DOMRADIO.DE: Keine vier Jahre nach der Seligsprechung von Carlo Acutis hat es gedauert, bis der Vatikan nach der Anerkennung eines weiteren Wunders die Heiligsprechung prüft. Haben Sie mit dieser Geschwindigkeit gerechnet?
Bruder Thomas Freidel OFM Conv. (Seelsorger für deutschsprachige Pilger und Touristen in Assisi): Man könnte fast sagen: Ja! Die Verehrung, die Bekanntheit von Carlo Acutis hat sich doch sehr entwickelt, so dass es auch weitere Gebetserhöhungen gibt und dass das Kreise zieht.
Natürlich ist es immer noch einmal ein Schritt, dass man vom Vatikan her ein Wunder bestätigt, das auch wirklich so nachgewiesen und fundiert ist. Aber dass es zügig in diese Richtung geht, das habe ich mir schon gedacht.
DOMRADIO.DE: Carlo Acutis ist auf eigenen Wunsch in Assisi bestattet worden. Was war der Grund dafür?
Freidel: Er selbst hat auch den heiligen Franziskus verehrt. Das war für ihn ein wichtiges Motiv, dass er für Franziskus begeistert war. Er hat dann seine Eltern dazu gebracht, dass die sich hier ein Wochenendhaus angeschafft und dann immer wieder Zeit hier verbracht haben. Am Ende war es diese Leukämie, die er dann bekam und an der er in wenigen Wochen gestorben ist. Sein Wunsch war es dann, hier beerdigt zu sein.
DOMRADIO.DE: Wie viele Menschen sind seit der Seligsprechung vor vier Jahren nach Assisi gekommen, um am Grab des Seligen zu beten?
Freidel: Seit der Seligsprechung entwickelt sich das kontinuierlich. Einmal kann man feststellen, dass die Leute aus den katholisch geprägten Ländern kommen, also in Europa Italien, Kroatien, Polen. Die kennen den Carlo dann schon auch aus Südamerika. In Südamerika gibt es auch eine sehr eifrige Verehrung und die Südamerikaner kommen auch gerne nach Assisi; schon oft im zeitigen Frühjahr, wenn sie Sommerferien haben und nach Rom pilgern. Deswegen hat es sich schon sehr entwickelt und es wird für immer mehr hierherkommende Gruppen normal, dass sie neben Clara und Franziskus den Carlo Acutis besuchen.
DOMRADIO.DE: Sind das dann auch junge Leute, die sehr viel mit Computern zu tun haben?
Freidel: Ich glaube, das spielt da gar keine solche Rolle. Es sind gläubige Leute verschiedenen Alters. Es gibt Jugendliche, die ihn kennenlernen. Ich habe jetzt zum ersten Mal in meiner Arbeit hier den Fall erlebt, dass aus Deutschland eine Frau mit ihrer Tochter kam. Die hatte über Carlo im Religionsunterricht gehört, wollte über ihn mehr wissen und hierherkommen. Hier ist sie dann auch Franz von Assisi begegnet.
Es war für mich zum ersten Mal der umgekehrte Weg. Sie hat die Geschichte von Carlo Acutis im Religionsunterricht gehört, dann kommt sie hierher. Wir haben dann auch die Führung hier bei uns in der Basilika San Francisco gemacht und auf einmal wird ihr klar, dass hier ja auch der heilige Franziskus ist. Das ist ja auch noch einmal was Interessantes. So kann das jetzt auch geschehen, dass es so herum geht.
Es gibt ja ganze Reihe von Leuten, die in der Seelsorge tätig sind, die das Material von Carlo auch schon verwenden, was er im Internet hinterlassen hat, wie zum Beispiel diese Ausstellung über Eucharistie, Marienwallfahrtsorte und so weiter.
DOMRADIO.DE: Die Seligsprechung hat damals 2020 in Assisi stattgefunden. Wie schnell wird es denn jetzt gehen, bis ein Termin zur Heiligsprechung feststeht und wird diese dann wie üblich im Vatikan stattfinden? Oder gibt es auch Gründe dafür, die auch in Assisi stattfinden zu lassen?
Freidel: Ich vermute schon, dass das dann in Rom stattfinden wird. Ich denke, das ist jetzt nur die Terminfrage, ob es dieses Jahr noch sein wird. Oder man baut es nächstes Jahr ein, ganz bewusst in die vielen Aktivitäten zum Heiligen Jahr, das nächstes Jahr ist. Vielleicht ist das so eine Idee, dass man in Rom etwas für die Jugend macht und das dazu nimmt. Das wäre auch denkbar.
DOMRADIO.DE: Nach der Seligsprechung haben Sie bei uns in einem Gastkommentar kritisiert, dass bei der liturgischen Feier der Seligsprechung die junge Generation in keiner Weise eingebunden war. Was ist diesbezüglich Ihre Erwartung an eine wahrscheinlich demnächst vorzunehmende Heiligsprechung?
Freidel: Das wird sicherlich anders sein. Das war ja damals auch noch mit durch die Pandemie geprägt. Da war ja alles sehr stark reglementiert und reduziert. Man hat halt damals am Vorabend so eine kleine Vigilfeier für die Jugend gemacht. Die Feier selber war doch sehr traditionell und da war die junge Generation wenig beteiligt. Aber das war sicher auch durch die Pandemie begründet.
Wenn das jetzt in Rom bei entsprechendem Anlass mit vielen Jugendlichen stattfindet, die vielleicht auch aus der ganzen Welt kommen, da wird es noch einmal ganz anders ausschauen.
DOMRADIO.DE: Rechnen Sie in Assisi dann auch mit einem weiteren Anstieg des Pilgerstroms, so dass dann auch entsprechende Vorkehrungen getroffen werden müssen?
Freidel: Damit ist bestimmt zu rechnen. Allerdings betrifft es nicht direkt uns, das betrifft dann die Diözese. Die Kirche, wo das Grab von Carlo Acutis ist, Santa Maria Maggiore oder Santuario della Spogliazione, die ist klein und das Grab ist im Seitenschiff. Es hat schon öfter mal Situationen bei großem Menschenauflauf gegeben, dass man extra den Verkehr regeln musste. Die Straße, die vorne vorbeigeht, ist eine der wenigen Durchfahrtsstraßen hier in der engen Altstadt.
Es stellt sich generell die Frage, ob das auf die Dauer der geeignete Verehrungsplatz für das Grab sein wird und ob man da sich nicht noch einmal etwas ganz anderes ausdenkt. Der Zusammenhang ist zwar ganz toll und der Bischof hat es ganz bewusst so gewollt, dass das Grab von Carlo an dem Ort ist, wo der junge Franziskus seine Lebensentscheidung getroffen hat, auf den Besitz zu verzichten. Der Ort selbst ist aber problematisch.
DOMRADIO.DE: Also könnte man sich fast vielleicht sogar einen Neubau vorstellen wie in San Giovanni Rotondo, wo Pater Pio begraben liegt?
Freidel: Das ist dann sicherlich schwierig. Das ist jetzt wirklich nur mal so ein Gedanke. Ob sich da Leute schon Gedanken darüber machen, weiß ich nicht. Unser Bischof hier in Assisi, der wird im kommenden Jahr in den Ruhestand gehen. Dann muss man erst einmal schauen, welche Ideen der Nachfolger hat. Das ist also noch alles offen. Ich denke aber, dass auf die Dauer eine andere Lösung gefunden werden muss.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.