Kiews Großerzbischof vergleicht Moskauer Patriarchat mit IS

"Ideologie der Russischen Welt stellt eine ökumenische Gefahr dar"

Das Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche steht nach eigenen Angaben auf einer russischen Todesliste. Im KNA-Interview vergleicht Swjatoslaw Schewtschuk die russisch-orthodoxe Kirche mit dem IS.

Autor/in:
Oliver Hinz
Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche / © Robert Kiderle (KNA)
Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche / © Robert Kiderle ( KNA )

Der griechisch-katholische Großerzbischof von Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk, zieht Parallelen zwischen dem orthodoxen Moskauer Patriarchat und der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

Die Botschaft der russisch-orthodoxen Kirche bedeute "die gleiche Instrumentalisierung von Religion wie durch den 'Islamischen Staat'; dort des Islam, hier des Christentums", sagte Schewtschuk im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in München. Es werde Vergebung aller Sünden versprochen, "wenn man in diesem selbst erklärten Heiligen Krieg stirbt".

Patriarch Kyrill mit Präsident Wladimir Putin
 / © Igor Palkin/Russian Orthodox Church Press Service (dpa)
Patriarch Kyrill mit Präsident Wladimir Putin / © Igor Palkin/Russian Orthodox Church Press Service ( dpa )

Laut Schewtschuk sieht sich das Moskauer Patriarchat zudem als Vorreiter im "Kampf gegen den angeblich unmoralischen Westen und die heutige Zivilisation". Diese drei Punkte ähnelten sehr dem Dschihadismus der Terrormiliz IS. Die vom orthodoxen Moskauer Patriarchen Kyrill I. propagierte Ideologie der "Russischen Welt" stelle auch eine ökumenische Gefahr dar, so das Oberhaupt der mit Rom verbundenen Kirche. 

Dass Religion durch Russland instrumentalisiert und sogar zur Waffe gemacht werde, kompromittiere die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft wesentlich. Wenn eine Kirche das Evangelium beiseite schiebe und stattdessen einen Krieg verherrliche, könne das jede christliche Botschaft in Frage stellen.

Hinrichtungen zu befürchten

Der Kiewer Großerzbischof steht nach eigenen Angaben auf einer russischen Todesliste. Nach solchen Listen verhafteten russische Einheiten Menschen, folterten und töteten sie, so der 54-Jährige.

2022 hatten russische Fallschirmjäger demnach "einen exakten Plan von meinem Haus", so Schewtschuk. Man müsse davon ausgehen, bei einer Annahme Kiews "würden alle von uns, die die Identität und die Würde der ukrainischen Nation repräsentieren, nicht nur die religiösen Menschen, sondern auch die Künstler und die Intellektuellen, sofort hingerichtet, wie es zu Zeiten Stalins der Fall war"

Der Großerzbischof spricht sich für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Wenn man Waffen einsetze, um russische Raketen oder iranische Drohnen abzuschießen, sterbe niemand. Daher sei es "moralisch gerechtfertigt, der Ukraine Waffen zu überlassen, damit die Ukrainer in der Lage sind, sich selbst gegen den russischen Aggressor zu verteidigen", so Schewtschuk.

"Russischer Sieg wäre globale Katastrophe"

Ein russischer Sieg im Angriffskrieg gegen die Ukraine wäre "eine globale Katastrophe", warnt er; "der erste Schritt zu einer globalen Konfrontation in einer sehr nahen Zukunft." Schewtschuk wandte sich gegen ein Einfrieren des Konflikts. Das gäbe Russland eine weitere Chance, die eigene Armee weiter aufzurüsten und eine nächste, noch zerstörerischere Aggression zu starten.

Russland müsse anerkennen, "dass es eine ukrainische Nation mit eigener Sprache, Geschichte, Kirche, Staatlichkeit gibt", fordert das Kirchenoberhaupt. Bis jetzt sei die Ukraine für Russland kein Staat, sondern ein Territorium. Sein Traum sei, dass sie Ukraine nicht nur das besetzte Gebiet und die dort gefangenen Menschen befreit.

Freunde und Verwandte besuchen das Grab eines ukrainischen Soldaten auf einem Friedhof in der Ukraine / © Bernat Armangue/AP (dpa)
Freunde und Verwandte besuchen das Grab eines ukrainischen Soldaten auf einem Friedhof in der Ukraine / © Bernat Armangue/AP ( dpa )

Schewtschuk wörtlich: "Mein Traum ist, dass ukrainische Familien aus der ganzen Welt nach Hause zurückkehren und Sicherheit und Mut haben, um in ihrer eigenen Heimat neue Generationen von Ukrainern zur Welt zu bringen."

Zur Feier des 65-jährigen Bestehens der deutschen Exarchie tagte das oberste Leitungsgremium der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) unter Vorsitz Schewtschuks in München. Die UGKK ist mit rund fünf Millionen Mitgliedern weltweit die größte mit Rom verbundene Ostkirche.

Ukrainische griechisch-katholische Kirche

Die ukrainische griechisch-katholische Kirche (UGKK) ist mit weltweit rund 4,5 bis 5,5 Millionen Mitgliedern die größte katholische Ostkirche. In der mehrheitlich orthodoxen Ukraine ist etwa jeder zehnte Einwohner griechisch-katholisch. Ihre Gottesdienste feiert die Kirche wie die orthodoxen Christen im sogenannten byzantinischen, ostkirchlichen Ritus. 

Swjatoslaw Schewtschuk, Erzbischof von Kiew (Ukraine) und Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, am 14. September 2023 in Rom (Italien). / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Swjatoslaw Schewtschuk, Erzbischof von Kiew (Ukraine) und Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, am 14. September 2023 in Rom (Italien). / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA