Vatikangefängnis bietet Platz für nur drei Verurteilte

Wohin mit sieben Häftlingen?

Im Vatikan sind sieben Angeklagte wegen krimineller Finanzdeals zu Haftstrafen verurteilt worden - darunter erstmals ein Kardinal. Doch im kleinsten Staat der Welt gibt es gar kein richtiges Gefängnis.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
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Insgesamt 37 Jahre Haft wegen krimineller Millionendeals: Das Urteil im größten Finanzprozess in der Geschichte der katholischen Kirche hat im Vatikan eingeschlagen wie eine Bombe.

Mit derart strengen Strafen hatten nur wenige Prozessbeobachter gerechnet. Zu den Verurteilten zählt erstmals auch ein Kardinal. 

Angelo Becciu (75) soll fünf Jahre und sechs Monate hinter Vatikan-Gitter. Ob das tatsächlich passieren wird, ist allerdings fraglich.

Einspruch gegen Entscheidung des Vatikangerichts

Zum einen haben Beccius Anwälte bereits angekündigt, dass sie Einspruch gegen die Entscheidung des Vatikangerichts unter Vorsitz von Richter Giuseppe Pignatone einlegen werden. Bis es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt, könnten viele Jahre vergehen. Zum anderen sprechen ganz praktische Gründe gegen eine tatsächliche Inhaftierung aller sieben Verurteilten auf Vatikan-Gebiet: Im kleinsten Staat der Welt gibt es gar kein richtiges Gefängnis. Zur Verfügung stehen lediglich drei kleine Zellen, die in den vergangenen Jahren zwar häufiger, aber immer nur für recht kurze Zeiträume genutzt wurden.

Prominentester Fall war der frühere Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele. Im sogenannten "Vatileaks"-Fall hatte er vertrauliche Unterlagen vom päpstlichen Schreibtisch weitergegeben.

Das Vatikan-Gericht verurteilte ihn im Oktober 2012 zu 18 Monaten Haft, die er in einer Vatikan-Zelle verbringen sollte. Benedikt begnadigte Gabriele allerdings kurz vor Weihnachten, so dass sein früherer Vertrauter tatsächlich nur 59 Tage einsaß.

Drei Zellen im Gebäude des Gendarmeriekorps

Die drei Zellen befinden sich im Gebäude des Gendarmeriekorps der Vatikanstadt. Zu Ausstattung und Bequemlichkeit gibt es unterschiedliche Aussagen. Es fehlen so selbstverständliche Dinge wie eine Gefängniskantine. Eine Langzeitinhaftierung scheint auch aus solchen Gründen kaum möglich.

Zu den Vatikan-Zellen gibt es aber eine Alternative: Der Heilige Stuhl kann seine Verurteilten auch in italienischen Gefängnissen einsperren lassen - allerdings auf eigene Kosten. Das ist in einem völkerrechtlichen Vertrag von 1929 geregelt, dem Lateranvertrag.

Darin steht auch, dass Kriminelle, die im Vatikan eine Straftat begangen haben und dann auf italienisches Territorium fliehen, vor ein italienisches Gericht müssen. Der Vatikanstaat verpflichtet sich zudem, Verbrecher an Italien auszuliefern, die dort straffällig geworden sind und sich dann hinter die Vatikanmauern retten wollen.

Ein bekanntes Beispiel für diese Zusammenarbeit ist der Fall des türkischen Rechtsextremisten Mehmet Ali Agca. 1981 schoss er auf dem Petersplatz Papst Johannes Paul II. nieder. Verantworten musste er sich vor einem italienischen Gericht, das ihn zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte. Johannes Paul II. besuchte ihn zwei Jahre später in seiner Zelle im römischen Gefängnis Rebibbia. Im Jahr

2000 begnadigte ihn Italiens damaliger Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi - auf Bitten des Papstes.

Mehrere Verurteilte werden Einspruch einlegen 

Im Finanzprozess werden wohl mehrere Verurteilte Einspruch einlegen.

Die einzelnen Strafen könnten sich also in einer höheren Instanz verringern. Sinkt ein Urteil am Ende auf maximal zwei Jahre Haft, kann der Vatikan-Richter die Strafe zur Bewährung auf fünf Jahre aussetzen. Das sehen das vatikanische Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung vor. Auch so könnte eine Überbelegung der Haftzellen vermieden werden.

Für Becciu hatte der Finanzskandal, der zu den Urteilen führte, ohnehin bereits einschneidende Folgen. Papst Franziskus entzog ihm

2020 die wesentlichen Kardinalsrechte. Auch wenn er den Titel weiter führen darf - der Sarde wird kein Kurienamt mehr bekleiden und auch bei einer Papstwahl keine Stimme abgeben können. Ob er nach einer rechtskräftigen Strafrechtsverurteilung in einer Vatikan-Zelle oder in einem italienischen Gefängnis landet, wird sich vermutlich erst in einigen Jahren zeigen.

Quelle:
KNA