Eine idyllische Wolkenstudie vom frühen Van Gogh, ein lange verschollenes Knaben-Porträt von Lucas Cranach und ein meisterhafter, expressionistischer Campendonk: Die neue Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg bringt für Millionen-Summen gehandelte Meisterwerke aus den verschiedensten Kunstepochen zusammen. Mit einem Haken: Es sind Fälschungen, gefakte Meisterwerke, enttarnt bei Ermittlungen gegen Fälscher, Gutachter und Händler.
Aus den Asservatenkammern ins Museum
Bislang verschwanden solche Werke meist stillschweigend in den Asservatenkammern der auf Kunstbetrug spezialisierten Landeskriminalämter. Nun holt sie der Heidelberger Kunsthistoriker Henry Keazor ins Rampenlicht. "Kunstfälschungen wurden lange tabuisiert. Niemand gibt gerne zu, dass mit gefälschten Werken Millionen gemacht wurden, Experten sich in die Irre führen ließen und Sammler wertlose Bilder kauften. Es gibt aber ein langsames Umdenken. Und unsere Schau will dazu beitragen."
Erstmals geht eine Ausstellung das Phänomen Kunstfälschung umfassend an. Sie zeigt: Fälschungen gab es schon immer - ab dem Moment, in dem Kunst teuer verkauft wurde. Schon in der Antike. Und gefälscht werden bis heute alle Spielarten von Kunst. Die Heidelberger Schau zeigt rund 40 Zeichnungen, Drucke und Gemälde.
Täuschend echt
Zu Beginn des Rundgangs stehen die Fotografien von Maisie Broadhead. Sie spielt mit Doppeldeutigkeiten, indem sie Freunde bat, als Meisterfälscher zu posieren. Am Beispiel der als Original-Van-Gogh auf den Markt gebrachten Wolkenstudie zeigt sich, dass nicht immer eindeutig ist, was wann und warum eine Fälschung ist. "Ursprünglich hat ein unbekannter Künstler das Gemälde nur als Malübung im Stil von Van Gogh gemalt. Eine bis heute übliche Technik an den Kunstakademien. Zur Fälschung wurde es erst, als ein Kunsthändler versuchte, das Gemälde als Original zu verkaufen", beschreibt Keazor.
Herausgefunden hat dies eine Studentin, die das Gemälde an der Uni Heidelberg untersuchen konnte - im Zuge ihrer Ausbildung. High-Tech-Methoden zur Altersbestimmung von Farbpigmenten, Leinwand oder Holzrahmen, stilistische Analyse und kritische Anfragen an die Herkunft des Werks müssen dabei Hand in Hand gehen. Um dies den künftigen Kunstexperten zu vermitteln, hat Keazor eine bundesweit einzigartige Fälschungs-Sammlung aufgebaut. Mit Leihgaben der Landeskriminalämter und aus Privatsammlungen von geprellten Käufern.
Ein von Edgar Mrugalla gefälschter Erich-Heckel-Holzfarbschnitt ist stilistisch-technisch so perfekt, dass er nur als Fälschung aufflog, weil er im Zusammenhang mit anderen Ermittlungen gegen Mrugalla entdeckt wurde. Eine Dali-Grafik fiel auf, weil sie auf Papier gedruckt war, das zu Dalis Lebzeiten noch nicht hergestellt wurde.
Werke von Van Gogh, Rembrandt, Dalí oder Picasso
Ausgestellt sind auch zwei Gemälde von Wolfgang Beltracchi, der jahrelang Millionen mit Kunstfälschungen verdiente. Wohl nur, weil viele Auktionshäuser und Kunstexperten nicht genau genug hinschauten - oder hinschauen wollten, weil sie selbst an den Gewinnen beteiligt waren. Zu sechs Jahren Haft verurteilt, lebt und malt Beltracchi inzwischen in der Schweiz.
"Schon in den 1990er Jahren flog eine Johannes-Molzahn-Fälschung von Beltracchi auf. Allerdings wurde er nicht enttarnt. Wohl auch, weil er inzwischen seinen Namen von Wolfgang Fischer in Beltracchi geändert hatte", sagt Keazor. Insofern sei das in Filmen und Interviews gezeichnete Bild vom genialen Kunstmeisterfälscher schlicht falsch. "Einige Beltracchi-Fälschungen sind richtig gut. Andere aber überraschend schlecht."
Gegenüberstellung von Echt und Falsch
Faszinierend ist, dass die Ausstellung Fälschung und Original gegenüber stellt - beispielsweise Werke von Campendonk, Dali, Heckel und Molzahn.
Leihgaben kamen aus ganz Europa. Für Museumsdirektor Frieder Hepp ein Beleg dafür, dass die Museen das Thema Fälschung nicht länger tabuisieren. "Dann können uns die Fälschungen sogar dabei helfen, besser zu verstehen, was die Originale eigentlich auszeichnet."
Bedenken, mit der Schau künftigen Fälschern Tipps zu geben, haben die Ausstellungsmacher übrigens nicht. Und auch (noch) keine Angst vor der Künstlichen Intelligenz. Eine von einem Algorithmus geschaffene Van-Gogh-Fälschung steht am Ende der Schau.