Drei Gefängnisinsassen erzählen von ihrem Glauben

"Hey, lieber Gott, verzeih mir meine Sünden"

Er bricht ein weil er Schulden hat, sie begeht einen bewaffneten Raubüberfall, er verkauft Drogen und sitzt schon das zweite Mal hinter Gittern. Drei Häftlinge erzählen, wie sie ins Gefängnis und zu Gott gefunden haben.

Autor/in:
Clemens Sarholz
Symbolbild Stacheldraht über Gefängnismauern / © Vadzim Mashkou (shutterstock)
Symbolbild Stacheldraht über Gefängnismauern / © Vadzim Mashkou ( shutterstock )

Es ist falsch Drogen zu verkaufen, Menschen auszurauben, oder einzubrechen. Vor allem nach christlichen Maßstäben. Wir haben Gefängnisinsassen gefragt: "Was bedeutet Ihnen der Glaube?" Hier erzählen drei Menschen ihre Geschichte.

"Man kommt in den Knast als Kleinkrimineller und geht raus mit einem Diplom im Bankausrauben"

Marcel *

In der Bibel, da gibt es ein paar Stellen, die sind ein bisschen schwer zu verstehen. Die muss ich zwei oder dreimal durchlesen. Aber diese eine Stelle, im zweiten Buch Mose, die habe ich direkt verstanden. Da steht was darüber, dass der Herr nicht nur mich bestraft für die Sünden, die ich begangen habe, sondern auch meine Familie, bis ins dritte oder vierte Glied der Familie. Er bestraft nicht nur mich. Als ich diesen Satz gelesen habe, da musste ich erst mal Stopp machen, die Bibel weglegen und den Satz sacken lassen. Meine arme Tochter. Für das, was ich getan habe, soll sie bestraft werden?

Da habe ich angefangen zu beten, ich habe gesagt: "Hey, lieber Gott, verzeih mir meine Sünden". Und dann habe ich angefangen, alles ins Gebet einzuschließen, was ich gemacht habe. Ich zähle dann auch die Sünden auf. Nicht detailliert, aber Einbruch hier, Drogen da und dass ich das sehr bereue. Ich will nicht, dass er diese Last auf den Schultern meiner Frau und meiner Tochter ablässt. Dieser Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hab‘ Angst, sag‘ ich ehrlich, dass meine Sünden meiner Tochter zum Verhängnis werden. Ich glaube nicht, dass ihr was Schlimmes passiert, aber vielleicht wird sie ja gemobbt, weil ich im Gefängnis sitze.

Ich bin ehrlich: Am Anfang, als ich hier reinkam, da habe ich die Bibel nicht gelesen, da habe ich mir noch Kontakte geholt, von den besten Bankautomatensprengern aus Holland, von Leuten, die gut im Einbrechen sind. Es heißt ja, "man kommt in den Knast als Kleinkrimineller und man geht raus mit einem Diplom im Bankausrauben". Hier sitzen so viele Verbrecher, so viel kriminelle Energie auf einem Fleck, das ist wie eine Universität. Aber ich muss immer an meine Familie denken. Irgendwann habe ich die Bibel aufgeschlagen. Und ich habe angefangen zu lesen. Seitdem versuche ich jeden Tag ein paar Seiten zu lesen. Vielleicht hilft mir das, ein besserer Mensch zu werden.

Marcel

"Ich habe gedacht, ich komme hier schnell wieder raus."

Ich habe gedacht, ich komme hier schnell wieder raus. Aber nach so einem Monat realisiert man, dass man im Gefängnis sitzt. Dann hörst du, wie die Türen auf und zu gehen, das Rasseln der Ketten, die Schlüssel, die Mikrophone von den Beamten. Dann merkst du, dass du keine Privatsphäre hast, du hast nur eine Zelle. Und die Tür kann jederzeit aufgehen. An dem Zeitpunkt habe ich angefangen über mein Leben nachzudenken. Man hat hier viel Zeit.

Ich komme aus einem guten Elternhaus. Meine Schwester und mein Bruder studieren sogar. Wir hatten nicht viel Geld, aber alles, was man braucht. Ich habe mit den "Assis" rumgehangen. Also mit den Menschen, die von vielen als "Assis" bezeichnet werden. Dann die ersten Schlägereien, Drogen, Alkohol am Wochenende.

