ viel von der religiösen Verfolgung überzeugter Christen und Katholiken. Unter anderem wird angebracht, dass es seit 2020 angeblich über 400 Angriffe auf Kirchen in den USA gab. Ist da was dran? Könnte dieses Strategie aufgehen?

Heidi Schlumpf

"Einige Kreise fürchten, dass ihre Lebensart von früher, das gemütliche Leben für die weiße, konservative Mehrheitsgesellschaft, in Bedrängnis gerät."

Schlumpf: Auf alle Fälle kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass Christen und Katholiken in den USA nicht auf die Art religiös verfolgt werden, wie es in anderen Ecken der Welt aussieht, wo Priester oder Ordensleute um ihr Leben fürchten müssen. Ich würde auch hier sagen, dass das Argument Religionsfreiheit bzw. religiöse Verfolgung eher ein Ausdruck des größeren Kulturkampfes ist. Einige Kreise fürchten, dass ihre Lebensart von früher, das gemütliche Leben für die weiße, konservative Mehrheitsgesellschaft, in Bedrängnis gerät. Da spielen definitiv auch rassistische Untertöne eine Rolle, eine Angst davor, dass es zu einer größeren ethnischen Vielfalt in unserem Land kommt.

Ich will dabei nicht verhehlen: Es gibt Übergriffe auf Kirchen, einige davon sind sicher auch politisch motiviert, aber das wird dann eben für diesen Kulturkampf instrumentalisiert. 

Mir ist es aber auch wichtig zu betonen, dass es auch die andere Seite gibt. Es gibt viele Katholiken, auch Bischöfe, die den unmenschlichen Umgang mit Migranten an der Grenze zu Mexiko kritisieren, Gläubige, die auch immer wieder die Einhaltung der Menschenrechte betonen. Ich denke, dass das bei der Wahl im November auch ein großes Thema wird. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Oberstes US-Gericht öffnet Weg für Abtreibungsverbote

Das oberste Gericht der USA ermöglichte den Bundesstaaten mit einem Urteil von Juni 2022 ein Verbot von Abtreibungen. Die Richter in Washington hoben das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" auf, das im Jahr 1973 Abtreibungen zur Privatsache erklärte. Bisher hatte das Gericht demnach Abbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche für rechtmäßig erklärt.

Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )
Quelle:
DR