Evangelische Kirchen bereiten Aufarbeitungskommission vor

Auseinandersetzung mit Macht und Gewalt

Unabhängige Kommissionen in verschiedenen Regionen sollen weitere Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche untersuchen. Landeskirchen und Diakonie in Niedersachsen und Bremen treffen nun konkrete Vorbereitungen dafür.

Kirsten Fehrs mit EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar (KNA)
Kirsten Fehrs mit EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar ( KNA )

Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch bereiten Diakonie und evangelische Kirchen in Niedersachsen die Einrichtung einer Unabhängigen Aufarbeitungskommission vor. 

Nun hat eine Geschäftsstelle der Kommission in Hannover ihre Arbeit aufgenommen, wie diakonische Landesverbände und Landeskirchen am Montag mitteilten. Die Leitung habe zum 1. April die Sozialpädagogin Ute Dorczok (56) übernommen.

Einrichtung neun Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen 

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und Diakonie hatten im Dezember mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung vereinbart, neun Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen einzurichten. Sie sollen eine unabhängige Aufarbeitung von Missbrauch
gewährleisten und können etwa Aufarbeitungsstudien für ihren Bereich in Auftrag geben. 

Diakonie und Kirchen in Niedersachsen und Bremen haben nach eigenen Angaben schon vor der gemeinsamen Erklärung einen Verbund gegründet, in dem die Aufarbeitungskommission Niedersachsen/Bremen errichtet werden soll. 

Betroffenenvertretungen ebenfalls in Kommission

Die Kommission werde voraussichtlich aus neun Personen bestehen. Darunter seien zwei Betroffene, die von Mitglieder seien Experten benannt würden. Weitere Mitglieder würden von der Diakonie und den Landeskirchen entsandt. Das seien insgesamt weniger als die Hälfte. 

Die übrigen Mitglieder seien Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder öffentlicher Verwaltung und würden von der niedersächsischen Landesregierung bestimmt.

Dorczok hatte in den vergangenen 20 Jahren Leitungspositionen im Bereich der Jugend- und Eingliederungshilfe inne, wie es hieß. Die Auseinandersetzung mit Machtstrukturen, Gewalt, sexuellen Übergriffen und Prävention habe sie durch ihr Studium und die berufliche Praxis begleitet. Ihren Dienstsitz hat sie künftig beim Diakonischen Werk in Niedersachsen in Hannover.

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
KNA