Kardinal Woelki feiert Pontifikalamt zum Palmsonntag

"Aufgerufen zu Wachsamkeit und Widerstand"

Am Palmsonntag gedenkt die Kirche des Einzugs Jesu in Jerusalem auf einem Esel. Gefeiert wird er wie ein König, doch seine Insignien sind Gewaltlosigkeit, Demut und Frieden. Trotzdem wird er nur wenige Tage später hingerichtet.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Die meisten Gottesdienstbesucher halten an diesem Morgen bereits kleine Buchsbaumzweige in den Händen, als die Messdiener mit dem palmgeschmückten Vortragekreuz die feierliche Prozession der Bonner Seminaristen und des Domkapitels mit dem Kölner Erzbischof anführen und in die Kölner Minoritenkirche, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom, einziehen. Denn hier beginnt traditionell die Feier zum Palmsonntag – lateinisch: Dominica in Palmis de passione Domini. Andere greifen in die aufgestellten Körbe und binden sich einen kleinen Strauß aus dem bereit stehenden Grün zusammen – vereinzelt sogar mit einer mitgebrachten roten Schleife. Denn festliches Rot, die symbolische Farbe für Blut, tragen heute auch alle Priester.

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Die Liturgie beginnt mit der Palmenweihe und dem Evangelium, das vom umjubelten Einzug Jesu auf einem Esel in die Stadt Jerusalem berichtet – und von den Hosianna-Rufen, mit denen die Menschen ihre Freude über die Ankunft des Messias zum Ausdruck bringen, ihm ihre Kleider zu Füßen legen oder mit Palmzweigen zuwinken: "Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!" 

Palmen als Zeichen des Sieges

Kardinal Woelki erinnert daran, dass die Fastenzeit zur Bekehrung der Herzen und zur tätigen Nächstenliebe einlädt. Dann segnet er die im Altarraum aufgestellten Körbe voller Buchsbaumzweige und besprengt sie mit Weihwasser. Später werden sie in der Prozession zum Dom als "Zeichen des Lebens und des Sieges" mitgetragen, um im Anschluss mit nach Hause genommen und dort ans Kreuz in den eigenen Wohnräumen gesteckt zu werden. Der Symbolgehalt zielt darauf ab, Jesus als Gegenbild zu einem machtvollen Herrscher mit Waffengerät und Kriegswagen zu zeigen; als einen, der seine Anhänger nicht durch politische und militärische Macht für sich gewinnt, sondern Friedenskönig sein will.

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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 In seiner Begrüßung lädt Rainer Maria Kardinal Woelki alle Gläubigen, die eigens vorab in die Innenstadtkirche am Kolpingplatz gekommen sind, um sich später der von einer Blaskapelle begleiteten Prozession anzuschließen, dazu ein, "mit der ganzen Kirche in die Feier der österlichen Geheimnisse unseres Herrn einzutreten". Zuvor hat er erklärt, dass der Palmsonntag den Beginn der Karwoche und somit des Leidens und Sterbens Jesu markiert. Jesus sei in Jerusalem eingezogen, um Leiden und Tod auf sich zu nehmen, aber auch um von den Toten aufzuerstehen. "Mit unserem Glauben und innerer Hingabe begehen wir das Gedächtnis seines Einzugs. Wir folgen dem Herrn auf seinem Leidensweg und nehmen teil an seinem Kreuz, damit wir auch Anteil erhalten an seiner Auferstehung und seinem Leben", formuliert der Erzbischof. 

Schilderung der Leidensgeschichte

Im Zentrum der Domliturgie, die musikalisch von Mitgliedern der Domkantorei unter der Leitung von Joachim Geibel gestaltet wird, steht dann das Passionsgeschehen nach dem Evangelisten Markus. Eindringlich berichten Diakon Thorsten Giertz, Lektorin Dinah Breithaupt und Dompropst Guido Assmann in der Rolle des Christus von den letzten Stunden vor Jesu Tod: von der Gemeinschaft der Jünger beim Paschamahl, der Gefangennahme, der Verleugnung durch Petrus, von dem Verhör vor dem Hohen Rat, der Verhandlung vor Pilatus und schließlich der Kreuzigung. 

Wie schnell trotz zunächst großer Zustimmung und Begeisterung die Stimmung kippen und sich ins Gegenteil verkehren kann, macht Kardinal Woelki in seiner Predigt deutlich. Aus dem anfänglichen Jubelruf Hosianna, mit dem die Menschen damals den Einzug Jesu in Jerusalem begleitet hätten, sei schon wenige Tage später ein "Kreuzige ihn" geworden, stellt er fest. Diese Losung einiger weniger habe ausgereicht, um die Menge aufzuwiegeln und den Tod Jesu zu fordern. "Noch ehe der Richter gesprochen hat, wird er damit zur Exekution gezwungen."

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Auch heute gibt es diese Losungen, diese Parolen, die Schlagzeilen, die Schlagworte, von wenigen in die Welt gesetzt, aber von vielen gedankenlos nachgesprochen."

Menschen ließen sich von Losungen, von Parolen betören, analysiert der Erzbischof im Weiteren nüchtern. "Sie lassen sich von Schlagworten gefangen nehmen. Sie hören gewissermaßen auf zu denken. Sie reden und tun, was die anderen reden und was die anderen tun." Und das nur, weil es andere auch täten. "Aus diesem Grund wird mitgemacht: auch Unsinn, auch Unrecht, auch Verbrechen." Solches Mitläufertum gebe es bis in die heutigen Tage hinein, warnt er. 

Wörtlich sagt der Kardinal: "Auch heute werden entsprechende Klischees kreiert. Auch heute gibt es diese Losungen, diese Parolen, die Schlagzeilen, die Schlagworte, von wenigen in die Welt gesetzt, aber von vielen gedankenlos nachgesprochen und nachgeahmt." Ganz nach dem Motto: Wenn es andere auch so sagten, müsse es ja wohl stimmen. Damit, gibt Woelki zu bedenken, tauche man in der Menge unter und überlasse dabei das Denken und die Verantwortung anderen. "Die Wahrheit aber", so der Kardinal, "unterscheidet sich in der Regel von Schlagworten, mit denen man die Wahrheit totschlagen möchte".

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Der Palmsonntag zu Beginn der Heiligen Woche rufe daher zu Wachsamkeit und zu Widerstand auf: sich eben nicht von Klischees, Losungen, Parolen und Schlagworten, die die Runde machten, vereinnahmen zu lassen – weder im Denken noch im Lebensstil. Unmissverständlich formuliert der Erzbischof: "Wir sind nicht verpflichtet, mit einer Mehrheit mitzumachen. Im Gegenteil: Oft erweist sich der schwerere Weg als der richtige. Als richtig und wahrhaftig zeigt sich fast immer das Unzeitgemäße, nicht ein Konformismus."

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Unser Hosianna ist nicht Losung, nicht Parole, nicht Schlagwort, sondern ein Bekenntnis unserer Treue zum Herrn."

Die Aufgabe eines Christen sei, mit Jesus zu gehen. "Unser Hosianna ist nicht Losung, nicht Parole, nicht Schlagwort, sondern ein Bekenntnis unserer Treue zum Herrn." Was das wert sei, müsse sich im Alltag zeigen: "in unserer konkreten Christusnachfolge, in unserer Liebe und Treue zu ihm und zu seiner Kirche. Unser Hosianna am heutigen Palmsonntag will in sofern nichts anderes sein, als Ausdruck dieser unserer ungebrochenen Treue zu ihm. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger."

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Palmsonntagskollekte für das Heilige Land

In den Fürbitten wird für die Menschen und einen gerechten Frieden im Heiligen Land gebetet. Auch die Kollekte am Palmsonntag ist traditionell für die dortigen Christen bestimmt und steht in diesem Jahr unter dem Motto: "Mittendrin – Barrieren überwinden". Eindringlich bittet Woelki um ein "großherziges Opfer" und berichtet kurz von seinen Eindrücken, die er bei seiner jüngsten Reise ins Heilige Land vor drei Wochen sammeln konnte, als er dort die christlichen Gemeinden besucht hat, die "in großer, großer Not" lebten, wie er schildert. Viele würden sich aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit allerdings zunehmend mit dem Gedanken tragen, das Land zu verlassen. Woelki, der Präsident des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande ist, betont: "Wir brauchen den Mut der Christen, die in Palästina ihren Glauben leben und unserer Solidarität – und nicht nur der finanziellen – bedürfen." 

Einladung zu einem geistlichen Weg

Vor dem Schlusssegen, den er gemeinsam mit den Weihbischöfen Steinhäuser, Schwaderlapp und Puff spendet, lädt der Kardinal die Gläubigen im Kölner Dom abschließend zum einem "geistlichen Weg" in der Heiligen Woche ein; dazu, "den Herrn nach Golgota hinauf zu begleiten" und das Sakrament der Beichte zu empfangen, "auf dass Ostern wirklich ein Fest der Freude und der Begegnung mit dem Auferstandenen wird".

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Wie eng am Palmsonntag Freude und Trauer, Jubel und Klage – das Hosianna und das "Crucifige" beieinander liegen, zeigt schließlich noch einmal der Gemeindegesang am Ende einer durchweg bewegenden Liturgie. Denn beherzt erklingt in der dicht besetzten Kathedrale noch einmal ein letzter, wie befreit wirkenden Jubelruf der vielen Mitfeiernden: "Der König siegt, sein Banner glänzt, geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz…"

Quelle:
DR