Friedberger Burgkirche zeigt neue Ikonen zur Fastenzeit

"Mr. Clean", "Eat me", "Alles wird gut"

Pfarrer Andreas Hoffmann ist Maler. Indem er orthodoxe Ikonen zitiert und verfremdet, regt er zum Nachdenken über die Passion Christi an. Auch Humor ist im Spiel, wenn er künstlerisch alte theologische Fragen neu stellt.

Ausstellung in der Burgkirche Friedberg präsentiert moderne Ikonen des Künstlers und Pfarrers Andreas Dietrich Hoffmann. / © Andreas Hoffmann (privat)
Ausstellung in der Burgkirche Friedberg präsentiert moderne Ikonen des Künstlers und Pfarrers Andreas Dietrich Hoffmann. / © Andreas Hoffmann ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie stellen sich bewusst in die Tradition der orthodoxen Ikonen, indem Sie sich der klassischen Maltechnik bedienen. Wie funktioniert die? 

Pfarrer Andreas Hoffman / © Andreas Hoffman (privat)
Pfarrer Andreas Hoffman / © Andreas Hoffman ( privat )

Andreas Hoffmann (Pfarrer und Künstler): Das ist eine ganz alte Maltechnik, bei der man auf Holzplatten arbeitet. Kreide und Hautleim werden zu einem Grund gemischt; diesen Grund kann man gut vergolden und polieren mit Polimentvergoldung. Die verschiedenen Pigmente, also die Farbpulver, werden mit Eigelb gebunden, ganz klassisch, so wie wir das vom Kuchenbacken kennen. Denn das Eigelb hat eine große Bindekraft und verleiht große Haltbarkeit. Damit es noch besser hält, wird das Ganze zusätzlich mit einem Öl überzogen. Ikonen werden also geölt und sind in der Folge sehr robust, so dass man sie auch benutzen, zum Beispiel in der Kirche hin- und hertragen kann. So ist es von alters her, so wird es auch heute noch gemacht. 

DOMRADIO.DE:  Sie aber bleiben nicht bei der Reproduktion klassischer Ikonen stehen, sondern schaffen etwas Neues, neue Ikonen. Damit stellen Sie sich gegen das orthodoxe Bildverständnis.

Hoffmann: Ja, denn nach dem orthodoxen Bildverständnis gibt es keine neuen Ikonen. In der Orthodoxie gibt es nicht den Künstler, der etwas Neues kreiert oder entwirft, sondern man kopiert. Man malt klassische Ikonen ein weiteres Mal ab, wieder und wieder. Es gibt klare Bilderwelten, die festgelegt sind. 

Ausstellung in der Burgkirche Friedberg präsentiert moderne Ikonen des Künstlers und Pfarrers Andreas Dietrich Hoffmann. / © Andreas Hoffman (privat)
Ausstellung in der Burgkirche Friedberg präsentiert moderne Ikonen des Künstlers und Pfarrers Andreas Dietrich Hoffmann. / © Andreas Hoffman ( privat )

Ich aber bin zeitgenössischer Künstler, ich habe Kunst studiert und verwende die alte Ikonenmotivik als Zitat. Ich entwickele daraus etwas Neues in die heutige Zeit hinein, mit heutigen Fotos und verbunden mit unserer heutigen Bilderwelt, mit dem, wie wir leben. Das ist natürlich tatsächlich nicht orthodox, das ist eher unorthodox. 

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es, wenn auf einer Ihrer neuen Ikonen der Schriftzug "Eat me" das Haupt Jesu sozusagen krönt? 

Hoffmann: Dieser Christus ist erst einmal ganz klassisch orthodox als Pantokrator dargestellt, als der Erhöhte, der Weltenherrscher. Die Aufforderung "Iss mich" ist natürlich ein Verweis auf das Abendmahl. Denn da sagt Jesus ja: "Das ist mein Leib." Wenn wir genauer darüber nachdenken, ist das eine ziemlich schwierige, theologisch gesehen aber auch sehr interessante Angelegenheit.

Erst einmal können wir das ganz biologisch verstehen. "Das ist mein Leib" - wenn wir das zu dem sagen, was wir wirklich essen, ist es einfach wahr. Weil das, was wir essen, zu unserem eigenen Leib wird und was wir trinken als Flüssigkeit in unser Blut kommt. Aber natürlich hat dieses Wort Jesu "Das ist mein Leib" ganz schillernde und verschiedene Bedeutungen, die sich auf das Leiden Jesu beziehen, das wir in der Passionszeit bedenken. 