Und dann die ersten Einbrüche: Ich bin in eine Kauffalle reingetappt, habe viele Sachen im Internet bestellt, Schulden gehabt. Am Anfang ging es mir nur um das Geld und ich habe Schmiere gestanden. Irgendwann wollte ich mehr Geld haben, dafür muss man aber mit reingehen in die Geschäfte. Und dann kam auch irgendwann der Kick dazu. Schnell sein und der Nervenkitzel. Wohnhäuser wollte ich nie machen. Ich habe immer gedacht, was wäre, wenn bei meiner Mutter jemand einbrechen würde? Die könnte nie wieder schlafen. Aber Geschäfte sind versichert. Die verlieren kein Geld. So habe ich mir das schön geredet.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann wird mir ganz schlecht. Ich habe Trinkgelddosen mitgenommen. Ich glaube, ich bin kein böser Mensch, aber ich muss immer daran denken, was die Firma mit dem Geld gemacht hätte. Die Kollegen wären vielleicht schön essen gegangen und hätten schöne Erinnerungen gesammelt. Und was habe ich damit gemacht?

Ehering eingeschmolzen

In einer dieser Einbruchnächte war es, als ich meinen Ehering im Auto liegen ließ. Mein Kollege dachte, der Ring sei geklaut. Er hat ihn mitgenommen und einschmelzen lassen.

Dreckiges Geld bleibt nicht, ich sag' es ehrlich. Ich habe meine Freunde und Kollegen eingeladen, habe sie rumgefahren, Klamotten gekauft. Wir waren Eis essen, Kaffee trinken, dann habe ich meiner Frau was Schönes gekauft, oder meiner Tochter. Deswegen ist es auch nicht so leicht, aus der Kriminalität rauszukommen. Gehst du normal arbeiten, bekommst du gerade mal 1.000 Euro als Friseur, wenn überhaupt.

Wenn ich draußen bin, dann brauche ich auf jeden Fall zwei Jobs. Dann bau' ich nicht so viel Mist. Ich habe mir auch vorgenommen, nicht nur hier Demut zu zeigen, ich will wieder häufiger in die Kirche gehen und dankbar dafür sein, dass der Glaube mir hier weiterhilft, wenn ich traurig bin. 

Hier im Knast arbeite ich als Hausarbeiter und Küster bei den Gottesdiensten. Dadurch kam auch mein Wunsch, noch mal richtig zu heiraten, katholisch. Meine Frau ist orthodox und sehr gläubig. Ich denke die ganze Zeit an meine Familie. Hoffentlich geht’s ihr gut. Hoffentlich weinen sie nicht wegen mir. Ich habe immer nur Stress gehabt im Leben.

"Wenn man davon ausgeht, dass der liebe Gott alles erschaffen hat, dann hat er doch auch die schlimmen Dinge geschaffen, oder?"

Gregor *

Als ich das erste mal im Gefängnis saß, habe ich die Gottesdienste nicht besucht. Das ist jetzt etwa 20 Jahre her. Damals habe ich schon wegen Drogen gesessen. Heute bin ich 42 Jahre alt und sitze wieder wegen Drogen. Heute besuche ich die Gottesdienste. Ich höre zu. Ich höre mir die Geschichten an, die vorgetragen werden - von Jesus, der versucht hat, Menschen zu helfen. Ich sehe es nicht so, als wäre er der Sohn Gottes gewesen, der Wunder vollbracht hat. Wenn aber jemand daran glaubt, dann finde ich das gut. Vielleicht findet er dadurch die Kraft, sein Leben gut zu führen.

Ich glaube aber, wenn ich irgendwann vor der Himmelspforte stehe, dann habe ich da ganz gute Chancen – auch wenn ich Drogen verkauft habe. Ich habe den Menschen immer geholfen, wenn sie was brauchten. Einmal war jemand bei mir, der hatte keine vernünftige Kleidung, keine Schuhe. Da habe ich ihm gute Schuhe und Kleider von mir geschenkt. Ich kann mir das nur schwer ansehen, wenn es Menschen nicht gut geht.

Gregor

"Auch die Feuerwehr wollte mich nicht, oder die Polizei, der Zoll oder der Bundesgrenzschutz. Die Kriminellen haben mich genommen."

Eigentlich war es nicht mein Plan, Drogen zu verkaufen. Ich wollte mal zur Bundeswehr, die wollte mich aber nicht, weil ich Epileptiker bin. Auch die Feuerwehr wollte mich nicht oder die Polizei, der Zoll oder der Bundesgrenzschutz. Die Kriminellen haben mich genommen.

