Auch nach dem fehlgeleiteten Luftangriff mit sieben getöteten Mitarbeitern einer US-Hilfsorganisation will Caritas international seine humanitäre Hilfsarbeit im Gazastreifen fortsetzen. "Wenn die internationale Hilfen gestoppt werden müssten, würden innerhalb kurzer Zeit Tausende Menschen sterben. Deshalb wäre ein Ende der Verteilung von Lebensmitteln über unsere Partnerorganisation CRS nur die Ultima ratio", sagte Patrick Kuebart am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. Kuebart koordiniert die Hilfen von Caritas international im Gazastreifen.
Krieg auf engstem Raum
Die Caritas versuche alles, um die Sicherheit der Mitarbeiter des Catholic Relief Service (CRS) zu garantieren. So seien dem israelischen Militär die Orte von Lagerhäusern und Verteilstellen bekannt. "Aber in diesem Krieg auf diesem engsten Raum kann es keine vollständige Sicherheit geben", sagte Kuebart. "Wir müssen immer wieder neu abwägen, wo und wie wir noch tätig sein können, um die Risiken für die Helfer so klein wie möglich zu halten."
Kuebart verwies auf Zahlen der Vereinten Nationen, wonach im Gaza-Krieg insgesamt rund 200 humanitäre Helfer getötet worden seien. Er gehe davon aus, dass im Falle einer israelischen Offensive auf Rafah Hilfen wohl kaum noch möglich wären. "Denn über die Grenzübergänge von Rafah nach Ägypten kommen die meisten Hilfsgüter in den Gazastreifen."
Verzweifelte Symbolpolitik
Die Hilfsgüterabwürfe aus der Luft, an denen sich auch die Bundeswehr beteiligt, kritisierte Caritas international als verzweifelte Symbolpolitik. Niemand könne dabei garantieren, dass die Güter auch bei den Bedürftigsten ankämen, sagte Kuebart. Auch der geplante Aufbau eines Seehafens für humanitäre Güter komme zur Bewältigung der aktuellen Not zu spät. "Ein Politiker hat es so zusammengefasst: Bevor der Hafen fertig ist, sind die Menschen verhungert."
Nach Einschätzung von Caritas international braucht es eine Waffenruhe, um den Hungertod von Tausenden Menschen im Gazastreifen zu verhindern. "Unter den aktuellen Kriegsbedingungen gelangen nicht genügend Lebensmittel und dringend benötigte medizinische Güter zu den Menschen." Dabei stünden genügend Hilfsgüter in Ägypten bereit.
"Sie kommen nur nicht schnell genug in den Gazastreifen, obwohl sie in Sichtweite stehen. Das ist sehr bitter, und das habe ich in dieser Form noch nie erlebt", sagte Kuebart, der Caritas-Hilfen beispielsweise in Afghanistan und im nord-äthiopischen Tigray koordiniert hat.
Über eine Millionen Menschen vor dem Hungertod
Zuletzt hätten täglich etwa 200 Hilfs-LKW die Grenze in Rafah passieren können. "Vor Kriegsbeginn waren es täglich 500. Und jetztist die Notlage eine viel dramatischere als vorher." Der Caritas-Sprecher verwies auf palästinensische Angaben, wonach im Krieg 32.000 Menschen gestorben seien, davon rund zwei Drittel Kinder und Frauen.
1,1 Millionen Menschen stünden laut Vereinten Nationen vor dem Hungertod. Zugleich erinnerte Kuebart an die Verzweiflung und Traumatisierung der israelischen Bevölkerung nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober. "Es macht etwas mit der Bevölkerung, wenn die Hamas die israelischen Geiseln seit Monaten in ihrer Gewalt hält."