Die aktuelle Lage in Jerusalem ist nach Ansicht des österreichischen Kirchenvertreters Markus Stephan Bugnyar (49) die schwierigste, anspruchsvollste und herausforderndste der vergangenen Jahrzehnte.
"Ich dachte bis zum 7. Oktober, dass ich den Nahost-Konflikt kenne, und mache nun die Erfahrung, dass ich mich in einer ganz anderen Situation wiederfinde", sagte der Rektor des österreichischen Pilgerhospizes in Jerusalem zu seinem 20-jährigen Amtsjubiläum in der Heiligen Stadt. Aus diesem Anlass traf sich die deutschsprachige Community Jerusalems zu einer Podiumsdiskussion über die Rolle und die Alleinstellungsmerkmale kirchlicher Gästehäuser.
"Was am 7. Oktober passierte und was seither geschieht, ist in Brutalität, Ausmaß und Dauer mit nichts vergleichbar, was dieses Land in den vergangenen Jahren erlebt hat", so Bugnyar im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zwar seien die unmittelbaren Kriegsgebiete von Gaza und der Nordgrenze von Jerusalem weit entfernt. "Aber wir leben in einem ständigen Bedrohungsszenario, wie der Angriff aus dem Iran zeigte." Der Unterschied vor und nach dem 7. Oktober sei für "uns alle physisch mit Händen zu greifen", sagte er.
Gesprächsmöglichkeiten bieten
Die Pilgerhospize und kirchlichen Gästehäuser erfüllten in Jerusalem nach wie vor eine Aufgabe und Bedeutung, die Hotelbetriebe nicht leisten könnten, betonte der Leiter katholischer Jerusalemer Pilgerhäuser bei der Podiumsdiskussion. Anders als im Hotel müssten und könnten sich religiöse Gästehäuser Zeit für die Besucher nehmen und Gesprächsmöglichkeiten bieten. Viele Menschen kämen mit einem religiösen Anliegen nach Jerusalem, weil ein Lebensthema sie berührte, das sie mit jemandem besprechen wollten; und das falle fernab der Heimat mitunter leichter als zuhause, meinte Bugnyar.
"Ich habe den Eindruck, dass Jerusalem gerade solche Lebensfragen wachruft." Und dafür müssten die kirchlichen Gästehäuser Räumlichkeiten zur Begegnung, aber auch Gesprächspartner anbieten.
Damit trügen sie schließlich zu einer "gewissen Entschleunigung", zu einer "Konzentration auf das Wesentliche" bei, wie sie viele Menschen im Zuge der Pandemie-Beschränkungen auch erlebt hätten. Eine solche Entschleunigung wollten die Gästehäuser institutionalisieren.
Zu den Eckdaten dieser Häuser zählen kirchliche Trägerschaft, geistliche Prägung und das liturgische Angebot - sowie eine unmittelbare Nähe zu den Heiligen Stätten, wie die Teilnehmer der Podiumsdiskussion betonten. Man ermutige die Gäste stets, ihre Gottesdienste an den vielen Heiligen Stätten der Stadt und des Landes zu feiern - und nicht in ihrer Hauskapelle.
Immer andere Herausforderungen erlebt
Bugnyar sagte, er habe als Rektor des Österreichischen Hospizes in den vergangenen 20 Jahren das Heilige Land in höchst unterschiedlichen Phasen und mit immer anderen Herausforderungen erlebt. Aber stets habe Jerusalem eine enorme Anziehungskraft ausgeübt.
Er sei 2004, in den letzten Monaten der Zweiten Intifada, in die Stadt gekommen, berichtete der Priester aus Österreich. Das Haus stand leer - und füllte sich von einem auf den anderen Moment wieder, nachdem Palästinenserführer Jassir Arafat gestorben war. Lange Zeit war er dann mit dem Bau des neuen Gästehaustraktes beschäftigt. Kaum war der abgeschlossen, habe die Pandemie wieder alles blockiert. Und kaum hatten sich danach "die Schleusen wieder geöffnet und die Besucher strömten nach Jerusalem", habe der Gaza-Krieg plötzlich wieder eine komplett andere Situation geschaffen.