Reingerutscht bin ich in die Kriminalität, als ich noch sehr jung war. Mit 14 habe ich das erste mal LSD genommen – Pappen fressen, sagt man dazu, da wo ich herkomme. Ich weiß nicht mehr wie es war, nur dass ein Freund mich gefragt hat, ob ich das ausprobieren will. Klar, sagte ich, wieso nicht?

Mit zwölf oder so, da ist mein Vater nach Brasilien ausgewandert und hat meine Mutter und mich alleine gelassen. Sie musste Geld verdienen und viel arbeiten. So konnte ich schon sehr früh machen, was ich wollte. Ich konnte die ganze Zeit draußen verbringen und nun ja, in dem Alter, da macht man das halt auch.

Das erste Mal im Gefängnis

Ich hatte einen Freund, dessen Vater gerade aus dem Knast gekommen ist. Der konnte gut reden und hatte immer viele Jugendliche und junge Männer um sich herum versammelt - die haben dann kleine Aufträge für ihn erledigt, kleine Drogendeals und solche Sachen. Und so wurde ich zum Kriminellen.

Das erste Mal bin ich ins Gefängnis gekommen, weil sich jemand mein Auto geliehen und jemanden damit entführt hat. Er hat es dabei kaputtgefahren. Ich hatte damit nichts zu tun, das haben mir die Polizei und die Staatsanwaltschaft aber nicht geglaubt. Schlecht war auch für mich, dass sie mich davor mit Drogen erwischt hatten.

Heute bereue ich einiges im Leben. Ich habe das Fachabitur angefangen, weil ich mich verbessern wollte. Aber das habe ich nicht zu Ende gemacht. Ich habe verschiedene Ausbildungen angefangen. Die erste habe ich abbrechen müssen, weil ich einen epileptischen Anfall hatte. Die zweite als Maurer habe ich abgebrochen, weil ich Geld brauchte. Da verdient man ja nichts und ich hatte gerade meinen Sohn bekommen. Heute ist er 16. So habe ich mich mit anderen Jobs über Wasser gehalten und auch so viel verdient, dass meine damalige Frau nicht arbeiten musste. Sie konnte zu Hause bleiben und sich um unseren Sohn kümmern.

Ich weiß noch, als mein Sohn neun Jahre alt war, da wollte ich im Gleisbau arbeiten. Da habe ich zu ihm gesagt: "Weißt du, ich fange da jetzt an, dann sehen wir uns weniger, aber dann verdiene ich auch deutlich mehr. Dann können wir mal in den Urlaub fahren und ich kann dir bessere Sachen kaufen." Und da hat mein Sohn gesagt: "Ja, wieso verdienst du dann nicht einfach weniger und dann sehen wir uns dafür öfter?" Da sagte ich: "Ja, hast eigentlich recht." Das habe ich nur zwei Wochen gemacht und dort habe ich so viel verdient, wie woanders in anderthalb Monaten. Wenn ich hier rauskomme, dann habe ich einen Job in einer Reinigungsfirma. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr mit Drogen zu dealen.

"Wieso bin ich nicht "würdig", dass der liebe Gott zu mir ins Haus kommt?"

Ich habe ja schon gesagt, dass ich jetzt auch in die Gesprächskreise und in die Gottesdienste gehe. Eine Sache im Gottesdienst verstehe ich nicht. Wieso bin ich nicht "würdig", dass der liebe Gott zu mir ins Haus kommt? Dass er "eingeht unter mein Dach"? Ich habe Drogen verkauft und ich habe Sachen gemacht, die verboten sind. Aber wenn man davon ausgeht, dass der liebe Gott alles erschaffen hat, dann hat er doch auch die schlimmen Dinge geschaffen, oder?

Darüber haben wir letztens im Gesprächskreis gesprochen. Über die Geschichte, in der Jesus einen Zöllner trifft und sagt, heute Nacht schlafe ich bei dir und ich esse bei dir und dann werden wir gemeinsam ein Fest feiern und der dann gesagt hat: "Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." 

