Was begehrt und sehr teuer ist, wird garantiert gefälscht. Wer im Sommer über Märkte im Ausland geht, kann die It-Pieces an jedem möglichen Stand wiederfinden. Solcher Produktpiraterie Herr zu werden, ist fast ausgeschlossen. Mit ähnlichen Problemen sah man sich im Mittelalter konfrontiert.
Nur ging es nicht um teure Handtaschen, sondern um Papsturkunden mit einem Rechtsinhalt. Diese waren für Personen oder Institutionen so existenziell wichtig wie für manche Menschen Statussymbole.
Authentizität durch Erscheinungsbild
Die Marburger Historikerin und Archivarin Sabine Fees hat nun ein Buch über das päpstliche Corporate Design veröffentlicht. Sie stellt fest, dass im Mittelalter ein korrektes äußeres Erscheinungsbild die Authentizität von Urkunden garantierte. Der Grund: Man wollte dem blühenden Fälschungswesen entgegenwirken.
Das galt ganz besonders für die päpstliche Kanzlei, die, wie die Historikerin erklärt, in ihrer Produktivität unerreicht blieb. Bereits im 13. Jahrhundert erreichte sie nach Angaben von Fees einen Ausstoß von mehreren tausend Urkunden monatlich. Mit der Nachfrage wuchs auch die Attraktivität, Fälschungen zu produzieren.
Innozenz III. besondere Rolle
Eine besondere Rolle kommt nach ihren Erkenntnissen Papst Innozenz III. zu (1198-1216). Bereits zu Beginn seiner Amtszeit sah er sich mit Fälschungen von Urkunden konfrontiert, die im Umfeld der Kurie teils gewerbsmäßig produziert wurden. In einem Rundschreiben an die Bischöfe berichtete er vom Vorgehen der Fälscherbande, deren Produkte in alle Himmelsrichtungen gegangen seien. Um die Fälschungen aufzudecken, ließ er neben seinem echten Siegel, einer Bleibulle, auch ein gefälschtes anhängen.
Siegel waren nämlich ein ganz wesentlicher Teil des päpstlichen Corporate Design, erklärt Fees. Je nach Rechtsinhalt wurde der Urkunde ein Siegel entweder mit einem Hanffaden oder einem Seidenfaden angehängt. Wichtig war auch das Schlussprotokoll einer Urkunde (Eschatokoll) mit seinen verschiedenen Elementen, etwa den Unterschriften von Papst und Kardinälen.
"Anleitung" um Fälschung zu entlarven
Die weiteren Schreiben von Innozenz III. zur Fälscherproblematik lassen erkennen, dass der Papst ein besonderes Interesse an Techniken zur Aufdeckung von gefälschten Urkunden hatte. Der Historikerin und Archivarin zufolge beschrieb er Methoden, die es einem jeden ermöglichen sollten, eine echte von einer unechten Papsturkunde zu unterscheiden. Die päpstlichen Schreiben zur Fälscherthematik seien von den Zeitgenossen umfassend diskutiert und von manchen als Anleitung verstanden worden.
Mit einem in ganz Europa bekannten Corporate Design sollten also Papsturkunden als solche erkennbar und möglichst fälschungssicher sein. Das hat nicht unbedingt geklappt. In ganz Europa kursierten im Mittelalter auch weiterhin Fälschungen aller Art. Die meisten sind vergessen, obwohl sie viel über die Denke der Vergangenheit erkennen lassen. Doch es gibt auch Ausnahmen besonders gelungener Fälschungen, die die Zeit überdauert haben; zum Beispiel im spanischen Santiago de Compostela.
Falsches Heiliges Jahr
In dem damals schon berühmten Wallfahrtsort fühlte man sich, was päpstliche Gnaden anging, zu Beginn des 15. Jahrhunderts abgehängt. Was tun? Vor Ort war auf einmal zu hören: Papst Alexander III. (reg. 1159-1181) habe Heilige Jahre für den Wallfahrtsort eingesetzt, wenn der 25. Juli, der Tag des heiligen Jakobus, auf einen Sonntag fällt. Der Augsburger Historiker Bernhard Schimmelpfennig (1938-2021) entlarvte dies 1978 als Erfindung.
Um 1500 wurde dann eine entsprechende "päpstliche" Urkunde aufgesetzt, um letzte Zweifel zu beseitigen. Die Fälscher orientierten sich an vorliegenden Papsturkunden, um so wenige Fehler wie möglich zu machen. Der Experte Schimmelpfennig hat sie trotzdemgefunden.
Fakt ist also: Mit einer gefälschten Papsturkunde wurde in Santiago de Compostela ein Jubiläums- oder Heiliges Jahr eingesetzt, das bis heute gefeiert wird. Protest aus Rom hat es übrigens nicht gegeben – trotz aller Versuche, Urkunden fälschungssicher zu gestalten.