DOMRADIO.DE: Bedeutet "Evangelisieren", Menschen mit der frohen Botschaft des Evangeliums in Kontakt zu bringen?
Msgr. Georg Austen (Einziges deutschsprachiges Mitglied des Dikasteriums für Evangelisierung und Generalsekretär des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken): Es geht darum, wie durch alle Zeiten hindurch die Frohe Botschaft, also das Evangelium, den Menschen nahegebracht werden kann, damit es sie berührt.
Dabei muss es aber den unterschiedlichen Kulturen zeitgerecht übersetzt werden, damit Menschen merken, dass es auch ihnen etwas zu sagen hat und Bedeutung für ihr Leben hat. Das ist Herausforderung und Chance zugleich.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Aufgabe? Geht es auch darum, zu untersuchen, warum Menschen sich vom katholischen Glauben abwenden?
Austen: Ich glaube, das ist zu kurz gedacht. Meine Aufgabe ist einfach, Berater zu sein. Das Bonifatiuswerk unterstützt Glaubensbrüder und -schwestern, die in Deutschland, in Nordeuropa und im Baltikum in einer Minderheitensituation leben.
Da geht es genau um die Frage, inwieweit man einen Resonanzboden für das Evangelium finden kann, das als Frohe Botschaft über die katholische Kirche hinausgeht. Es geht darum, wie Menschen von dem Glaubenszeugnis anderer berührt werden können, um aus diesem Geist die Welt zu gestalten. Da versuche ich, unsere Erfahrungen einzubringen.
DOMRADIO.DE: Wie kann Evangelisierung denn im 21. Jahrhundert funktionieren?
Austen: Funktionieren kann das gar nicht. Glaube ist zunächst einmal ein Geschenk. Es geht letztendlich darum, dass die Menschen von heute wie zu allen Zeiten in irgendeiner Weise entdecken, dass Gott mit ihrem Leben etwas zu tun hat und dass der Glaube und das Evangelium Orientierung geben können. Es geht darum, dass er mich im Leben berührt.
Mich hat sehr angerührt, als uns Papst Franziskus gesagt hat, das könne nicht nur eine Aufgabe von alten Menschen sein, sondern müsse über die Generationen hinausgehen und dürfe nicht nur ein Theoriegebäude sein. Es muss eine Lebenspraxis haben, die sich in die Familien übersetzt, aber gleichzeitig auch ein Glaubenszeugnis beinhalten.
Dieses Geschenk des Glaubens kann erlebt werden. Man kann ihm nur freiwillig zustimmen und es muss mit dem eigenen Leben zu tun haben.
DOMRADIO.DE: Mit welchen Initiativen lässt sich denn die Weitergabe des Glaubens unterstützen?
Austen: Wir haben im Dikasterium beispielsweise viel über Pilgerorte und Pilgerwege gesprochen, wo geschichtliche Orte quasi erfahren haben, dass Gott dort gewirkt hat. Menschen machen sich auf den Weg und haben nicht nur den Weg unter den Füßen, sondern erleben zudem Gemeinschaft. Sie kommen mit dem Glauben in Berührung und stellen Fragen zu ihrem Leben.
Im Bonifatiuswerk haben wir das Programm "Neue Räume des Glaubens eröffnen". Da kann man die Menschen innovativ in den Lebensfeldern mit dem Evangelium in Berührung bringen, sodass sie neugierig werden und vielleicht einen Resonanzboden finden und mehr nachfragen.
Wenn ich an unser Praktikanten-Programm denke, dann kann ich in anderen Nationen erleben, wie dort die Kirche lebt, wo sie mich berührt und was es mit meinem Leben zu tun haben kann. Dort gibt es sehr viele Dinge aus guter Tradition, aber es müssen auch neue Wege gegangen werden.
DOMRADIO.DE: Die Vorbereitungen für das Heilige Jahr 2025 nehmen im Vatikan volle Fahrt auf. Was bekommen Sie davon mit?
Austen: Die Vorbereitungen nehmen in der Tat Fahrt auf. Dieses Jahr ist das Jahr des Gebetes. Man rechnet mit vielen Millionen Besuchern. In Rom gibt es viele Baustellen. Ich kriege mit, dass viele verschiedene Zielgruppen eingeladen werden. Das Heilige Jahr wird zwar in Rom begangen, es soll aber auch in den einzelnen Ländern eine Auswirkung haben und kann auch dort vorbereitet werden.
Man bereitet sich auch hier auf verschiedene Gruppen vor. Zum Beispiel auf junge Menschen, Polizisten oder auch ältere Menschen. Da hat man schon einiges im Blick. Man versucht einiges vorzubereiten: Ausstellungen, Gottesdienste und auch Pilgerwege. Ich glaube aber, dass man noch nicht ganz genau weiß, was da alles auf Rom zukommt.
Das Interview führte Tobias Fricke.