Ich gehöre nicht dazu. Aber was ist mit den Menschen, die sich an die Gebote und die Gesetze halten und die wirklich frei von Sünde sind? Wieso sind die nicht "würdig"? Aber auch wenn ich das nicht verstehe, ziehe ich auch etwas aus der Geschichte. So wie der Zöllner wieder Gutes tun kann nachdem er schlimme Dinge getan hat, kann ja auch ein Drogendealer wieder zu einem besseren Menschen werden. Dafür ist es ist nie zu spät.

"Wir werden nicht wie Verbrecher behandelt."

Antonia *

Ich bin 25 Jahre alt und habe mit der Kirche und dem Glauben die längste Zeit meines Lebens nicht viel zu tun gehabt. Ich wurde getauft, ja, aber das war's auch. Ich ging nicht zur Kommunion und nicht zur Firmung. Das hatte für mich auch nie was mit dem Glauben zu tun. Ich war immer irgendwie gläubig. Ich war es für mich. Irgendeinen Glauben muss ja jeder haben. Mit 15 habe ich mir selber ein Kreuz auf einen Finger tätowiert, ich habe es aus Dankbarkeit getan. Meine Mutter ist damals dem Tod von der Schippe gesprungen. 

Jetzt, zehn Jahre später, hat der Glaube für mich wieder eine ganze andere Bedeutung bekommen. Ich habe ihn wiederentdeckt, seitdem ich im Gefängnis sitze. Jetzt spielt auch die Kirche wieder eine größere Rolle für mich. Aber wo fange ich an?

Ich bin mir nicht ganz sicher, wann meine Geschichte begonnen hat. Ich glaube, sie begann als ich 15 war. Eigentlich war es ein ganz normaler Abend, als eine Freundin von mir und ich uns getroffen haben. Wir kamen aus einem kleinen Dorf, uns war langweilig, wir wollten was erleben und sind von Zuhause ausgebüxt. Nicht von Dauer, nur, um eine Nacht etwas zu erleben. Wir sind in die nächstgrößere Stadt gefahren, mit dem Zug, liefen durch die Nacht, durch die Stadt, durch die Straßen, durch die dunkelsten Ecken einer Großstadt. Alles war aufregend.

Es gab Schweigegeld

Dann plötzlich hielt neben uns jemand an. Wir haben uns mit ihm unterhalten. Wir waren naiv. Er war nett zu uns, hat uns einen schönen Abend versprochen und wir sind bei ihm eingestiegen. Dann sind wir irgendwo gelandet. Ich weiß nicht mehr, wohin er uns gebracht hat. Ich weiß nur noch, dass wir in einem Zimmer waren. Dort waren Männer. Sie haben Dinge mit uns getan, über die ich niemals mehr gesprochen habe. Meine Freundin und ich haben gesagt, wir werden nie wieder darüber sprechen. Sie haben uns sogar Schweigegeld dafür gegeben. Drei Abende waren wir mit ihm unterwegs.

Dann hat es angefangen mit den Drogen und dem Alkohol. Was geschehen ist, wollte ich verdrängen. So habe ich angefangen, die Dinge mit mir selbst auszumachen. Natürlich habe ich mich auch geschämt. Wie kann man nur so dumm sein? Ich dachte, ich sei erwachsen. 

Und er, der Mann, der uns in diesen Raum gebracht hat, wusste, wo wir wohnen. Er hat uns gedroht. Er drohte, dass unseren Familien etwas passieren würde, wenn wir den Mund aufmachen. Wir sprachen nicht darüber. Irgendwann habe ich die Sache so weit hinter mich gebracht, dass ich mein Leben wieder auf die Reihe kriegte. Mit 17 bin ich dann von Zuhause ausgezogen, habe im Altenheim als Pflegerin gearbeitet und meine Ausbildung gemacht.

In Drogen und Alkohol verloren

Im letzten Jahr ging meine Beziehung in die Brüche, nach vier Jahren. Als es zu Ende ging, war ich oft unterwegs. Wollte das Leben genießen, feiern, die Beziehung hinter mich bringen. Wie das halt so läuft nach Trennungen. Ich war häufig unterwegs. In der gleichen Stadt, in der ich mit 15 mein Trauma erlebt habe. 

Und irgendwann traf ich ihn zufällig wieder in einer Bar. Er stand hinterm Tresen. Er hat mich erkannt und angelächelt. Er kam zu mir. Er hat versucht, mich zu küssen und gesagt: "Du weißt, was damals passiert ist. Du solltest besser nicht darüber reden. Es könnte wieder passieren". Ich hatte Angst. Ich habe getan, was er wollte. Ich wollte ihn als Freund haben, nicht als Feind. Ich sollte ihm schöne Frauen in den Club locken. Ich dachte mir: Da ist ja nichts bei. Ganz schnell war ich wieder beim Kokain gelandet und beim Alkohol, in dem ich mich verloren habe.

