DOMRADIO.DE: Wie war das für Sie als blinde Frau auf dem Jakobsweg? Was haben Sie zum Beispiel von der Landschaft um Sie herum mitbekommen?
Nina Odenius (Journalistin): Es war für mich eine tolle Erfahrung und auch eine neue Erfahrung, weil es ehrlich gesagt meine erste Pilgerreise war. Ich empfand es als Herausforderung, jeden Tag diese Strecke zu meistern, denn wir hatten so ungefähr 20 Kilometer jeden Tag zu gehen. Da muss man eine gute Kondition haben. Mich hat es auch begeistert, einfach in der Natur zu sein.
Wir hatten von strömendem Regen bis Wind und schöner Sonne alles dabei. Durch den vielen Regen gab es dann auch viele Wasserfälle und Bäche, die da geflossen sind. Das fließende Wasser bildete immer das Grundrauschen der ganzen Woche, weil man immer irgendwo Wasser hatte. Das fand ich sehr schön.
Ich fand es auch sehr schön, dass wir auch oft durch Wälder gelaufen sind. Da gab es natürlich viel Vogelgezwitscher. In Galizien wachsen auch ganz viele Eukalyptusbäume, was ich vorher nicht wusste. Da riecht dann auch alles nach Eukalyptus. Das ist wirklich eine ganz tolle Sache.
DOMRADIO.DE: Sie haben die Landschaft mit den anderen Sinnen wahr- und aufgenommen. Sind Sie eigentlich alleine gewandert oder hat Sie da jemand geführt?
Odenius: Wir sind immer in kleinen Gruppen gelaufen. Man hätte auch die Möglichkeit gehabt, alleine zu laufen, aber das ist für mich natürlich nicht so praktisch. Wir haben am Vorabend jedes Tages immer in der Gruppe besprochen, wer mich am nächsten Tag begleiten möchte. So habe ich den Weg mit verschiedenen Frauen absolviert. Das war auch für diejenigen eine neue Erfahrung, die mit mir unterwegs waren, wie meine Mitpilgerin Nicola Löffler sicherlich bestätigen kann.
Nicola Löffler (Pilgerin): Wir haben uns gegenseitig was zugetraut. Wir haben uns vertraut und wir sind zusammen den Weg gegangen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich sehe seitdem vieles mit ganz anderen Augen. Ich habe auf der Etappe mit Nina wie auch an den anderen Tagen, als ich in anderen Konstellationen unterwegs war, gemerkt, wie sich das Tag für Tag auch unter uns Pilgerinnen entwickelt hat und jede die Wege anders erlebt hat.
DOMRADIO.DE: Gab es denn besondere Herausforderungen unterwegs?
Odenius: Auf jeden Fall. Man muss sagen, dass der Jakobsweg an der Stelle schon gut ausgebaut ist. Es gibt viele asphaltierte Wege mit wenig Steigungen. Man kann das schon gut laufen. Aber es gibt doch einige Stellen, die ziemlich unwegsam sind, wo wir dann über Wurzeln und Steine klettern mussten sowie teilweise durch kleine Bäche waten mussten, die durch den Regen entstanden sind.
Da waren wasserfeste Wanderschuhe gefragt. Teilweise war es auch für meine Führerinnen eine Herausforderung, mich da richtig über diese Steine zu lotsen, denn mit einem falschen Schritt stand man tief im Wasser. Da mussten wir schon mal überlegen, wie man den Fuß richtig auf welchen Stein setzen muss. Aber das hat auch das Gruppengefüge gestärkt, weil wir als Team unterwegs waren.
DOMRADIO.DE: Was war für Sie das Highlight der Reise?
Odenius: Für mich war das Highlight das Ziel Santiago de Compostela. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, die letzten Kilometer mit dem Bus zu pilgern, weil es insgesamt 117 Kilometer waren, die wir in der Woche gelaufen sind.
Ich wollte einfach die Stadt erleben. Ansonsten sind wir jeden Tag gepilgert und haben abends im Hotel gut gegessen und geschlafen und sind am nächsten Tag wieder aufgestanden und weitergegangen.
Mir war es wichtig, von dieser Stadt etwas mitzubekommen. Dadurch hatte ich mit einigen Frauen, die das auch gemacht haben, sehr viel mehr Zeit in der Stadt als unsere Mitpilgerinnen. Wir haben ausgiebig die Kathedrale besucht und Kerzen angezündet.
Ich habe die Figur des Heiligen Jakobus angefasst und auch die Hand auf seine Schulter gelegt. Das macht man, um seine Lasten dem Jakobus zu übergeben.
Wir haben auch eine Pilgermesse besucht. Das war für mich eine ganz wichtige Sache, um auch ein bisschen was von der Stadt und von der spanischen Kultur mitzuerleben.
Das Interview führte Hilde Regeniter.