DOMRADIO.DE: Mahmoud Mehrabi ist ein inhaftierter Iraner, der noch vom verstorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi inhaftiert wurde. Wofür wurde Mahmoud Mehrabi inhaftiert und was droht ihm?
Valerio Krüger (Pressesprecher der Gesellschaft für Menschenrechte IGFM): Mahmoud Mehrabi ist ein Mann, wie viele Männer hier: Er benutzt Soziale Medien und er tut auf Instagram seine Meinung kund. Das hat er getan und wurde dann am 1. Februar 2023 in seinem Haus verhaftet. Ihm werden Verbrechen vorgeworfen, er soll Unwahrheiten verbreitet haben und wurde daraufhin aufgrund des Vorwurfs "Korruption auf Erden" zum Tode verurteilt.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat Bischof Kohlgraf durch die Vermittlung der Gesellschaft für Menschenrechte eine Patenschaft für den Mann übernommen. Was genau bedeutet das?
Krüger: Mit einer politischen Patenschaft setzen sich in erster Linie Abgeordnete der deutschen und europäischen Parlamente, aber auch Mandatsträger wie Peter Kohlgraf für einzelne politische Gefangene ein. Sie nutzen ihre politische Strahlkraft oder ihr Amt, das sie bekannt und vielleicht auch berühmt macht, um Einfluss auszuüben und einzelne politische Gefangene freizubekommen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja noch mehr Inhaftierte im Iran, für die sich die IGFM einsetzt. Konnte man denn mit solchen Patenschaften bislang schon was erreichen?
Krüger: Ja, man kann mit diesen Patenschaften etwas erreichen. Das lässt sich zwar nicht ablesen an einer Skala. Auch eine Prozentzahl abzugeben ist nicht leicht, weil die Informationslage aus den Gefängnissen auch immer sehr schwer ist.
Für uns gilt ein Erfolg auch dann, wenn ein Inhaftierter oder eine Inhaftierte ihre Medikamente bekommt, wenn sie einen Hafturlaub bekommt, wenn sie beispielsweise aufgrund einer Erkrankung das Gefängnis verlassen und ein Krankenhaus besuchen dürfen. Wir haben auch bis hin zur kompletten Freilassung erlebt, dass politische Patenschaften erfolgreich sein können.
DOMRADIO.DE: Es ist eine politische Patenschaft, die aber aus den Reihen der Kirche kommt. Inwiefern ist die Unterstützung der Kirchen wichtig?
Krüger: Die Kirchen sind ein wichtiger Teil unserer Zivilgesellschaft. Im Iran hat das insbesondere den Aspekt, dass dort ein klerikal faschistisches Regime herrscht. Das heißt, wir haben eine extrem gelebte Form der schiitischen Auslegung des Islams. Und Konvertiten oder Sufis oder Bahai werden alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit massiv diskriminiert, teilweise sogar enteignet. Darum ist es so wichtig, dass sich kirchliche Würdenträger aus dem Ausland aufgrund dieser massiven Beschränkung der Religionsfreiheit auch für politisch Verfolgte im Iran einsetzen.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat nach dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi seine Anteilnahme übermittelt. Russland und China trauern nach dem Tod des iranischen Präsidenten um einen "Freund". Die meisten westlichen Regierungen äußern sich eher zurückhaltend, einige sprechen Anteilnahme aus, aber manche auch gar nicht. Was bedeutet es für Ihre Arbeit, dass der Papst kondoliert hat?
Krüger: Aus menschlicher Perspektive ist ein Mensch ein Mensch. Wir wollen die Äußerungen des Papstes nicht einordnen, denn der Papst ist jemand, der vielleicht vieles andere darf, was ein rein weltlich-politischer Würdenträger eventuell nicht tun sollte.
Aber ich nehme den Impuls gerne auf und kritisiere unseren Bundeskanzler Olaf Scholz, der auch kondoliert hat. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Warum kondolieren wir einem Verbrecherregime, weil ein Massenmörder gestorben ist? Dieser Herr ist verantwortlich für zehntausende Tote in den 80er Jahren und bis heute für Hinrichtungen, für Verstümmelungen. Und da stellt sich die Frage wie weit sind wir hier, dass wir solchen Menschen Anteil nehmen, dass wir ihnen die Ehre erweisen? Man darf kondolieren, aber man muss nicht.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn der Tod von Präsident Raisi für die Situation der Menschenrechte im Iran, ändert sich etwas nach dem Tod dieses einen?
Krüger: Mit dem Tod des Präsidenten ändert sich erst mal gar nichts. Natürlich ist einer der schlimmsten Menschenrechtsverbrecher nicht mehr da, aber er ist ein Teil eines ganzen Verbrecherregimes, einer Maschinerie, die seit vier Jahrzehnten systematisch Menschenrechte unterdrückt, Minderheiten foltert, Menschen ins Gefängnis bringt. Und man muss sagen, er ist einer von vielen Verbrechern und die geben sich die Klinke in die Hand. Und wir hier in Europa schauen leider sehr apathisch zu.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.