Irgendwann ist ein Brief zu mir ins Haus geflattert. Mietschulden. Meine Mitbewohnerin hat mir gesagt, dass wir ein paar Monate im Rückstand stehen. Ich weiß nicht, wie das passiert ist. Es ging um 1.600 Euro. Ich hatte das Geld nicht. Ich wusste nicht, woher ich es nehmen sollte und ich wollte meine Wohnung nicht verlieren. Ich bin zu dem Mann gegangen, habe ihn gefragt, ob er mir helfen kann. Ich wusste, dass er viel Geld hat.

Antonia

"Ich nahm seine Drogen; ich half ihm, Frauen in den Club zu ziehen. Ich tat, was er wollte."

Er sagte, er hat es nicht. Aber er sagte, dass er jemanden kennt, den man abziehen kann. Und ich habe mich darauf eingelassen. Heute weiß ich nicht mehr genau, wieso. Ich hatte Angst meine Wohnung zu verlieren, ich hatte Angst vor ihm, ich hatte Angst um meine Familie, dass er ihr was antut. Ich war ihm völlig ausgeliefert. Und ich hatte Angst ihn anzuzeigen, zur Polizei zu gehen. Irgendwie war ich ja jetzt so etwas wie eine Mittäterin. Ich nahm seine Drogen, ich half ihm, Frauen in den Club zu ziehen. Ich tat, was er wollte.

Und dann kam der Abend. Ich ging zu dem Ort, wo wir den Kerl abziehen wollten. Ich wusste, da würden noch andere dabei sein. Ich habe sie dort gesehen. Menschen mit Sturmhauben und ich habe was Längliches gesehen. Ein Stab? Ein Stock? Erstmal wusste ich es nicht. In den Polizeiunterlagen steht, es sei ein Baseballschläger gewesen. 

So ist es ein bewaffneter Raubüberfall mit einer Bande gewesen. Wir holten sein Geld und hauten ab. Ich kam davon, die anderen sind in der Nacht von der Polizei angehalten worden. Sie haben das Geld, die Sturmhauben, den Baseballschläger entdeckt. Der Fahrer hatte Drogen intus, so hat die Polizei die Leute mit auf die Wache genommen.

Zwei Jahre und neun Monate

Mich haben sie am Tag danach in der Wohnung abgeholt. Seitdem sitze ich im Gefängnis. Über fünf Jahre sollte ich eigentlich bekommen. Der Anwalt hat zwei Jahre und neun Monate rausgeholt. Acht Monate sitze ich schon in Haft.

Hier im Gefängnis habe ich wieder begonnen Gottesdienste zu besuchen. Und auch die Gesprächskreise mit der Gefängnisseelsorgerin. Da kann jeder sein Herz ausschütten ohne verurteilt zu werden. Da fühle ich mich nicht allein. Da fühle ich mich wieder stark. In den Gottesdiensten habe ich das Gefühl: "Hier bin ich sicher". 

Die Seelsorger richten nicht über uns. Wir werden nicht wie Verbrecher behandelt. Das ist schön. Ich fühle mich wahrgenommen und wie ein Mensch, der ist, wie alle anderen auch. Ich weiß, dass ich nicht wie alle anderen bin. Ich habe etwas Schlimmes getan. Auch wenn ich furchtbare Angst hatte, dass mir, meinen Freunden oder meiner Familie etwas passiert. Ich hätte zur Polizei gehen müssen. Heute stehe ich zu dem, was ich falsch gemacht habe. Und das werde ich auch weiterhin tun.

Der Glaube und auch das Gemeinschaftsgefühl im Gottesdienst geben mir das Gefühl aufgefangen zu werden. Wir alle machen Fehler. Meine waren groß. Ein Stück weit bin ich sogar dankbar, dass ich hier drinnen gelandet bin. Ich spreche über meine Probleme, über das, was mir passiert ist. Wäre ich nicht hier gelandet, weiß ich nicht, wie ich aus dieser Abwärtsspirale rausgekommen wäre.

* Der Name der Protagonist:innen wurde geändert, da er oder sie Nachteile befürchtet

Quelle:
DR