Im Ökumenischen haben wir genau über diese Fragen eine große Diskussion.  Auf Lateinisch heißt "Das ist mein Leib" ja "Hoc est corpus meum", woraus sich das deutsche Wort "Hokuspokus" ableitet. Ganz kurz zusammengefasst bezeichnet die protestantische Kritik es als "Hokuspokus", dass die Wandlung tatsächlich stattfindet, so wie es die katholische Lehre besagt. Andererseits wird das evangelische Abendmahl von katholischer Seite nicht anerkannt, was ich sehr schade und traurig finde. Ich hoffe, dass wir irgendwann in absehbarer Zeit gemeinsam Abendmahl werden feiern können. 

DOMRADIO.DE: Auch diese Bedeutungsnuance schwingt also mit bei Ihrer Ikone "Eat me". Ein weiteres Exponat in der Burgkirche zeigt Johannes den Täufer ebenfalls in ikonenhafter Darstellung mit der plakativen Beschriftung "Mr. Clean". Ist das auch witzig gemeint?  

Andreas Hoffmann

"Alles, was ich mache, hat auch mit Humor zu tun. Humor regt an, die Dinge ein bisschen leichter zu nehmen," 

Hoffmann:  Ja, alles, was ich mache, hat auch mit Humor zu tun. Humor regt an, die Dinge ein bisschen leichter zu nehmen, auch wenn es sich um schwierige Themen handelt. Mit Humor lässt sich besser mit schwierigen Fragen umgehen, erst einmal darüber nachdenken und am Ende vielleicht sogar eine andere Perspektive darauf finden. 

"Mr. Clean" ist ein Begriff, den wir heute in der Werbesprache benutzen könnten – "Mr. Clean Reinigungsservice" zum Beispiel. Tatsächlich hat Johannes der Täufer die Menschen sozusagen von der Sünde gereinigt, indem er sie im Jordan getauft hat. Im Judentum gibt es die Mikwe. Bis heute ist dieses Tauchbad im spirituellen Sinn ein Reinigungsbad. 

Wir haben daraus die christliche Taufe entwickelt, die eine Einmaligkeit behauptet. Denn wenn man einmal getauft ist, ist das sozusagen für immer gültig als Reinigungsritual. Darüber können wir theologisch lange nachdenken. Wir können aber auch ganz einfach überlegen: "Was bedeutet das für die Taufpraxis in meiner Gemeinde? Was bedeutet es, dass ich getauft bin?" Das Bild kann also viele Anregungen geben. 

DOMRADIO.DE:  Sie stellen eine weitere Jesus-Ikone mit der Schlagzeile "Alles wird gut" aus - und zwar in dreifacher Ausführung mit jeweils unterschiedlich hoch angesetztem Schriftbalken, einmal direkt über den Augen. Was hat es damit auf sich? Ein modernes Heilsversprechen direkt vor Augen? 

Hoffmann: Das ist natürlich die große christliche Hoffnung auf Erlösung: "Alles wird gut". Außerdem zitiere ich die heiligen drei Affen, die im Buddhismus so populär sind:  Drei Affen, von denen sich einer die Ohren, einer die Augen und einer den Mund zuhält. Nach dem Motto: Man soll nichts Böses sagen, nichts Böses hören und nichts Böses sehen.

Das wirft die Frage auf, wie dann alles gut wird. Wie kann das mit Blick auf Jesus und seine Botschaft sein? Denn wir wollen ja eher hinhören, hinsehen und auch sprechen, damit alles gut wird. Deswegen sehe ich bei Jesus eher das Gegenteil der heiligen Affen. Wir wollen schließlich darüber reden, es sehen und auch hören. 

DOMADIO.DE: Auf orthodoxe Christen wirken Ihre Bilder wahrscheinlich provokativ, auf manche evangelische oder katholische vielleicht auch. Das haben Sie sicher einkalkuliert? 

Hoffmann: Ja, aber ich möchte überhaupt nicht provokativ sein. Die Themen sind anregend und natürlich auch aufregend. Über meine Bilder entwickelt sich ein größerer Bedeutungshorizont und da könnte man natürlich sagen,  dass Eindeutigkeit verloren geht. Das steckt in meinen Augen aber ohnehin im Protestantismus. Wir haben schließlich damals in der Reformationszeit gegen die vom Papst festgelegte Eindeutigkeit protestiert. 

Andreas Hoffmann

"Heute ist der Pluralismus im Glauben in allen Konfessionen wichtig.  Dass man miteinander redet, dass man auch demokratisch und vielfältig nachdenken kann, auch über Glaubenssätze und biblisches Zeugnis."

Das gilt natürlich heute nicht mehr in dieser Form, heute ist der Pluralismus im Glauben in allen Konfessionen wichtig.  Dass man miteinander redet, dass man auch demokratisch und vielfältig nachdenken kann, auch über Glaubenssätze und biblisches Zeugnis. Das ist alles nicht so einfach und nicht so eindeutig. Es ist wichtig, dass wir immer mehr Fragen haben als Antworten. 

