DOMRADIO.DE: Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten der Welt. Auch in Syrien kostet der Strom sehr viel, zumindest in Relation. Haben Sie ein Beispiel?
Florian Ripka (Geschäftsführer von "Kirche in Not" in Deutschland): In Syrien kostet der Strom 53 Cent pro Kilowattstunde. Das ist nur etwas über unserem Strompreis. Aber man muss bedenken, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen in Deutschland um ein Vielfaches höher ist als dort.
Wenn wir das mal vergleichen: Die Inflationsrate in Syrien zum Beispiel liegt bei 9,6 Prozent, während sie bei uns bei drei Prozent liegt. Und das Durchschnittseinkommen liegt bei uns in Deutschland bei ungefähr 50.000 Euro und in Syrien bei 518 Euro.
Das muss man sich mal vorstellen. Wenn dort ähnliche Strompreise herrschen wie bei uns, sogar ein bisschen höhere, bedeutet das natürlich eine enorme Wucht, die da auf die Leute zukommt. Die allermeisten können sich das schlichtweg nicht leisten.
DOMRADIO.DE: Auch im Libanon ist der Strom knapp. Was bedeutet das im täglichen Leben?
Ripka: Das bedeutet ganz konkret, dass man vielleicht vier Stunden am Tag Strom aus der Steckdose hat. Wir hatten vor kurzem Besuch eines Libanesen und haben ihn gefragt, wie er eigentlich die Lebensmittel kühlt. Er hat gesagt, dass sie schon lange keine Lebensmittel mehr haben, die sie kühlen müssen.
Es sind nur vier Stunden Strom am Tag in einem Land, in dem es sehr heiß werden kann. Das bedeutet, dass alles, was bei uns aus dem Kühlschrank kommt, es dort schlichtweg nicht mehr zum Essen gibt.
DOMRADIO.DE: Inwiefern beeinflusst dieser wenige oder sehr teure Strom die Arbeit von Kirchengemeinden?
Ripka: Wenn wir bei der Verwaltung anfangen, bedeutet das, dass wir einen Computer brauchen, um Daten zu verarbeiten, Briefe zu schreiben, wenn man sie nicht mit der mechanischen Schreibmaschine schreiben möchte. Das heißt, es ist auf ein Minimum reduziert.
Dabei sind es gerade die Kirchengemeinden, die oft die Hilfe koordinieren. Dort melden sich Menschen, die Hilfe brauchen. Die müssen irgendwie erfasst werden. Die Daten müssen zusammengefasst werden, damit was organisiert werden kann. Das begrenzt alles auf ein Minimum. Natürlich liegt dann diese Verwaltungsarbeit brach.
Auf der anderen Seite ist es so, dass es extrem wichtig und auch gewollt ist, dass die Kirche hell erleuchtet ist, wenn man hineingeht. Denn es soll ein freundlicher Ort sein. Es ist sehr schwierig, da ein würdiges Umfeld für Gottesdienste, Andachten und sonstige Dinge herzustellen. Es gibt noch viele andere Beispiele, alles hängt vom Strom ab.
DOMRADIO.DE: Sie von "Kirche in Not" finanzieren auf auf den Dächern von Kirchengebäuden in Syrien und im Libanon eine Solarstromanlage, eine Photovoltaikanlage, damit dort Strom für den direkten Gebrauch gewonnen werden kann.
Ripka: Das ist richtig. Da schwingt auch der Umweltgedanke mit. Aber wenn etwas eine gute Idee ist, kann diese Idee sich auch auf mehrere Dimensionen auswirken. Es ist natürlich aus der Not heraus geboren, weil diese Stromanlagen die Stromkosten enorm senken. Natürlich müsste man mit einrechnen, was die Investition kostet, aber das wird durch unsere Wohltäterinnen und Wohltäter getragen.
Auf einmal ist die Arbeit in der Gemeinde wieder möglich. Es strahlt auch darüber hinaus aus. Denn vor allem die Klöster stellen warme Mahlzeiten für die bedürftige Bevölkerung zur Verfügung.
Das Bürgerkriegsland Syrien und auch der Libanon haben eine beispiellose Krise hinter sich und viele Menschen sind auf Essensstellen angewiesen. Das kann dadurch gewährleistet werden und auch Unterricht beziehungsweise Fernunterricht kann dadurch stattfinden.
DOMRADIO.DE: Planen Sie, weitere kirchliche Gebäude in anderen Ländern zu versorgen?
Ripka: Ja, das sind schon länger Standardprojekte bei uns. Gerade dort, wo kein Netz ist - also in den meisten Teilen der Welt, zum Beispiel im Amazonas - haben wir schon lange welche. Wir haben auch Projektanfragen aus Haiti, einem ganz schwierigen Land, in dem eigentlich nur Chaos herrscht.
Es gibt auch sehr viele Anfragen aus Afrika, wo es zentrale Einrichtungen gibt, wie Priesterseminare, Schulen, Kirchen, kirchliche Gemeinden. Dort wird oft alles von der Kirche vor Ort betrieben. Sie fragen an und erhoffen sich eine kleine Erleichterung in Bezug auf ihre tägliche Arbeit. Das ist enorm wichtig.
Das Interview führte Tobias Fricke.