Debatte um gemeinsames Osterdatum in Ost und West

Kann und wird es Einheitlichkeit geben?

In diesen Tagen begehen orthodoxe Christen Leiden, Sterben und Auferstehung Christi. Fünf Wochen nachdem die Christen im Westen Ostern feierten. Nächstes Jahr fallen die Termine zusammen. Kann es zu einer Vereinheitlichung kommen?

Autor/in:
Ein Gastbeitrag von Nikolaj Thon
Ostervigil in der Grabeskirche / © Andrea Krogmann (KNA)
Ostervigil in der Grabeskirche / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Es ist ein Skandal, das einzigartige Ereignis der Auferstehung des einen Herrn getrennt zu feiern", sagte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. am 31. März 2024, da nach dem westlichen Kalender schon Ostern, aber in der Orthodoxen Kirche erst der 2. Fastensonntag begangen wurde.

Er hoffe daher, dass ein gemeinsames Osterfest nicht nur 2025 ein zufälliges Ereignis sein möge, sondern der Beginn eines steten einheitlichen Datums, zumal der 1.700. Jahrestag des Konzils von Nicäa anstehe. Doch wie kommt es zu Unterschieden in der Berechnung des Osterfestes, dessen Daten 2024 (31.3. bzw. 5.5.) und ebenso 2027 (28.3. bzw. 2. Mai) um fünf Wochen voneinander abweichen, 2026 hingegen um nur eine Woche? Hingegen fallen sie 2025 und schon wieder 2028 auf das gleiche Datum.

Bis 1582 eine im Wesentlichen gemeinsame Osterdatenberechnung

Den synoptischen Evangelien zufolge war das letzte Abendmahl Christi ein Passahmahl, doch nach dem Evangelisten Johannes starb der Herr am Tag des Passahfestes, das am "14. Tag des ersten Monats" (vgl. Lev 23,5; Num 28,16; Jos 5,11) gefeiert wurde. Dies hatte zur Folge, dass in verschiedenen Regionen auch die Christen ihr Osterfest zu unterschiedlichen Terminen feierten. Die "Quartodezimaner" etwa feierten zwischen dem 1. und dem 5. Jahrhundert in Palästina (außerhalb Jerusalems), Syrien und Kleinasien Ostern am 14. Nisan als dem Tag der Kreuzigung; andere immer an einem Sonntag. In der Praxis bedeutete dies auch, dass sich Christen der einen Gruppe noch in der vorösterlichen Fastenzeit befanden, während die anderen bereits Ostern feierten.

Erst auf Druck von Kaiser Konstantinos I. (um 280-337) wurde auf dem Nizänischen Konzil 325 die Streitfrage angegangen. Der Wortlaut des Beschlusses ist nicht erhalten, doch lässt sich aus einem Schreiben des Kaisers schließen, dass die Konzilsväter einen gemeinsamen Ostertermin einforderten und Bischof Athanasios von Alexandria auftrugen, in seinen "Osterfestbriefen" einen solchen in Ost und West gleichermaßen gültigen Termin zu bestimmen, wobei "Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert werden soll."

Osterkerzen / © Harald Oppitz (KNA)
Osterkerzen / © Harald Oppitz ( KNA )

Bis zum Jahre 1582 gab es damit für die Christenheit nun eine im Wesentlichen gemeinsame Osterdatenberechnung. Das änderte sich allerdings durch die von Papst Gregor XIII. (1572-1585) initiierte Kalenderreform, zumal auch protestantische Staaten wie England 1752 und Schweden 1758 erst im 18. Jahrhundert und die orthodoxen Länder (nicht aber alle ihre Kirchen!) erst im 20. Jahrhundert den julianischen Kalender aufgaben.

Liegt nämlich der Vollmond innerhalb der 13-Tage-Differenz zwischen julianischem und gregorianischem Datum der Tagundnachtgleiche, dann zählt er für das orthodoxe Osterdatum noch nicht. Nur wenn der erste Vollmond nach der Früjahrs-Tagundnachtgleiche so spät liegt, dass er auch nach dem julianischen 21. März der erste ist, wie etwa 2025, fallen beide Osterfestdaten zusammen.

Darüber hinaus greift eine Bestimmung des Konzils von Nicäa, die für Abweichungen sorgt und die in der Orthodoxen Kirche treu eingehalten wird, im Westen inzwischen aber vergessen ist. Sie untersagt, das christliche Ostern "mit" (griech. meta) den Juden zu feiern.

Bemühungen zu einer einheitlichen Osterberechnung

Allerdings ist nicht ganz klar ist, ob es um eine gemeinsame kultische Feier von Ostern und Pessach ging oder den gemeinsamen Termin. Sie hat aber zur Folge, dass das Osterfest nach orthodoxer Praxis nicht mit dem Datum des Passahfestes zusammenfallen darf. Falls dies eintritt, wird Ostern um eine Woche verschoben.