DOMRADIO.DE: Die Ausstellung "Eat Me" findet bewusst in der Fastenzeit statt. Jeden Donnerstag gibt es in der Burgkirche in Friedberg auch Passionsandachten im Angesicht Ihrer Werke. Welchen künstlerischen Kommentar bieten Ihre neuen Ikonen zur Leidensgeschichte Christi? 

Hoffmann: Das Gesicht Christi steht den Menschen in der Passionszeit sozusagen vor Augen. Es steht ihnen durch die Bilder mit den verschiedenen Fragestellungen vor Augen, verbunden auch mit den Schriftzügen. Am deutlichsten wird das natürlich bei der Christus-Ikone mit dem Schriftbild "Eat me", also "Iss mich". Sie bezieht sich aufs Abendmahl, das im Zentrum der Karwoche steht. Das Abendmahl, bei dem Jesus seinen Tod letztlich zum Ritual macht und mit den Jüngerinnen und Jünger schon ein kleines Gedächtnismahl feiert. 

Wichtig ist mir auch die Ikone, die einen Hirsch zeigt, unter dem "Hubert" steht. Wer genau hinschaut, sieht zwischen dem Geweih des Hirschs ein kleines Kreuz in Gold eingeprägt. Das spielt natürlich auf den heiligen Hubertus an, der den Hirsch verschonte, weil er in der Kreatur, im Tier Christus gesehen hat. 

Da wird die Frage nach der Schöpfung aufgeworfen. Denn wenn wir in der Schöpfung Christus sehen, sind wir natürlich aufgefordert, sie zu schützen, aber auch mitzufühlen und eine Naturverbundenheit durch Spiritualität zu entwickeln. Das, würde ich sagen, ist die Bandbreite von Christus, dem wir im Abendmahl begegnen, dem wir in der Eucharistie begegnen bis hin zu dem Christus, dem wir in der Schöpfung begegnen und der eben auch für Mitgefühl und Leiden steht.

DOMRADIO.DE:  Sie selbst sind Pfarrer der evangelischen Sankt Petersgemeinde in Frankfurt und gleichzeitig freischaffender Künstler. Können Sie über Ihre Kunst Menschen noch einmal ganz anders erreichen und für Glaubensfragen interessieren? 

Hoffmann: Auf jeden Fall ist Kunst wichtig für Kirche. Die Kulturprogramme der Kirchen bringen ganz viele Menschen in die Kirche, die sonst nicht zum Gottesdienst gehen, dann aber vielleicht ein Konzert wie einen Gottesdienst erleben. Neben der Musik kann auch die bildende Kunst dazu anregen, etwas in einen größeren Raum, einen größeren Kontext, auch in einen heiligen Kontext zu stellen: Was ist uns heilig, was ist für uns wichtig? 

Wenn wir auf die Kunst schauen, geht es um Werte, um vieles, was Kirche bedeutet. Letztlich ist die Kunst die Sprache der Religion. Das ist ein Wort von Schleiermacher, einem Theologen der Romantik. Die Kunst war immer an der Seite der Religion und hat symbolisch ausgedrückt, was man sonst eben nicht klar ausdrücken kann. 

Andreas Hoffmann

"Jesus selbst war in einer gewissen Weise mit Kunstformen aktiv, nämlich als Lyriker, der Gleichnisse erzählt hat, der Bildworte erzählt hat".

Ich würde sogar sagen, Jesus selbst war in einer gewissen Weise mit Kunstformen aktiv, nämlich als Lyriker, der Gleichnisse erzählt hat, der Bildworte erzählt hat. Deswegen können wir das, was Jesus erzählt hat, auch immer wieder neu auslegen. Weil es sich eben nicht so einfach deuten und erklären lässt, sondern wir immer wieder neue Deutungsmuster, neue Möglichkeiten entwickeln müssen. Daher ist Kunst so grundlegend für Kirche. 

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Kirche und Kunst

Die Kirche war über Jahrhunderte hinweg die maßgebliche Institution zur Förderung von Kunst und Kultur. Neue Baustile und Techniken fanden meist in Architektur und Ausstattung sakraler Gebäude ihre Erstanwendung. Wenngleich die einstige Monopolstellung nicht mehr in dieser Form vorhanden ist, so legt die Kirche in der sakralen Kunst auch heute noch großen Wert auf Qualität.

Ein Glasfenster des Künstlers Markus Lüpertz in der Kirche Sankt Andreas / © Beate Laurenti (KNA)
Ein Glasfenster des Künstlers Markus Lüpertz in der Kirche Sankt Andreas / © Beate Laurenti ( KNA )
Quelle:
DR