Theologin Johanna Rahner beklagt Gottvergessenheit

"Glaubensschwund fast unaufhaltsam"

Viele Menschen halten den christlichen Glauben inzwischen für irrelevant. Gott als "mögliche Realität" werde vergessen, so die Theologin Johanna Rahner. Der Glaube an einen personalen Gott sei der Moderne abhanden gekommen.

Glasfenster mit der Darstellung des Heiligen Geistes als Taube / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Glasfenster mit der Darstellung des Heiligen Geistes als Taube / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Die Tübinger Theologin Johanna Rahner beklagt eine Gottvergessenheit in der heutigen Gesellschaft. Viele Menschen hätten "Gott als mögliche Realität vergessen" und vermissten ihn auch nicht, sagte Rahner am Samstag in Böblingen laut Redemanuskript.

"Der Glaube an einen personalen Gott, der den Menschen als Partner und Du gegenübertritt, der als Herr der Geschichte geglaubt und als Hoffnung jenseits dieses Lebens erwartet wird, scheint der Moderne abhanden gekommen", sagte die katholische Theologin. Die Kirche als Institution stecke in der Krise "und der Glaubensschwund scheint fast unaufhaltsam".

Johanna Rahner, Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen / © Fabian Mondl (KNA)
Johanna Rahner, Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen / © Fabian Mondl ( KNA )

"Pflege der Zeitgenossenschaft"

In der Kirche sei angesichts dieses Befunds eine Haltungsänderung nötig. Kirche müsse offene Räume der Begegnung bieten und mehr zu den Menschen gehen – "raus auf die Straße", empfahl Rahner. Es gelte "neue Geschichten, neue Orte des Glaubens zu entdecken" und zu fragen: "Wo sind die Nöte und Sorgen vor Ort?". 

Eine "rein binnenkirchliche Identitätssuche und -findung" sei künftig deshalb ausgeschlossen. Nötig sei für die Kirche eine "Pflege der Zeitgenossenschaft" und Dialogfähigkeit.

"Was Gott ist, bestimme ich"

Aktuell falle der Glaube bei vielen Menschen entweder einer "postmodern-beliebigen" Haltung nach dem Motto "Was Gott ist, bestimme ich" zum Opfer oder er werde mit einem Achselzucken kommentiert. Im ersten Fall suche man spirituelles Heil in östlichen Religionen, verabschiede sich von einem persönlichen Gott und glaube an ein "Verschwinden im Nirwana" nach dem Tod. 

Im zweiten Fall habe für viele Menschen eine tiefere Dimension menschlicher Existenz in ihrer Alltagserfahrung kaum mehr Platz. Für sie sei der Glaube an Gott schlicht irrelevant geworden.

"Mit und für uns"

Es sei also zu fragen, worum es im Christentum wirklich gehe, sagte die 61-jährige Professorin für Dogmatik. "Der Gott, an den Christinnen und Christen glauben, ist kein transzendenter, absoluter 'Klotz' aus All-Güte, unantastbarer Ewigkeit und über alles erhabener Heiligkeit", sagte Rahner. Der Gott des Christentums sei "mit und für uns", betonte sie. Die Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen sprach bei einer Veranstaltung zum 50-jährigen Bestehen des katholischen Dekanats Böblingen.

Quelle:
KNA