Ethische Bedenken bei der Organspende vom Tier zum Menschen?

Zwischen Fleischkonsum und Lebensrettung

Am vergangenen Samstag war Tag der Organspende. Über 8.000 Menschen in Deutschland warten auf ein lebenserhaltendes Organ. Die Wissenschaft sucht daher nach anderen Lösungen. Könnten diese moralisch vertretbar in der Tierwelt liegen?

Könnten Organe von Schweinen und anderen Tieren moralisch vertretbar für den Menschen genutzt werden? / © Dusan Petkovic (shutterstock)
Könnten Organe von Schweinen und anderen Tieren moralisch vertretbar für den Menschen genutzt werden? / © Dusan Petkovic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: In der Wissenschaft wird schon seit Jahren die Möglichkeit diskutiert, dass Tiere mögliche Organspender für den Menschen sein könnten. Sie sind Moraltheologe und sind auch im Verbundprojekt dieser Forschung in München engagiert. Sind Tiere denn als Ersatzteillager für den Menschen ein gangbarer Weg? 

Jochen Sautermeister / © Julia Steinbrecht (KNA)
Jochen Sautermeister / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister (Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn): Auf jeden Fall gibt es Forschungsbemühungen zur sogenannten Xenotransplantation, also die Verpflanzung von tierischen Organen, Geweben oder Zellen in den Menschen. Diese betreffen vor allem das Herz, die Nieren, die Insulin produzierenden Inselzellen oder die Augenhornhaut.

Es besteht die Hoffnung, mit Tierorganen und Tiergeweben Menschen zu helfen, die an Organversagen leiden und für die es kein Spenderorgan gibt. Solange es keine hinreichenden medizinischen Alternativen oder menschliche Spenderorgane gibt, ist es auf jeden Fall lohnend, diesen Weg weiterzugehen. 

DOMRADIO.DE: Wo sehen Sie denn ethische Konflikte?

Sautermeister: Es gibt verschiedene ethische Konflikte und Herausforderungen der Xenotransplantation. Grundsätzliche Einwände bestehen, wenn es sich um Organe, oder Gewebe handeln würde, die die Identität des Menschen als Menschen betreffen; etwa wenn es um das Gehirn oder um Keimzellen zur Fortpflanzung geht – dazu gibt es aber keine Forschungen.

Im Unterschied dazu lässt sich Xenotransplantation im Allgemeinen dann verantworten, wenn es um Organe und Gewebe mit lebenserhaltenden Funktionen geht beziehungsweise schwere Gewebe und Organschäden zu beheben.

Daneben gibt es noch andere ethische Konfliktfelder, etwa die Frage nach der Übertragung von krankmachenden Viren von Schwein auf Mensch. Hier hat man diagnostische und medizinische Vorsorge zu treffen, dass keine Viren auf den Menschen übertragen werden. Dabei ist auch die Frage nach der informierten Einwilligung eines Patienten zu klären und welche Konsequenzen die Xenotransplantation für ihn und sein Umfeld haben könnte.

Außerdem wird die Frage diskutiert, ob es überhaupt verantwortbar ist, Tiere genetisch zu verändern; dabei ist jedoch zu beachten, dass die Gentechnik schon seit längerem in der Nutztierhaltung vorkommt.

Jochen Sautermeister

"Inzwischen hat eine Sensibilisierung mit Blick auf das Tierwohl und den Tierschutz stattgefunden."

DOMRADIO.DE: Gehört auch die Frage, ob Tiere extra dafür getötet werden müssen, ebenfalls dazu?

Sautermeister: Auf jeden Fall. Diese Frage wird verstärkt in den letzten Jahren diskutiert – anders als vor 25 Jahren; damals stand vielmehr die Frage der Infektionsgefahr im Vordergrund.

Inzwischen hat eine Sensibilisierung mit Blick auf das Tierwohl und den Tierschutz stattgefunden. Deswegen ist es so wichtig, die Frage auch intensiv zu erörtern. Allerdings ist dabei zu beachten, dass in unserer Kultur Nutztiere selbstverständlich sind. Denken wir nur an die Fleischindustrie, wo Tiere extra gezüchtet und dann getötet werden. Ethisch stellt sich dann die Frage nach einer kohärenten moralischen Praxis in unserer Gesellschaft.

USA, Baltimore: Ärzte operieren an einem Schweineherz das in einen menschlichen Patienten eingesetzt wird / © Tom Jemski (dpa)
USA, Baltimore: Ärzte operieren an einem Schweineherz das in einen menschlichen Patienten eingesetzt wird / © Tom Jemski ( dpa )

DOMRADIO.DE: Täglich werden zehntausende Schweine für unseren Fleischkonsum geschlachtet. Macht es da moraltheologisch betrachtet einen Unterschied, ob wir die Tiere essen oder ihre Organe bei uns einpflanzen? 

Sautermeister: Den Unterschied, den wir moraltheologisch machen, ergibt sich meines Erachtens klar aus einer Güterabwägung. Welches Gut ist höher zu bewerten: der Fleischkonsum oder die Lebensrettung? Die Antwort liegt meines Erachtens mit dem Lebensschutz klar auf der Hand.

Gleichzeitig sollte man alles dafür tun, den Tierschutz und das Tierwohl hochzuhalten. In Deutschland haben wir ja ein gut ausgearbeitetes Tierschutzgesetz. Demnach dürfen die Tiere keinem unverhältnismäßigen Leiden ausgesetzt werden. Daher ist auch dafür zu sorgen, dass die besondere Haltung für die Tiere den Tierschutzbestimmungen entsprechend sind.

Zugleich sind selbstverständlich die Bedingungen an der Nutztierhaltung zu verbessern; eine Kritik an der Massentierhaltung ist weiterhin nötig. Hier bedarf es in unserer Gesellschaft noch erheblich mehr Sensibilisierung. 

Jochen Sautermeister

"Auch beim Fleischkonsum sollte man auf das Tierwohl und die Haltungsbedingungen achten."

DOMRADIO.DE: Das Verhältnis vom Tier zum Menschen ist ethisch betrachtet sehr komplex. Auf der einen Seite investieren wir sehr viel Geld in unsere Haustiere. Wenn es aber um das Tierwohl der Nutztiere geht, blenden immer noch viele Menschen die Probleme der Massentierhaltung aus. Wie sehen Sie das als Moraltheologe? 

Sautermeister: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Unsere Bewertungen und unser Verhalten ist nicht immer konsistent. Wir können ganz unterschiedliche Prioritäten setzen. Menschen, die zu ihren Haustieren eine ganz enge Beziehung haben, ja sie fast etwa als Familienmitglieder ansehen, legen ganz andere Maßstäbe an, als wenn man Tiere lediglich als Nahrungsmittel betrachtet.

Aber auch beim Fleischkonsum sollte man auf das Tierwohl und die Haltungsbedingungen achten. Billiges Fleisch ist eben deswegen billiges Fleisch, weil auch die Produktionsbedingungen billig sind. Darunter leiden die Tiere.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR