DOMRADIO.DE: Kann man mit 60, 70 oder auch 80 Jahren mit dem Pilgern anfangen?
Beater Steger (Pilgerexpertin): Auf jeden Fall. Wenn die Einstellung stimmt. Das ist in meinen Augen das Wichtigste. 80 Prozent passieren im Kopf. Man sollte schon einigermaßen körperlich fit sein. Dann kann man zum Beispiel auch schön von zu Hause aus loslaufen, denn je nach Alter ist man vielleicht schon in Rente und hat unbegrenzt Zeit.
Dann kann man auch 2.000 bis 3.000 Kilometer machen, je nachdem wo man hinlaufen möchte. Wenn man zum Beispiel nach Santiago möchte, sind es von Deutschland aus 2.200 bis 3.000 Kilometer, und das geht gut.
DOMRADIO.DE: Wie alt waren die ältesten Pilger, die Sie unterwegs getroffen haben?
Steger: Die Ältesten waren um die 70 Jahre alt. Ich persönlich habe noch niemanden getroffen, der um die 80 Jahre alt war, aber ich weiß, dass es sie gibt.
Ich habe beispielsweise eine Pilgerreisen auf dem St. Olavswege in Norwegen begleitet. Ein Mann, der 85 Jahre alt war, wollte mitgehen. Er war aber körperlich eingeschränkt, das muss man dazu sagen. Wir haben ihm davon abgeraten, weil es auf dem Olavsweg schon lange Etappen waren. Vor allen Dingen beinhaltet der Weg auch einiges an Höhenmetern und eine schlechte Wegbeschaffenheit. Leitern mussten beispielweise überwunden werden und schmale Pfade durch den Wald.
Aber auf dem Jakobsweg habe ich Menschen getroffen, die zum Beispiel einen Herzinfarkt hatten, verschiedene Stents gesetzt bekommen haben und auf dem Hauptweg, dem Camino Francés, sehr gut laufen konnten, weil es viele Herbergen oder auch Unterkünfte gibt. Die hervorragende Infrastruktur macht den Jakobsweg in Spanien so beliebt.
DOMRADIO.DE: Welche Wege sind denn gut geeignet für Anfänger, also für Menschen mit geringer Fitness oder die vielleicht schon die ersten Alterswehwehchen haben?
Steger: In Deutschland haben wir viele Jakobswege oder auch andere Pilgerwege, die man sehr gut ausprobieren kann. Wir haben die Meditationswege vom Heiligen Franziskus. Bei denen gibt es überall kleinere Strecken.
Man kann sogar nur zwei oder drei Kilometer laufen und das erst mal ausprobieren. Durch Spazierengehen kann man sich vor der eigenen Haustür steigern. Dass man einen Rucksack mit dabei hat, ist meines Erachtens der wichtigste Unterschied. Wenn man läuft und man hat kein Gepäck oder nur ein bisschen Proviant dabei, ist das ein Unterschied zu einem Rucksack mit normalen Gepäck. Das kann man zu Hause hervorragend üben.
Ich habe zum Beispiel eine Pilgerin aus den USA getroffen, die hat ihren 60. Geburtstag auf dem Jakobsweg in Spanien gefeiert und war mit ihrer Tochter unterwegs. Sie hat es vorher richtig geübt. Sie ist mit dem Rucksack zu Hause durch die Gegend gelaufen, um dann fit zu sein für den Jakobsweg.
DOMRADIO.DE: Die Schuhe sollte man vorher auch testen. Es gibt kein Höchstalter, aber das Mindestalter liegt bei drei Jahren. Ein Kind mit drei Jahren wird allerdings nicht die letzten 100 Kilometer zum Beispiel vor Santiago alleine zu Fuß gelaufen sein. Kriegt es trotzdem die Urkunde?
Steger: Die kriegt es trotzdem. Das Pilgerbüro in Santiago hat diese Regel aufgestellt. Wahrscheinlich um dem vorzubeugen, dass Kinder im Säuglingsalter auf den Jakobsweg geschleppt werden.
Obwohl ich auch schon ganz kleine Kinder gesehen habe. Die sind in einer Babytrage transportiert worden. Das Pilgerbüro in Santiago sagt, das Mindestalter ist drei Jahre und nach oben ist keine Grenze gesetzt.
DOMRADIO.DE: Ich kann es mir tatsächlich leichter vorstellen, mit einem Kind in einem Tuch oder in einer Trage als bei einem Dreijährigen, was man nachher wahrscheinlich auf der Schulter tragen muss.
Steger: Oder mit dem Kind im Bus fahren. Auf dem Jakobsweg habe ich Großmütter mit ihren Enkeln getroffen. Die Kinder waren so acht bis zehn Jahre alt. Es war ziemlich heiß. Deswegen sind sie ein Stück mit dem Bus gefahren, das ist kein Problem, das kann man machen.