Es gab immer schon Bemühungen zu einer einheitlichen Osterberechnung. Im 3. Jahrhundert etwa gingen die in Alexandria und die in Rom verwandte Kalkulation nicht vom selben Datum aus: die einen vom 21. März, vom 25. März die anderen. Erst ab etwa 350 setzte sich die Alexandrinische Methode auch im Abendland durch. Dessen alte Berechnung hielt sich noch eine Weile in Teilen Galliens und auf den britischen Inseln. Erst Bischof Elbod von Bangor (um 770) schaffte sie auch in Wales ab.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Frage wieder aufgenommen. Im Mai 1923 versuchte ein panorthodoxer Kongress, zu einer größeren astronomischen Genauigkeit zu gelangen, gemäß einem Vorschlag des serbischen Mathematikers und Astronomen Milutin Milankovic (1879-1958). Dieser entspricht zwar weitgehend dem julianischen Kalender, allerdings basiert er auf Jerusalemer Zeit anstatt auf jener von Greenwich. Der so vorgeschlagene "Neujulianische" oder "Meletianische" Kalender (benannt nach Patriarch Meletios Mataxakis, 1871-1935), ist sogar genauer als der Gregorianische. Er weicht erst in ca. 45.000 Jahren um einem Tag vom exakten astronischen Datum ab.

Kalenderblatt mit Wochentagen / © Harald Oppitz (KNA)
Kalenderblatt mit Wochentagen / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Einführung dieses Reformkalenders erfolgte bereits am 10./23. März 1924 in Konstantinopel, Zypern und Griechenland und in der Folge weiterer Länder. Allerdings wurde dieser neue Kalender von den Kirchen in Jerusalem, Georgien, Makedonien, auf dem Berg Athos und letztlich auch nicht in Russland nicht angenommen. Andernorts kam es sogar zu Spaltungen: In der Griechischen und der Rumänischen Kirche entstanden Hierarchien von "Altkalendariern".

Um die Einheit der Orthodoxie wenigstens bei der Osterfeier zu gewährleisten, behält man bis heute den nach den alten alexandrinischen Tabellen und dem julianischen Kalender berechneten Termin für alle autokephalen Kirchen bei. Die einzige Ausnahme bildet die orthodoxe Kirche von Finnland; sie nahm im Oktober 1921 den Gregorianischen Kalender einschließlich des westlichen Ostertermins an.

Bereits 1923 hatte auch der Völkerbund die Frage aufgenommen und die meisten protestantischen Kirchen einem festen Osterdatum zugestimmt.

Die Antwort des Patriarchats von Konstantinopel lautete, dass es offen sei für ein fixes Osterdatum, vorausgesetzt dass es sich um einen Sonntag handle und dass alle christlichen Kirchen dem zustimmten. Auch der Weltkirchenrat befragte zwischen 1965 und 1967 seine Mitgliedskirchen.

Alle relevanten Fragen auf den Tisch bringen

Zwar waren im Ergebnis alle Kirchen prinzipiell bereit, das Osterfest an einem gemeinsamen Datum zu feiern. Doch während die Mehrheit der westlichen Kirchen ein fixes Datum vorzog, bevorzugten die orthodoxen einen veränderlichen Termin nach der Regel von Nicäa. 1975 wurde bei der Vollversammlung in Nairobi festgestellt, dass eine Entscheidung nur von den Kirchen selbst gefällt werden könne und nicht vom ÖRK.

Daraufhin beschlossen die orthodoxen Kirchen auf ihrer ersten vorkonziliaren panorthodoxen Konferenz 1976, sobald wie möglich einen Kongress abzuhalten, der dann auch 1977 in Chambésy stattfand. Auf der zweiten vorkonziliaren Konferenz 1982 wurde die Revision indes auf eine Zeit verschoben, die "nach dem Willen Gottes besser dafür geeignet" sei. Bezeichnenderweise stand die Kalenderfrage, erst recht das Osterdatum, beim Konzil von Kreta 2016 vorsichtshalber gar nicht auf der Tagesordnung.

"Heiliges Feuer" in der Grabeskirche / © Andrea Krogmann (KNA)
"Heiliges Feuer" in der Grabeskirche / © Andrea Krogmann ( KNA )

Da die orthodoxe Seite in der Geschichte bereits schmerzhafte Erfahrungen gemacht hat mit Schismen, die durch Kalenderreformen entstanden, ist man vorsichtig: Eine Revision des Oster-Kalenders, wie durch Patriarch Bartholomaios jetzt angedacht, würde wahrscheinlich auch von etlichen altkalendarischen Kirchen massiv abgelehnt, keineswegs nur vom Moskauer Patriarchat. Vehementer könnte der Widerstand sein in Jerusalem, Serbien, Georgien und auch Teilen der Ukraine, wo schon jetzt eine Änderung des Osterdatums als Zeichen einer "neuen Union" mit Rom angeprangert wird.

Metropolit Nektarios von Hongkong und Südostasien rief daher zur Vorsicht auf:""Wenn es ab 2025 eine ernsthafte Diskussion über die Feier des Osterfestes zwischen West und Ost geben soll, sollten dann nicht alle relevanten Fragen auf den Tisch kommen? ... Und, was am wichtigsten ist: Wer wird die orthodoxen Kirchen, die dem julianischen Kalender folgen, davon überzeugen, ihre Osterberechnung zu ändern?" Bis es einen neuen allgemeinen Synodenbeschluss gibt, halte er es daher für richtig, an der Tradition der Kirche festzuhalten.

Ostern

An Ostern feiern Christen ihr wichtigstes Fest: die Auferstehung Jesu am dritten Tag nach dem Tod am Kreuz. Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung ist das Fundament ihres Glaubens. Kerngehalt ist, "dass am Ende das Leben über den Tod, die Wahrheit über die Lüge, die Gerechtigkeit über das Unrecht, die Liebe über den Hass und selbst über den Tod siegen wird", so der katholische Katechismus.

Seit dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 wird das älteste Fest der Christenheit am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert.

Osterkerzen / © Harald Oppitz (KNA)
Osterkerzen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA