Kirchen in Fulda bietet ökumenische Fußwaschung "to go" an

"Sensibilität für Glaubensdinge bekommen"

Nach dem Vorbild Jesu waschen am Gründonnerstag Seelsorgerinnen und Seelsorger der evangelischen und katholischen Kirchen in Fulda den Menschen in der Fußgängerzone die Füße. Was will diese "Ökumenische Fußwaschung to go" erreichen?

Autor/in:
Elena Hong
Fußwaschung an Gründonnerstag / © Adelaide Di Nunzio (KNA)
Fußwaschung an Gründonnerstag / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )

DOMRADIO.DE: Vor dem letzten Abendmahl wäscht Jesus seinen Jüngern die Füße. So ist es im Johannesevangelium überliefert. Was war daran so revolutionär?

Stephan Buß (Katholischer Stadtpfarrer von Fulda): Das Besondere ist, dass Johannes der einzige der Evangelisten ist, der keinen traditionellen Abendmahlsbericht liefert, sondern diese Fußwaschung in den Vordergrund stellt. Die Fußwaschung war, wenn man in ein Haus eingeladen wurde, der Dienst der Niederen. Die Knechte haben den Gästen die Füße gewaschen.

Nach dem jüdischen Verständnis gelten diese Leute, die die Füße wachen, als unrein geworden. Diesen Dienst, den sonst die Sklaven des Hauses übernehmen, vollzieht nun Jesus an seinen Jüngern unmittelbar vor dem Passahfest.

DOMRADIO.DE: Die Fußwaschung ist ein altes Ritual der Kirche. Es gilt als Zeichen der Demut. Papst Franziskus hat diese Geste noch mal auf seine eigene Weise interpretiert und damit Konventionen gebrochen. Was wollte er damit deutlich machen?

Buß: Das Besondere war, dass er mit der Fußwaschung aus der Liturgie rausgetreten ist. Die Fußwaschung ist für die katholische Liturgie am Gründonnerstag vorgesehen, auch wenn es nicht mehr in vielen Gemeinden gemacht wird. Bei uns in Fulda im Dom und in den Gemeindegottesdiensten ist es auch noch eine Tradition.

Stephan Buß

"Das ist schon ein besonderes Zeichen des Papstes, dass Zuwendung und Hinwendung deutlich macht."

Papst Franziskus geht aber aus der Liturgie heraus und dann auch noch in ein Gefängnis herein. Das ist schon ein besonderes Zeichen des Papstes, dass Zuwendung und Hinwendung deutlich macht. Es geht um einen Dienst der Nächstenliebe am Rande der Gesellschaft. Das ist grundsätzlich ein Thema des Papstes. Geht nach draußen zu den Rändern, zu den Menschen an den Rändern. Das soll ganz besonders hervorgehoben werden.

DOMRADIO.DE: Sie wollen morgen in Fulda Passantinnen und Passanten in der Fußgängerzone die Füße waschen. Warum denn dort?

Buß: Meine evangelische Kollegin, Pfarrerin Jana Koch-Zeißig, kam mit der Idee auf mich zu. Wir sind sowieso gemeinsam in der ökumenischen Citypastoral unterwegs und versuchen gemeinsam niederschwellig Menschen auch außerhalb des Kirchengebäudes zu erreichen und neu zu sensibilisieren.

Ich glaube, vielen Menschen ist nicht mehr bewusst, dass die Fußwaschung zum Gründonnerstag gehört. Wir wollen den Menschen dieses Zeichen der Nächstenliebe, der Zuwendung und der Dienstbereitschaft deutlich machen und über diese Form niederschwellig ins Gespräch kommen. Dann kommt man oft auf zentrale Themen, die die Menschen bewegen.

DOMRADIO.DE: Wie genau läuft das?

Stephan Buß

"Es ist nicht nur für denjenigen, der wäscht, ein besonderes Erlebnis, sondern auch für diejenigen, die die Füße gewaschen bekommen."

Buß: Wir stellen zwölf Stühle in den Fußgängerbereich. Wir haben Schüsseln, in denen die Füße gewaschen werden und ehrenamtliche Helfer, die die Leute ansprechen und fragen, ob sie bereit wären, dieses Zeichen an sich vollziehen zu lassen. Ich kann aus meiner Erfahrung aus der liturgischen Fußwaschung sagen, spätestens nach dem dritten oder vierten Bücken, geht die Fußwaschung in die Knie und den Rücken.

Es ist nicht nur für denjenigen, der wäscht, ein besonderes Erlebnis, sondern auch für diejenigen, die die Füße gewaschen bekommen. Auch sich die Schuhe und Strümpfe ausziehen zu lassen und die Füße hinzugeben kostet Überwindung.Das macht einem deutlich, was dieses Zeichen damals bedeutet hat.

DOMRADIO.DE: Könnten solche Aktionen ein Weg sein, um als Kirchen im öffentlichen Raum wieder sichtbarer zu werden?

Buß: Auf alle Fälle, weil viele Menschen mit vielen Traditionen und Brauchtum nichts mehr anfangen können. So könnte man religiöse Themen oder Dinge im öffentlichen Raum auch wieder bewusster machen. Es ist vielleicht die einzige Möglichkeit überhaupt eine Sensibilität für Glaubensdinge zu bekommen. Unsere niedrigste Schwelle ist es, deutlich zu machen, dass es neben dem Diesseitigen auch noch eine andere Dimension gibt, die nach oben führt. Vielleicht müssen wir die Leute dafür wieder neu sensibilisieren.

Das Interview führte Elena Hong.

Gründonnerstag

Am Gründonnerstag, dem Donnerstag vor Ostern, erinnert die Kirche an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Der Volksbrauch will, dass "grüne Speisen" wie Spinat oder Brunnenkresse auf dem Tisch stehen. Allerdings verdankt der Tag seinen Namen offenbar nicht der Farbe, sondern dem althochdeutschen Wort "grunen" oder "greinen" für "weinen": Gründonnerstag als Tag der "Greinenden", der Weinenden, der Büßer.

Papst Franziskus feiert Messe zum Gründonnerstag im Vatikan / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus feiert Messe zum Gründonnerstag im Vatikan / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
DR