Theologische Betrachtung zum sechsten Sonntag der Osterzeit

Mit neuem Blick auf die Menschen schauen

Nicht immer stimmt der erste Eindruck, den man von seinem Gegenüber hat. Das Aussehen, die Herkunft können zu Vorurteilen verleiten. Auch die Apostel müssen umdenken lernen. Gott schaut nicht auf die Person.

Autor/in:
Fabian Brand
Christus und Apostel, Figuren des Isenheimer Altars / © Harald Oppitz (KNA)
Christus und Apostel, Figuren des Isenheimer Altars / © Harald Oppitz ( KNA )

"The Masked Singer": So heißt eine Sendung, die seit einigen Jahren im deutschen Fernsehen läuft. Das Prinzip ist einfach: Menschen, die in einem Kostüm stecken, singen ein Lied, und eine Jury muss den Gesang bewerten. 

Im Mittelpunkt steht also nicht, wer der Künstler ist, der das Lied vorträgt. Vielmehr fließen allein die musikalischen Fähigkeiten in die Wertung der Jury ein. Maskierte Sänger: Der Künstler selbst tritt zurück, damit einzig und allein seine gesangliche Darbietung im Zentrum steht.

Gott schaut nicht auf die Person

Von diesem Prinzip hören wir im übertragenen Sinne auch in der Lesung am sechsten Ostersonntag: In einem Abschnitt aus der Apostelgeschichte wird dem Petrus dieser Satz in den Mund gelegt: "Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist" (Apg 10,36f).

Mit anderen Worten: Es geht nicht darum, wer jemand ist, sondern es geht einzig und allein darum, was dieser Mensch tut. Das ist eine sehr befreiende und sehr wichtige Aussage: Sie sagt uns, dass Gott nicht nach dem Augenschein urteilt, dass er keiner ist, der sich an Äußerlichkeiten festmacht. Sondern Gott sieht das Herz des Menschen und erkennt, welche Gesinnung wir in uns tragen.

Gott schaut nicht auf die Person: Auch für die Apostel war das eine Lernerfahrung. Es gibt eine Szene, die im Markusevangelium überliefert ist. Dort wollen die Jünger Jesu einen Menschen daran hindern, Gutes zu tun, weil er nicht aus dem engeren Kreis der Jünger stammt. Aber Jesus unterbindet dieses Vorhaben sofort: "Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns", sagt er den Aposteln (Mk 9,40).

Gottes- und Nächstenliebe

Auch die Jünger Jesu mussten also erst lernen, was es heißt, nicht auf die Person zu schauen, sondern auf die Motivation eines Menschen zu blicken. Was Jesus seinen Jüngern mitgibt, ist letztendlich nichts anderes als die Quintessenz der Lesung vom sechsten Ostersonntag: Gott schaut nicht auf die Person. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Mensch ein Leben aus dem christlichen Glauben führt. Oder noch allgemeiner gesagt: Wirklich wichtig ist, ob ein Mensch Gott und den Nächsten liebt. Alles andere ist zweitrangig.

Nicht nur die Apostel müssen lernen, mit dieser neuen Brille auf die Menschen zu schauen. Auch uns fällt es oftmals schwer, nicht zuerst auf die Person zu blicken. Wie oft urteilen wir nach Äußerlichkeiten und stecken Menschen in Schubladen, weil wir meinen, dass sie so sein müssen? Wie oft distanzieren wir uns vorschnell vor unseren Nächsten, weil wir glauben zu wissen, wie sie sind?

Das ist jedoch die Gegenhaltung zu dem, was uns Petrus heute anempfiehlt: Wir schauen zu oft auf die Person und häufig zu wenig auf ihre Motivation. Wir hängen uns an Äußerlichkeiten und Vorurteilen auf und vergessen, das in den Blick zu nehmen, was Menschen für uns Gutes tun und wo sie uns ihre Liebe erweisen.

Christliche Grundhaltung neu einüben

Es kann eine gute Aufgabe für die kommende Woche sein, diese christliche Grundhaltung neu einzuüben. Wie bei der Fernsehsendung "The Masked Singer" nicht auf den zu schauen, der etwas tut, sondern auf das zu blicken, was er tut und wie er es vollbringt. Wenn Menschen lieben und dieser Liebe in Wort und Tat Ausdruck verleihen, dann ist letztlich egal, wer jemand ist, woher er stammt, welcher Religion er angehört oder welches Geschlecht jemand besitzt.

Gott schaut nicht auf die Person: Das ist die Maxime, aus der wir unser Leben gestalten sollen. Das ist ein guter Vorsatz, um den Menschen, die uns tagtäglich über den Weg laufen, neu zu begegnen. Das ist ein wichtiger Gedanke für so manchen Neuanfang: wenn man Vorurteile hinter sich lässt und auf den anderen zugeht, weil uns Christus das vorgelebt hat. 

Er kann uns lehren, was es heißt, auf die Menschen zuzugehen, ihnen offen und ehrlich zu begegnen und ihre Hoffnung und Zuversicht ernst zu nehmen. Dann beginnt das Gottesreich schon hier und heute zu wachsen.

Quelle:
KNA